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Infografik der Woche

Lieferengpässe sind ein seit langem bekanntes Phänomen der Arzneimittelversorgung in Deutschland. Neu ist jedoch das Ausmaß der Lieferengpässe und die Zahl der betroffenen Patienten. Darauf weist das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland (Zi) nach einer aktuellen Auswertung der Pharmazentralnummern hin.

Wie lassen sich Lieferengpässe bei Medikamenten messen?

Einen Überblick über die Arzneimittelversorgung geben die Abrechnungsdaten der Apotheken. Lieferengpässe bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln lassen sich damit jedoch nur schwer messen. Dies liegt daran, dass nicht dokumentiert wird, was nicht geliefert werden konnte. Ein Indikator für die Nichtverfügbarkeit eines Arzneimittels ist die Sonder-PZN 02567024. Pharmazentralnummern (PZN) sind in Deutschland ein bundeseinheitlicher Identifikationsschlüssel für Arzneimittel, Medizinprodukte und andere apothekenübliche Waren.

Wann wird die Sonder-PZN 02567024 verwendet?

Die Sonder-PZN 02567024 wird verwendet, wenn statt des rabattierten oder preisgünstigsten Präparates ein wirkstoffgleiches Arzneimittel eines anderen Herstellers abgegeben wurde. Sie kommt nur im Generika- und Importmarkt vor. Eine Betrachtung ihrer Häufigkeit als Zeitreihe deutet jedoch auf eine aktuelle Verschärfung der Situation hin.

Zahl der Sonder-PZN im 4. Quartal 2022 deutlich gestiegen

War die Anzahl der abgerechneten Sonder-PZN für nicht verfügbare verordnete Arzneimittel im Jahr 2021 und in den ersten neun Monaten des Jahres 2022 relativ stabil, steigt sie im vierten Quartal 2022 laut aktueller Zi-Analyse deutlich an. Bei 10 % der Verordnungen konnten die Apotheken nicht auf das eigentlich abzugebende Präparat (z. B. Rabattarzneimittel) zurückgreifen. Dies betraf 26 % der Patientinnen und Patienten mit einer Verordnung.

Betroffen von den Lieferengpässen waren auch häufig verordnete Wirkstoffe, sodass rund 75 % aller verordnenden Praxen mindestens einen betroffenen Patienten hatten. Nicht erfasst sind die Fälle, in denen die Apotheke ein neues Rezept bei der Arztpraxis anfordern musste, weil der verordnete Wirkstoff gar nicht vorrätig war.

Lieferengpässe von Medikamenten haben viele Ursachen

„Die Gründe für Lieferengpässe sind vielschichtig. Neben nicht ausreichenden Produktionskapazitäten oder dem Rückzug einzelner Hersteller können auch kurzfristige Veränderungen im Krankheitsgeschehen zu Problemen führen. So ist im Dezember 2022 von Versorgungsschwierigkeiten bei Antibiotika mit den Wirkstoffen Amoxicillin, Amoxicillin/Clavulansäure und Penicillin V berichtet worden. Dies war eine besondere Herausforderung, da viele Menschen, insbesondere Kinder und Jugendliche, in diesem Zeitraum an einer bakteriellen Infektion erkrankten. Der Markt konnte jedoch nicht zeitnah genug auf den gesteigerten Bedarf reagieren. Während im vierten Quartal 2021 die drei Wirkstoffe knapp zwei Millionen Mal verordnet wurden, waren es im vierten Quartal 2022 mehr als 3,1 Millionen Verordnungen (+57 Prozent). Insbesondere bei so wichtigen Wirkstoffen wie Antibiotika sollte daher neben stabilen Lieferketten auch eine Reserve vorgehalten werden“, sagte der Zi-Vorstandsvorsitzende Dr. Dominik von Stillfried.

Um Lieferengpässe tatsächlich zu reduzieren oder gar zu vermeiden, müsse die Politik an den eigentlichen Ursachen ansetzen und mehr Transparenz über die Lieferwege schaffen. Diese seien oft nur den jeweiligen Pharmaunternehmen im Detail bekannt, so von Stillfried weiter. „Konkret heißt das: Abhängigkeiten von Lohnherstellern in Asien zurückfahren und verbliebene Standorte in Europa stärken sowie Lieferengpässe konsequenter überwachen, damit frühzeitig präventive Maßnahmen ergriffen werden können.“