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Corona-News

Deutsche Wissenschaftler haben die Ansteckungsketten der ersten Patientengruppe detailliert analysiert. Die Studie, die in der Fachzeitschrift “The Lancet Infectious Diseases” veröffentlicht wurde, bestätigt, dass Infizierte bereits vor den ersten Symptomen ansteckend sein können.

Die Forscher um Merle Böhmer vom bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, Udo Buchholz vom Robert Koch-Institut und Victor Corman von der Berliner Charité, untersuchten die bundesweit ersten Corona-Fälle bei denen ein Zusammenhang mit dem Autozulieferer Webasto bei München bestand.

Vor den ersten Symptomen bis zu sechs Ansteckungen

Die Wissenschaftler fanden heraus, dass in mindestens einem der insgesamt 16 untersuchten Fälle ein Infizierter das Coronavirus weitergegeben hat, bevor er überhaupt Symptome hatte. Es besteht die Vermutung, dass dies sogar für fünf weitere Fälle zutraf. Desweiteren gab es vier Fälle, in denen ein Infizierter andere Menschen an jenem Tag ansteckte, an dem die Symptome gerade begannen. Fünf weitere Fälle könnten in diesen Zeitraum fallen, schreiben die Autoren. Durch die Ergebnisse ist für die Forscher klar, dass „eine globale Eindämmung von COVID-19 schwer zu erreichen sein könnte.“

Kurzer Kontakt reicht aus

Zudem zeigt die Studie, dass auch ein sehr kurzer Kontakt für eine Infektion mit SARS-CoV-2 ausreichen kann.  So zumindest beschreiben die Autoren den Ansteckungsvorgang zwischen Patient 4 und Patient 5 in der Ansteckungskette.

Demzufolge habe Patient 5 nur ein einziges Mal Kontakt zu Patient 4 gehabt und das in der Kantine. Dort hätten beide Rücken an Rücken gesessen. Nur einmal habe sich Patient 5 umgedreht, um nach dem Salzstreuer des Nachbartisches zu fragen. Die Begegnung sei zudem zwei Tage vor Auftreten der ersten Symptome bei Patient 4 gewesen. Dass diese Begegnung tatsächlich die Ansteckung verursacht habe, werde auch durch die Analyse der Virussequenz bei beiden Patienten stark gestützt, heißt es in der Studie.

Erschwerte Kontrolle

Auch Jan Rybniker und Gerd Fätkenheuer von der Uniklinik Köln heben die Problematik der Eindämmung der Pandemie wegen der frühen Übertragungsmöglichkeit in einem „Lancet“-Kommentar hervor. „Das passt zu anderen Resultaten, die die Häufigkeit präsymptomatischer Übertragungen auf bis zur Hälfte aller Infektionen schätzen. Das ist eines der gravierendsten Hindernisse für eine Kontrolle der Pandemie.“

Das Problem: Im Falle einer größeren Ausbreitung reiche die traditionelle Verfolgung von Kontakten nicht mehr aus. „Daher werden neue Technologien wie Kontaktverfolgungs-Apps dringend benötigt, um die Pandemie effektiv zu kontrollieren“, betonen die Kölner Experten.