Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Vermischtes

In der von der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (apoBank) vorbereiteten Session “Praktizieren in Krisenzeiten – Welche Herausforderungen und Chancen birgt die Corona-Pandemie?” diskutierten Dr. Frank Bergmann, Vorstandsvorsitzender der KV Nordrhein, Dr. Florian Siedek, Oberarzt der Radiologie an der Uniklinik Köln, Dr. Philipp Stachwitz, Director Medical Care beim health innovation hub, und Dr. Nicolas Krämer, Autor und Krankenhausmanager, über die veränderten Arbeitsabläufe in Praxen und Krankenhäusern, die Rolle der Digitalisierung und über die Praxisgründung in Krisenzeiten.

Organisatorische Höchstleistungen

Zu Beginn der Pandemie musste schnell gehandelt werden. Sowohl im Krankenhaus als auch in der Praxis galt es, Arbeitsabläufe zügig umzustrukturieren, um den Betrieb weiterhin am Laufen zu halten und gleichzeitig die Sicherheit für Patienten und Mitarbeiter zu gewährleisten. Laut Bergmann waren die niedergelassenen Ärzte vor allem mit drei herausfordernden Aufgaben konfrontiert: Die Schutzmaterialien zu besorgen, sich aus dem Stand heraus neu aufzustellen, um die Patientenströme zu regeln und sich den schnell ändernden Teststrategien anzupassen.

Dabei meldeten Praxisinhaber Einbußen bei Fallzahlen und Leistungen von 20 bis 50 Prozent – so der Chef der KV-Nordrhein, da Patientenzahlen aus Angst vor Ansteckung rückläufig wurden.

Organisatorische Höchstleistungen mussten auch Krankenhäuser an den Tag legen, wie Siedek am Beispiel der Uniklinik Köln aufzeigte. Dort sei der Regelbetrieb stark reduziert und in den Krisenmodus versetzt worden, das Personal anders eingeplant und der Arbeitsalltag ein anderer geworden.

Zu dem höheren organisatorischen Aufwand gesellte sich ähnlich wie in den Arztpraxen auch in Kliniken ein wirtschaftliches Dilemma, da Behandlungen und Eingriffe abgesagt wurden und Patienten Angst hatten, Krankenhäuser zu betreten. Entsprechend war der Rettungsschirm des Gesetzgebers eine “beruhigende Entscheidung”, so der Chef der KV Nordrhein Bergmann, auch wenn dieser nicht die gesamten Kosten decken könne.

Rolle der Digitalisierung

Die Digitalisierung hat während der Krise schneller Einzug in den Versorgungsalltag gefunden, als es sonst der Fall wäre – da sind sich alle einig. Offen bleibt, wie nachhaltig diese Entwicklung ist. Dass es vor allem die Videosprechstunde war, die einen großen Schub erfahren hat, findet Stachwitz nicht verwunderlich, da die Voraussetzungen bereits gegeben waren. Es gab zertifizierte Anbieter, entsprechend war es für die Ärzte einfacher damit an den Start zu gehen.

Außerdem sei da noch die zunehmend positive Haltung der Ärzteschaft gegenüber der Digitalisierung zu beobachten. Wichtig sei die Erfahrung der Ärzte, dass die Videosprechstunde mehr Handlungsspielraum ermöglicht und das Leistungsspektrum erweitert. Doch immer noch gäbe es Praxen, die im Internet nicht präsent seien, sagte Stachwitz. Auch bei Nutzung der Online-Terminbuchung gäbe es viel Nachholbedarf. Es mache aber Sinn, sich mit Digitalisierung zu beschäftigen, vor allem an der Schnittstelle zum Patienten, denn der Bedarf ist hoch.

Das zeige auch der Erfolg der fachfremden IT-Unternehmen, die auf eine andere Art und Weise Medizin machen und Patienten nehmen das an. Es lohne sich auch deshalb, weil durch Digitalisierung Abläufe einfacher zu gestalten seien, wie beispielsweise die Terminvergabe. Stachwitz plädierte für mehr Offenheit zur Veränderung, denn neben der Arbeit mit Praxisverwaltungssystemen zur Übertragung von administrativen Tätigkeiten müssen auch medizinische Prozesse digitalisiert werden.

Niederlassung in Zeiten von Corona

Wie die Pandemie sich auf die Niederlassungsabsichten der jungen Nachwuchsmediziner auswirkt, ist aktuell noch schwer zu beantworten. Sicherlich gäbe es eine vermehrte Unsicherheit hinsichtlich des finanziellen Risikos, schätzt Siedeck ein. Der als Oberarzt tätige Radiologe ist jedoch zuversichtlich, dass sich die Situation künftig normalisieren wird. Nach den idealen Bedingungen für eine Niederlassung befragt, nennt er Teilhaberschaft in einer Gemeinschaftspraxis mit erfahrenen und motivierten Kollegen, ein innovationsoffenes Umfeld und moderne Praxisorganisation sowie einen zentralen Standort in einer Metropole.

Begmann bestätigte den Trend unter den Ärzten zu Niederlassung in Kooperationen, “das funktioniert gut”. In der Corona-Zeit konnte er als Chef der KV-Nordrhein bislang nicht feststellen, dass weniger Anträge beim Zulassungsausschuss eingegangen sind. Wie sich das Niederlassungsgeschehen entwickelt, bleibt also abzuwarten – Tatsache ist, dass mehr junge Ärzte für die Versorgung benötigt werden und es vor allem in ländlichen und strukturschwachen Regionen eine Herausforderung bleibt, Praxen zu besetzen.

Ein weiter Weg zur Normalität

Die Krise sei noch nicht ausgestanden, sechs Monate nach dem Ausbruch “stellen wir fest, dass wir noch einen weiten Weg zur Normalität haben. Patientenzahlen liegen hinter den Erwartungen zurück, auch die Nachfrage in Apotheken ist deutlich verhalten. Und es bleibt ungewiss, ob wir wirklich in Zukunft wieder in den Normalzustand kommen”, fasst Daniel Zehnich, Bereichsleiter Gesundheitsmärkte und -politik bei der apoBank, in seinem Videostatement die aktuelle Situation zusammen. Corona habe uns aber gezeigt, “wie wichtig ein solides wirtschaftliches Fundament für die Selbständigkeit ist”, und in dieser Zeit wurde auch deutlich, “wie leistungsfähig das Gesundheitssystem in Deutschland ist”. Die Herausforderungen bleiben groß, doch – und das habe die Krise uns auch vor Augen geführt – das Zusammenspiel zwischen verschiedenen Leistungserbringern sei eine Stärke.

Der Gesundheitskongress des Westens fand in diesem Jahr am 8. und 9. September als hybrider Kongress statt: Teilnehmer konnten wählen, ob sie nach Köln kommen oder sich den GdW online im Livestream anschauen.