Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
E-Health

In der Pandemie hat sich gezeigt: Digitale Technologien, etwa in Form von Videokonsultationen, haben das Potenzial, die Patientenversorgung erheblich zu verbessern. Selbstlernende Technologien auf Basis künstlicher Intelligenz in traditionelle Arztpraxen zu integrieren, ist ein logischer nächster Schritt. Denn spezielle KI-Systeme für den Gesundheitsbereich können nützliche Assistenten sein – als Quelle zusätzlicher Informationen und Expertise, als Unterstützung bei der Entscheidungsfindung und auch, weil sie zeitraubende Administrationsaufgaben wie das Erfassen von Patientendaten automatisieren und das medizinische Fachpersonal dadurch entlasten.

Vorabinformationen für den Arzt

Ein Beispiel: digitale Symptom-Checker. Bisher beginnt der Dialog zwischen Patient und Arzt mit dem ersten persönlichen Termin. Der Patient beschreibt dem Arzt kurz seine Beschwerden, seine medizinische Vorgeschichte und den bisherigen Krankheitsverlauf; wichtige Details werden im kurzen Zeitfenster des Arztbesuchs eventuell übersehen. Symptom-Checker können dagegen bereits vor dem Termin alle Eckdaten zu den Beschwerden und Umständen des Patienten erfassen, in die Arztpraxis-Software einspeisen und mögliche Ursachen auflisten. So kann sich der Arzt schon vorab ein Bild machen und während des Gesprächs gezieltere und tiefgreifendere Fragen stellen.

Mit Hilfe standardisierter und agnostischer Tools, die die nötigen Daten im Vorfeld gesammelt und organisiert haben, kann der Arzt dann das persönliche Gespräch nutzen, um weitere Erkenntnisse zu gewinnen, und einen zielführenden Dialog mit dem Patienten führen.

Wie funktionieren KI-Symptom-Checker?

Symptom-Checker auf Basis künstlicher Intelligenz sind digitale Tools, die bei Vorliegen von Symptomen die Wahrscheinlichkeit berechnen können, dass eine bestimmte Erkrankung vorliegt. Die automatische Analyse geschieht über eine Schnittstelle – etwa Webseite oder App –, die dem Patienten eine Reihe von Fragen stellt, von demografischen Angaben und Risikofaktoren bis hin zu klinischen Anzeichen und wahrgenommenen Beschwerden. Hinter der scheinbar simplen Befragung verbergen sich eine robuste medizinische Wissensbasis und ausgereifte Algorithmen, die mit jeder Antwort die Wahrscheinlichkeiten neu berechnen. Auf Basis seiner Symptome erhält der Patient eine Rückmeldung über mögliche Ursachen und die sinnvollsten nächsten Schritte.

Wie bei einem echten Arztgespräch fällt die Antwort umso genauer aus, je mehr Details der Patient angibt. Hinzu kommt, dass solche Lösungen ständig dazulernen und auf Daten aus realen Anwendungsfällen zurückgreifen, um Ärzte bei der Erstellung korrekter und zeitnaher Diagnosen zu unterstützen.

Schneller zur richtigen Behandlung

In einer Studie der finnischen Aalto-Universität befürwortete die Mehrheit der befragten Ärzte die Verwendung von digitalen Symptom-Checkern. Nicht nur, weil diese in der Lage, sind, standardisierte Behandlungsanweisungen zu erteilen – sondern auch, weil sie helfen, Patienten schneller an die passende medizinische Versorgungsstelle weiterzuleiten.

Piotr Orzechowski

Der Autor: Piotr Orzechowski, CEO von Infermedica. Foto: privat

Eine KI-gesteuerte Ersteinschätzung vor dem Arzttermin erlaubt es, Patienten schneller der richtigen Versorgung zuzuführen und Notfälle zuverlässig zu priorisieren. So wird ein Rückstau von Patienten verhindert, Engpässe und Wartezeiten werden reduziert. Diejenigen, die dringende Behandlung benötigen, bekommen schneller Hilfe; Ärzte haben mehr Zeit für komplexe Fälle. Vielen Patienten kann zudem mit Telekonsultationen und telemedizinischem Monitoring bei der Genesung zu Hause geholfen werden.

