Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
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Verbale und körperliche Gewalt in Arztpraxen nimmt immer weiter zu: Patient werden laut oder aggressiv, weil sie aus ihrer Sicht zu lange warten müssen, weil sie nicht das verordnet bekommen, was sie für richtig halten oder sich schlecht behandelt fühlen. Mitarbeitende der Praxis werden beleidigt oder bedroht, bisweilen kommt es auch zu körperlicher Gewalt.

Dann müssen Praxisinhaberinnen und -inhaber klare Grenzen setzen. An erste Stelle steht dabei natürlich die eigene Sicherheit. Sein Hausrecht wahrzunehmen und ein Hausverbot auszusprechen, hat aber auch eine strafrechtliche Komponente, die in die Zukunft wirkt.

Gewalt in Gesundheitswesen nimmt zu

Laut Arbeitsunfallstatistik der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung kam es 2023 zu rund 18.000 meldepflichtigen Arbeitsunfällen aufgrund von Gewalt, Angriff, Bedrohung oder Überraschung. Auf das Gesundheitswesen entfielen dabei rund 1.200 gemeldete Unfälle. Die tatsächliche Zahl der Übergriffe dürfte höher liegen.

Ein Hausverbot ist ein wirkungsvolles Mittel, um einen Patienten der Praxis zu verweisen. Das Thema gehört zur Gewaltprävention. Jeder im Team sollte im Ernstfall aber neben allgemeinen Verhaltensregeln auch wissen, was er rechtlich tun kann und tun darf.

Bevor ein Patient in einer Praxis Hausverbot erhält, muss sich der Arzt oder die Ärztin versichern, dass kein medizinischer Notfall vorliegt, der zu einer Behandlung verpflichtet. Doch niemand muss sich dabei selbst gefährden. Liegt ein Notfall vor, verhält sich der Patient aber so aggressiv, dass der Arzt ihn nicht behandeln kann, muss er die Polizei rufen.

Wer hat das Hausrecht?

Das Hausrecht steht grundsätzlich dem Eigentümer des Gebäudes oder der Praxis zu. Mit dem Mietvertrag geht es auf den Mieter über. Bei einer Arztpraxis ist das der Praxisinhaber oder die -inhaberin, bei einer Gemeinschaftspraxis sind es die Gesellschafter. Doch nicht nur der Chef selbst, auch die Mitarbeitenden können gegenüber einem Patienten ein Hausverbot aussprechen. Dafür muss der Praxisinhaber sie zuvor mündlich oder schriftlich ermächtigt haben. Das kann sinnvoll sein, weil der Praxischef nicht immer in der Praxis anwesend ist, wenn es zu brenzligen Situationen kommt. Wer genau neben dem Chef ein Hausverbot aussprechen darf, sollte Praxisinhaberinnen und -inhaber vorab im Team besprechen und schriftlich festhalten.

Wie erteilt man ein Hausverbot?

In der Situation selbst ist es wichtig, dass der Praxisinhaber oder eine hierzu ermächtigte Person den Patienten unmissverständlich zum Verlassen der Praxis auffordern, etwa so: „Hiermit erteile ich Ihnen Hausverbot. Verlassen Sie bitte sofort meine Praxis.“ Reagiert der Patient darauf nicht, begeht er einen Hausfriedensbruch. Er macht sich nach § 123 Strafgesetzbuch strafbar. Dort heißt es sinngemäß: Wer widerrechtlich in Geschäftsräume eindringt oder sich ohne Befugnis darin aufhält und sich auch auf Aufforderung nicht entfernt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft. Geht der Patient trotz Aufforderung nicht freiwillig, sollte das Praxispersonal die Polizei rufen. Das stellt keine Überreaktion dar, sondern ist Ausdruck ruhigen und konsequenten Handelns – und besser, als den Patienten eigenhändig vor die Tür zu setzen.

Hausverbot kann befristet werden

Ein Hausverbot kann zeitlich unbefristet ausgesprochen werden. Es kann aber auch befristet werden, beispielsweise auf ein Jahr. Ob Ärztinnen und Ärzte allerdings einen Patienten, den sie einmal hinausgeworfen haben, wieder behandeln möchten, müssen Sie selbst entscheiden. Wenn der Patient trotz des Hausverbots wieder in die Praxis erscheint, begeht er erneut einen Hausfriedensbruch. Daher ist ein ausgesprochenes Hausverbot auch eine Präventionsmaßnahme. Dem Patienten wird signalisiert, dass er sich nicht wieder blicken lassen darf, ohne sich strafbar zu machen.

