Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
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Ärztinnen und Ärzte klären täglich Patienten auf: über die Nebenwirkungen eines Medikaments oder darüber, wie der Patienten sich im Anschluss an eine Behandlung verhalten soll. Doch manchmal gibt es Situationen, in denen sie hinterher das Gefühl beschleicht, sie hätte da vielleicht ein bisschen mehr sagen können oder sie hätte deutlicher über die Risiken sprechen müssen.

Aufklärungsrüge: Wenn Patienten behaupten, nicht richtig aufgeklärt worden zu sein

Es ist unter Juristen ein offenes Geheimnis, dass Patienten, die mit einer Behandlung nicht zufrieden sind, als erstes die sogenannte Aufklärungsrüge erheben. Sie sagen also: „Ich bin nicht oder ich bin nicht richtig aufgeklärt worden, sonst hätte ich nie eingewilligt!“ Die richtige Aufklärung und Dokumentation sind daher Ihr wichtigster Schutzschild gegen rechtliche Risiken.

Die verschiedenen Arten der Aufklärung

Eine korrekte Aufklärung ist die Voraussetzung für eine wirksame Einwilligung des Patienten in eine Behandlung. Eine Behandlung, die ohne wirksame Einwilligung vorgenommen wird, ist rechtswidrig.

Den Kernpunkt der ärztlichen Aufklärungspflichten bildet die sogenannte Risiko- beziehungsweise Selbstbestimmungsaufklärung. Sie beinhaltet grob gesagt, dass der Arzt den Patienten vor einer Behandlung oder einem Eingriff über die damit im Großen und Ganzen verbundenen Risiken aufklären muss. Der Patient muss sich ein Bild von der Art, Schwere und Richtung der Risiken machen können. Die Darlegungs- und Beweislast für diese Aufklärung liegt beim behandelnden Arzt. Er muss also in diesem Bereich beweisen, dass er den Patienten ordnungsgemäß aufgeklärt hat.

Daneben gibt es noch die sogenannte Sicherungsaufklärung oder auch „therapeutische Aufklärung“ genannt. Sie soll den Behandlungserfolg absichern und den Patienten vor einem Verhalten schützen, das diesen gefährdet. Sie betrifft also das Verhalten vor und nach der Behandlung oder vor und nach einem Eingriff. Dazu zählt zum Beispiel der Hinweis an den Patienten, Bettruhe einzuhalten oder dass ein Befund kontrollbedürftig ist. Bei einem Vorwurf in diesem Bereich liegt die Darlegungs- und Beweislast für eine nicht ordnungsgemäße Aufklärung beim Patienten. Daneben gibt es noch die Aufklärung über die Kosten einer Behandlung oder über mögliche Behandlungsfehler.

Die Risiko- beziehungsweise Selbstbestimmungsaufklärung - Schwerpunkt der ärztlichen Aufklärung

Zunächst gilt für den Umfang der Aufklärung der Grundsatz, dass der Arzt den Patienten über alle in Frage kommenden Risiken aufklären muss. Konkret bedeutet das: Über typische mit einem Eingriff oder einer Behandlung verbundene Risiken muss er immer aufklären. Über äußerst seltene Risiken muss er aufklären, wenn es im konkreten Fall ein spezifisches Risiko gibt, das für den Laien aber völlig überraschend ist und ihn in seiner Lebensführung schwer belasten würde.

Diese Vorgaben macht die Rechtsprechung

zur Indikation: Der Arzt muss einen Patienten umso ausführlicher über Chancen und Risiken aufklären, je weniger eine Maßnahme medizinisch geboten ist und je größer die Tragweite ist. Der Arzt oder die Ärztin muss zum Beispiel bei einem medizinisch nicht indizierten Eingriff wie einer rein kosmetischen Operation schonungslose über alle mit dem Eingriff verbundenen Risiken aufklären.

zur Verordnung von Medikamenten: Der Arzt muss den Patienten bei der Verordnung von Medikamenten über schwerwiegende Nebenwirkungen aufklären, selbst dann, wenn sie im Beipackzettel aufgelistet sind. Bei Standardmedikamenten, bei denen in der Regel kaum Nebenwirkungen zu erwarten sind, darf der Arzt auf den Beipackzettel verweisen.

zu Behandlungsalternativen: Auch über mögliche Behandlungsalternativen muss der Arzt den Patienten aufklären, wenn sie eine echte Alternative darstellen. Allerdings müssen Ärztinnen und Ärzte nur über solche Therapien aufklären, die zum medizinischen Standard gehören. Wenn der Patient nicht fragt, müssen sie also nicht über therapeutische Verfahren sprechen, die sich noch in der Erprobung befinden. Sie müssen auch nicht alle Therapien selbst anbieten. Der Patient muss nur in die Lage versetzt werden, eine informierte Entscheidung zu treffen.

zu Neuland- und Außenseitermethoden: Sprechen Arzt und Patient eine Neulandmethode an, die noch nicht zum fachärztlichen Standard gehört und kommt diese auch in Betracht, müssen Ärzte besonders sorgfältig aufklären. Der Patient muss wissen, dass unbekannte Risiken nicht auszuschließen sind. Das gilt auch für sogenannte Außenseitermethoden. Hier muss der Arzt nicht nur über Risiken aufklären, sondern auch darüber, dass der Eingriff nicht dem medizinischen Standard entspricht.