Persönliche Daten mit Diagnosesystem teilen

In Zukunft ist denkbar, dass Patienten Daten aus ihrer elektronischen Gesundheitsakte und Daten aus medizinischen Wearables mit dem Diagnosesystem teilen. Diese Integration bietet dann einen vollständigen Überblick über den aktuellen Gesundheitszustand des Patienten und hilft zu beurteilen, ob neue Beschwerden eventuell mit früheren Erkrankungen oder eingenommenen Medikamenten in Verbindung stehen. Der Informationsaustausch zwischen Patient und Arzt verbessert sich durch ganzheitlichere, individuelle Daten; das stärkt das gegenseitige Vertrauen.

Daneben könnten Ärzte aktiv zu einer Feedback-Schleife und zur weitergehenden Behandlung beitragen, indem sie die künstliche Intelligenz mit ihren Diagnosen ergänzen und den Patienten bitten, die Entwicklung seiner Symptome in den folgenden Tagen mit dem gleichen Tool zu erfassen. Auf diese Weise entsteht ein Dialog, der die sorgfältige Beobachtung des Krankheitsverlaufs – und bei Bedarf die Anpassung der Behandlung – ermöglicht.

Wertvolle Einblicke dank künstlicher Intelligenz

Abgesehen von der effektiveren Diagnose und Behandlung akuter Gesundheitsprobleme könnten die gesammelten Daten Ärzten künftig auch bei der Früherkennung von Krankheiten, bei der Vorbeugung chronischer Krankheiten und der Identifizierung saisonaler Epidemien helfen. Langfristig könnten Ärzte dann mehr Zeit in die Prävention investieren und ihren Patienten helfen, länger und gesünder zu leben. Daneben ließen sich dank der zusätzlichen, strukturierten Einblicke die Versorgungspfade im Gesundheitswesen besser an die Patientenbedürfnisse anpassen.

KI in der ärztlichen Aus- und Fortbildung

Und schließlich kann künstliche Intelligenz eine wichtige Rolle in der Aus- und Fortbildung von Ärzten spielen. Noch in den achtziger Jahren verdoppelte sich der Umfang unseres medizinischen Wissens etwa alle sieben Jahre. Inzwischen sind es 73 Tage, täglich kommen neue Informationen hinzu. Damit wird es immer schwieriger, mit den neuesten evidenzbasierten Praktiken auf dem Laufenden zu bleiben. KI-Systeme sind speziell darauf ausgelegt, Unmengen von Daten zu analysieren und deren Zusammenhang zu verstehen; sie können ständig mit den neuesten Erkenntnissen aktualisiert werden.

Wenn künftige Fachkräfte den Umgang mit KI und ähnlichen Technologien bereits seit dem Studium und der Ausbildung gewohnt sind, wird es ihnen leichter fallen, diese Tools auch später nach dem neuesten Stand des Wissens einzusetzen. Universitäten und Hochschulen in den USA – wie die Stanford University und das Massachusetts Institute of Technology (MIT) – bieten bereits KI-bezogene Kurse an.

Fazit

KI ist nicht dazu da, um Ärzte zu ersetzen. Beide werden stattdessen in Zukunft eng miteinander zusammenarbeiten – für eine noch bessere Gesundheitsversorgung. Es gibt hier noch viel Raum für Innovationen, von Gesundheits-Apps, die mit Wearables integriert sind, bis hin zu smarten Fernüberwachungs-, Diagnostik- und Teletherapiesystemen. Die Vorteile solcher Lösungen sind unbestreitbar: mehr Effizienz, zuverlässigere Arbeitsabläufe, verstärkte Patientensicherheit. Ärzte, die sich der KI bedienen, werden über bessere Entscheidungshilfen und vor allem über ein patientenzentrierteres Zeitmanagement verfügen – beides kann Leben retten.