Wie sinnvoll ist eine Strafgebühr für Notaufnahmen?
A&W Redaktion20 Euro Eintrittsgeld, um überlastete Notfallambulanzen zu entlasten? Was die Unionsparteien und KBV-Chef Gassen fordern, stößt nicht überall auf Zustimmung.
Ganz neu ist die Idee nicht. Und doch hat der kürzlich erfolgte Vorschlag von Andreas Gassen hohe Wellen geschlagen. Der KBV-Chef hatte sich in einem Interview dafür ausgesprochen, dass Patientinnen und Patienten künftig eine Gebühr für den Eintritt in die Notaufnahme zahlen sollen, wenn sie zuvor keine telefonische Ersteinschätzung eingeholt haben. Das Argument des Funktionärs: Wer noch selbst in eine Notaufnahme gehen könne, sei oft kein echter medizinischer Notfall.
Der Hintergrund des Vorstoßes ist ein lange bekannter Missstand. Die Notaufnahmen deutscher Kliniken sind notorisch überlastet (mehr zum Thema lesen Sie hier). Gerade an den Wochenenden, wenn die regulären Praxen geschlossen sind, nutzen viele Patienten sie als Anlaufstelle für ihre größeren und kleineren medizinischen Probleme. Entsprechend sind die diensthabenden Ärzte oft vor allem damit beschäftigt, ernsthafte Notfälle von Bagatelle-Beschwerden zu unterscheiden.
Doch ist die von Gassen geforderte Strafgebühr wirklich der Weg zum Heil? Während die Unionsparteien offen für diese Idee sind, kommt von anderer Seite zum Teil harsche Kritik.
Patienten gehen mangels Alternativen in die Notaufnahme
Der Chef der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß, bezweifelt, dass der Vorschlag Gassens zum jetzigen Zeitpunkt bereits spruchreif ist: „Wenn wir über Sanktionierungen sprechen, müssen zuerst die Bedingungen erfüllt sein, die gewährleisten, dass alle Patientinnen und Patienten in einer Notfallsituation ideal beraten und gesteuert werden“, so Gaß. Dazu brauche es eine medizinische Ersteinschätzung durch die integrierten Leitstellen der Telefonnummern 112 und 116117, eine kurzfristige Terminvermittlung in umliegenden Arztpraxen und auch unmittelbare Hausbesuche durch den KV-Notdienst. Erst wenn diese Voraussetzungen durch die Kassenärztlichen Vereinigungen geschaffen seien, könne man ernsthaft über den Vorschlag der Strafgebühr nachdenken. So weit sei man in Deutschland aber noch lange nicht, so Gaß.
Für die Kliniken entstünde zudem ein großer Aufwand, die Gebühr zu erheben. Entweder müsste das Verfahren direkt über die Krankenkassen abgewickelt werden, oder das Geld müsste bei den Kliniken verbleiben, um den Verwaltungsaufwand abzudecken.
Schlechte Erfahrungen mit Praxisgebühr schrecken ab
Zudem verweist Gaß auf die wenig erfreulichen Erfahrungen mit der Praxisgebühr, die inzwischen Geschichte ist. „All die genannten Gründe waren auch ursächlich dafür, die Praxisgebühr im niedergelassenen Bereich wieder abzuschaffen. Wir sollten es vermeiden, Fehler der Vergangenheit zu wiederholen“, so der DKG-Chef.
Kritisch äußerte sich auch der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbands, Markus Beier. Er räumte zwar ebenfalls ein „offenkundiges Problem“ in den Notaufnahmen ein. Die Diskussion um eine Strafgebühr mache jedoch den dritten Schritt vor dem ersten. Die Überlastung der Notaufnahmen sei Ausdruck eines Systemversagen, das man zuerst angehen müsse. Ähnliche Aussagen kommen vom Grünen-Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen. Ihm zufolge lässt vor allem die derzeit lückenhafte, insbesondere hausärztliche Grundversorgung manches medizinische Problem überhaupt erst zum Notfall werden.