Migräne-Patienten endlich besser versorgen
Nina GrellmannEs gibt sie: hochwirksame Akut-Medikamente und zuverlässige Prophylaxen. Und trotzdem werden viele Patientinnen und Patienten mit Migräne in Deutschland noch unzureichend behandelt. Die erst kürzlich veröffentlichten S1-Leitlinie zur Therapie und Prophylaxe der Migräne spricht klare Empfehlungen aus.
Migräne steht in Deutschland auf Platz eins der häufigsten neurologischen Erkrankungen – etwa jede zehnte Person ist davon betroffen. Entgegen der Annahme vieler Außenstehender bedeutet die Krankheit nicht nur ein bisschen Kopfschmerzen bei unliebsamen Tätigkeiten oder Terminen, sondern ernsthafte Einschränkungen der Lebensqualität und Leistungsfähigkeit durch beispielsweise massive Schmerzen, Brainfog oder Übelkeit. Nicht umsonst hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Migräne als zweithäufigste Ursache für Behinderung (years lived with disability [YLD]) unter allen menschlichen Krankheiten identifiziert.
Neue Migräne-Medikamente erweitern das Therapiespektrum erheblich
Die medikamentöse Migräne-Behandlung hat sich in den vergangenen Jahren deutlich weiterentwickelt. Während Triptane weiterhin den Goldstandard für die Akuttherapie darstellen, erweitern neue Wirkstoffe, wie Lasmiditan und Rimegepant, das Behandlungsspektrum erheblich. „Diese Substanzen bieten insbesondere für Patientinnen und Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen neue Optionen, da sie nicht gefäßverengend wirken“, erklärt PD Dr. Lars Neeb, Präsident der Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft e. V. (DMKG) und Chefarzt der Neurologie am Universitätsklinikum Brandenburg an der Havel. Für die Prophylaxe stehen seit Kurzem mit Atogepant und Rimegepant orale Calcitonin-Gene-related-Peptide(CGRP)-Rezeptorantagonisten zur Verfügung.
Versorgungsdefizite trotz wissenschaftlicher Fortschritte
Trotz dieser therapeutischen Innovationen bleibt die Versorgungsrealität ernüchternd; es klafft eine erhebliche Lücke. „Daten aus dem DMKG-Kopfschmerzregister zeigen, dass moderne, spezifische Migräne-Prophylaktika häufig erst spät im Krankheitsverlauf eingesetzt werden – oftmals nach Jahren unzureichender Behandlung“, so Neeb weiter. Ein frühzeitiger Zugang zu wirksamen Therapien sei jedoch wichtig, da er das Risiko einer Chronifizierung deutlich senken kann.
Multimodale Ansätze als Schlüssel zum Erfolg bei Migräne
Die neue Leitlinie betont die Bedeutung multimodaler Behandlungsansätze. Neben der medikamentösen Therapie gewinnen nicht-medikamentöse Verfahren zunehmend an Bedeutung. „Kognitive Verhaltenstherapie, Entspannungstechniken, Achtsamkeitsübungen, Biofeedback sowie Ausdauer- und Kraftsport haben nachweislich positive Effekte und sollten fester Bestandteil jeder Migräne-Behandlung sein“, erläutert Dr. Thomas Dresler von der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Tübingen und Präsident des diesjährigen Deutschen Schmerzkongresses in Mannheim.
Darüber hinaus ermöglichen digitale Anwendungen wie die DMKG-App oder die SinCephalea-App es Betroffenen, ihre Migräne gezielt zu beobachten und selbst Einfluss auf den Krankheitsverlauf zu nehmen.
Interdisziplinäre und patientenzentrierte Migräne-Versorgung
Eine interdisziplinäre multimodale Schmerztherapie (IMST), bei der Fachleute aus Schmerzmedizin, Psychologie, Physiotherapie und Pflege eng zusammenarbeiten, führt nachweislich zu besseren Ergebnissen und verhindert Chronifizierung. Betroffene sollen befähigt werden, den Umgang mit ihrer Erkrankung aktiv mitzugestalten.
Das mit 5,3 Millionen Euro geförderte Projekt MIGRA-MD ...
... kombiniert digitale Kopfschmerztagebücher, strukturierte Arztportale und Online-Lernplattformen, um eine leitliniengerechte Versorgung zu ermöglichen.
Presseinformation anlässlich des Deutschen Schmerzkongresses 2025 in Mannheim