Mancher Arzt mag vielleicht verleitet sein, bei einer Behandlung, die er für absolut notwendig hält, einen besonders ängstlichen Patienten nicht so genau über die Risiken aufzuklären, aus Sorge, dass der Patient nicht einwilligen könnte. Doch der Arzt hat keine Vernunfthoheit. Es ist aus rechtlicher Sicht erforderlich, dass er auch diese Patienten korrekt und umfänglich aufklärt. Der Patient muss selbst entscheiden.

Aufklärung – mündlich oder per Vordruck?

Die Aufklärung muss immer in einem persönlichen Gespräch erfolgen, also mündlich. Der Patient muss die Möglichkeit haben, Fragen zu stellen, der Arzt muss sich einen Eindruck davon verschaffen können, ob der Patient verstanden hat, worum es geht. Dafür ist es gut, nachzufragen, ob der Patient noch Fragen hat. Es genügt nicht, dem Patienten nur einen Aufklärungsbogen zur Unterschrift vorzulegen, wenn der nicht zusätzlich persönlich besprochen wird.

Aufklärungsbögen – Ja oder Nein?

Solche Aufklärungsvordrucke sind durchaus nützlich und können ein Gespräch vorbereiten und dokumentieren. Sie müssen aber auch bearbeitet werden, das heißt, die offenen Passagen zu Anamnese, Name, Datum und so weiter, müssen ausgefüllt werden. Am besten markiert man die besonders relevanten Passagen zum Beispiel mit einem Textmarker, ergänzt, schreibt die besonders angesprochenen Risiken auf und fügt im besten Fall noch eine Skizze an. Zusätzlich sollte man die Aufklärung auch in der Patientenakte vermerken und den Aufklärungsbogen dazunehmen.

Wie Ärzte die Aufklärung richtig dokumentieren

Gerade im hausärztlichen oder internistischen Bereich gibt es aber oft gar keine Aufklärungsbögen für die Behandlung. Hier sollten Ärzte besonders auf eine sorgfältige Dokumentation in der Patientenkartei achten. Denn gerade bei Routineangelegenheiten erinnern Sie sich nach einigen Monaten wahrscheinlich nicht mehr an die Details. Ob auf Papier oder elektronisch dokumentiert wird, spielt dabei erst einmal keine Rolle.

Man sollte dabei nicht nur vermerken, dass ein Aufklärungsgespräch stattgefunden hat, sondern auch in groben Zügen, worüber gesprochen wurde. Man kann das Gespräch auch von einer anwesenden MFA mit unterschreiben lassen.

Wenn Sie elektronisch dokumentieren, muss die Dokumentation vor nachträglichen Veränderungen geschützt sein, beziehungsweise nachträgliche Änderungen müssen als solche erkennbar sein. Das können aber die meisten Praxisverwaltungssysteme.

Ärztliche Aufklärung – wann ist der richtige Zeitpunkt?

Natürlich kommt es auch auf den Zeitpunkt der Aufklärung an. Die Aufklärung über eine geplante Maßnahme muss so rechtzeitig erfolgen, dass der Patient seine Entscheidung wohlüberlegt treffen kann. Sie muss also vor der Maßnahme erfolgen, dem Patienten muss anschließend ausreichend Zeit zum Überlegen bleiben. Er darf sich keinesfalls gedrängt fühlen. Eine fixe Frist gibt es nicht. Wer allerdings etwa bei einem ambulanten Eingriff bereits auf der Liege oder dem OP-Tisch liegt und möglicherweise schon eine Prämedikation erhalten hat, bei dem kommt die Aufklärung zu spät.

Umgekehrt darf ein Patient bei einem kleineren ambulanten Eingriff nach neuerer Rechtsprechung nach der Aufklärung auch komplett auf eine Bedenkzeit verzichten und sofort in den Eingriff einwilligen.

Zu viel Zeit sollte zwischen Aufklärung und Eingriff umgekehrt auch nicht liegen. Ansonsten kann eine zweite Aufklärung kurz vor der Maßnahme erforderlich werden.

Die rechtssichere Aufklärung schützt Sie als Ärztin oder Arzt – und ist gleichzeitig Ausdruck des Respekts vor der Selbstbestimmung Ihrer Patienten. Nutzen Sie die hier genannten Eckpunkte als Checkliste für Ihren Praxisalltag – und sorgen Sie so für Vertrauen, Sicherheit und Klarheit.

Ina Reinsch

Ina Reinsch

Stellvertretende Ressortleiterin Wirtschaft, ARZT & WIRTSCHAFT

ina.reinsch@medtrix.group

 

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