Mitarbeitende über ein Hausverbot informieren

Weil mit der Zeit unangenehme Vorfälle in den Hintergrund treten oder aufgrund von Personalwechsel in der Praxis nicht mehr alle Mitarbeitenden Bescheid wissen, sollte das Thema Hausrecht im Team regelmäßig aufgefrischt werden. Vor allem sollte das Team Bescheid wissen, welche Personen die Praxis nicht betreten dürfen.

Trotzdem kann es passieren, dass eine MFA mit einem solchen Patienten telefonisch ein Termin vereinbart oder der Patient sich diesen über ein Buchungsportal bucht. Allein in dieser Terminvergabe liegt aber noch keine Rücknahme des Hausverbots. Der Patient kann und sollte beim Erscheinen auf das Hausverbot aufmerksam gemacht und der Praxis verwiesen werden. Ärzte beziehungsweise das Praxispersonal sollten allerdings auch hier prüfen, ob ein medizinischer Notfall vorliegt, um sich nicht selbst strafbar zu machen.

So zeigen Sie einen Hausfriedensbruch an

Wer nach einem Hausfriedensbruch in ihrer Praxis möchte, dass dieser für den Patienten strafrechtliche Konsequenzen hat, muss selbst aktiv werden. Hausfriedensbruch ist ein sogenanntes absolutes Antragsdelikt. Es wird von den Strafrechtsbehörden nur auf Antrag verfolgt. Antragsberechtigt ist der Hausrechtsinhaber oder eine von ihm dazu beauftragte Person. Er hat dazu drei Monate Zeit, nachdem er von dem Vorfall Kenntnis erlangt hat. Der Hausfriedensbruch ist aber auch ein Privatklagedelikt. Das bedeutet, dass die Staatsanwaltschaft darüber entscheidet, ob sie öffentlich Anklage erhebt oder den Hausrechtsinhaber auf den Privatklageweg verweist. Den kann der Hausherr aber auch ohne Strafantrag beschreiten, Anklage erhebt dann nicht die Staatsanwaltschaft, sondern er selbst.

Hausfriedensbruch richtig dokumentieren

Da die Beteiligten sich nach einiger Zeit häufig nicht mehr an die genauen Umstände und Details eines Hausverbots erinnern, sollten Praxisinhaber unmittelbar nach einem solchen Vorfall eine Dokumentation erstellen. Diese sollte Datum, Uhrzeit, die Namen aller Beteiligten und Zeugen und den genauen Ablauf enthalten. Gerade die Benennung von Zeugen ist wichtig. Das können eigene Praxismitarbeitende sein, aber auch zufällig anwesende Patienten oder die zu Hilfe gerufenen Polizeibeamten. Damit kann der Praxisinhaber im Falle eines Strafantrags den Hergang beweisen.

Gleichzeitig dient dies der eigenen Entlastung gegenüber Rückfragen der Ärztekammer oder der Kassenärztlichen Vereinigung. Denn nicht selten drehen Patienten den Spieß um und beschweren sich. Manche Patienten erstatten sogar eine Strafanzeige gegen den Arzt oder seine Mitarbeitenden, etwa wegen unterlassener Hilfeleistung, Beleidigung, Körperverletzung oder Nötigung.

Dürfen Ärzte die Behandlung ablehnen?

Nach dem Bundesmantelvertrag-Ärzte dürfen Ärztinnen und Ärzte die Behandlung eines Kassenpatienten übrigens ablehnen, wenn ein besonderer Grund dafür vorliegt (§ 13 Abs. 7 BMV-Ä). Ein solcher besteht immer dann, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient gestört ist – und das ist bei aggressiv und enthemmt auftretenden Patienten der Fall. Die Behandlung ist ihnen dann nicht zumutbar. Liegt eben kein Notfall vor, sind Sie nicht verpflichtet aggressive Patienten zu behandeln. Das gilt auch für Privatärzte sowie für Privatpatienten.

 

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