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Gynäkologie
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Die meisten Frauen mit einer diagnostizierten Endometriose berichteten rückblickend, dass ihre Beschwerden vor dem 20. Lebensjahr begonnen hätten, erklärte Prof. Dr. med. Sylvia Mechsner, Berlin, anlässlich der Schmerz- und Palliativtage. Um langfristigen Folgen vorzubeugen, sei es unverzichtbar, schon eine Dysmenorrhoe konsequent zu behandeln.

Miktionsstörungen, Verstopfung, Endobelly und Schmerzen beim Geschlechtsverkehr

Betroffene leiden infolge der entzündlichen Erkrankung unter zyklischen und azyklischen Schmerzen. Adenomyose und Hypermenorrhoe mit Anämie sind mögliche Begleiterscheinungen. Schmerzbedingte Schonhaltungen können starke Beckenbodenprobleme auslösen, bis hin zu Miktionsstörungen, Verstopfung und Durchfällen sowie Schmerzen beim Geschlechtsverkehr. Zu den sekundären Veränderungen zählt der zyklisch geblähte Bauch (Endobelly). Die chronischen Schmerzen erhöhen das Risiko betroffener Frauen für Depressionen und Angststörungen signifikant. Sie leiden unter Unruhe, sozialer Isolation, Schlafstörungen und massiven Einschränkungen im privaten, partnerschaftlichen, beruflichen und finanziellen Bereich.

Interdisziplinäre Therapieansätze zur Schmerzlinderung

Die vielfältigen Symptome der Endometriose erfordern ein interdisziplinäres internistisch-gynäkologisches Vorgehen und eine profunde psychologische Stabilisierung der Frauen. Denn der Richtungswechsel von einem jahrelangen Negieren der Probleme in eine multimodale Therapie „ist nicht so leicht“, betonte Mechsner.

Sie forderte eine Anleitung zur Schmerzbehandlung nach dem WHO-Stufenschema bei primärer und sekundärer Dysmenorrhoe, und zwar unabhängig vom Vorliegen einer Endometriose. Die Patientinnen müssten lernen, dass die Endometriose eine chronische Schmerzerkrankung ist, die kein Abwarten duldet. Stelle eine Schmerztherapie nicht zufrieden, solle eine hormonelle Therapie eingeleitet werden.

Hormontherapie: Östrogenlevel im therapeutischen Fenster

Ziel der unterschiedlichen Hormontherapien ist eine Senkung des Östrogenspiegels auf 30 bis 50 Pikogramm pro Milliliter. Dies soll eine Proliferation der Endometriose-Läsionen verhindern, ohne einen Menopausen-Hormonstatus und damit bei jungen Frauen unter anderem Knochendichteverlust, Konzentrationsstörungen und Hitzewallungen auszulösen.

Im Prinzip wird über eine suffiziente langfristige Therapie mit einem Gestagen-Monopräparat (first line) oder einem GnRh-Antagonisten (second line) der Eisprung im Ovar unterdrückt, sodass die endogene Östrogenbiosynthese unterbleibt und die Herde unter niedrigen Östrogenspiegeln inaktiv werden. Dies kann im Verlauf von zwei Jahren eine Schmerzreduktion um über 90 Prozent bringen. Treten unter Gestagenen Depressionen auf, kann laut Mechsner auf einen GnRH-Antagonisten umgestellt werden.

Selbst(wirksam) ist die Frau: adjuvante Therapien zur Entspannung des Beckenbodens

Chronische Schmerzen können eine Dysbalance und einen vaginal tastbaren Hypertonus der Beckenbodenmuskulatur auslösen. Die faszialen Triggerpunkte sind dann hochempfindlich. Die Beckenbodenprobleme lassen sich Mechsners Ausführungen zufolge jedoch beeinflussen. Wirksam seien:

  • Entspannungsübungen

  • Yoga

  • Beckendehnungsübungen

  • Elektrostimulation/Biofeedback (in der Inkontinenztherapie etabliert)

  • Physiotherapie

  • Osteopathie

  • Akupunktur

Maßnahmen, auch für die Psyche, sollen in die Leitlinie

Patientinnen mit chronifizierten Schmerzen erkranken Mechsner zufolge unter anderem häufiger an Depressionen und Angststörungen als jene ohne Chronifizierung. Deswegen benötigten Betroffene eine Therapie nach dem Biopsychosozialen Modell von Gesundheit und Krankheit. Ein systematisches Review zur psychologischen Intervention bei Endometriose belegt den Erfolg von verhaltenstherapeutischen und Selbstachtsamkeitsmaßnahmen, Yoga, Psychoedukation und progressiver Muskelrelaxation. Sie könnten jetzt auch in die Leitlinien aufgenommen werden.

Ernährungsinterventionen mit antientzündlicher Diät

Viele Endometriose-Patientinnen litten an Nahrungsmittelunverträglichkeiten gegen Laktose, Fruktose und sehr häufig, Zöliakie-unabhängig, gegen Gluten. Vermutlich aufgrund der Entzündungen im Bauchraum bessere der (teilweise) Verzicht auf Gluten, Zucker und Soja Schmerzen und andere Symptome, einschließlich des Endobelly, deutlich. Als hilfreich empfahl Mechsner die Prinzipien der antientzündlichen Ernährung.

Quelle:

Vortrag anlässlich der Deutsche Schmerz- und Palliativtage am 15. März 2025 in Frankfurt, „Wenn der Unterleib schmerzt: Endometriose als schmerzmedizinische Herausforderung: konservative Versorgung“

Aktualisierte Endometriose-Leitlinie

Neuerungen in Stichpunkten

Seit Juni 2025 steht eine aktualisierte Version der S2k-Leitlinie „Diagnostik und Therapie der Endometriose“ zur Verfügung, in der verschiedene wichtige Änderungen vorgenommen wurden:

  • Die Diagnostik soll möglichst schonend sein und sich an Symptomen und Praxisalltag orientieren. In vielen Fällen soll deshalb die transvaginale Sonografie anstelle der Laparoskopie das bildgebende Verfahren der ersten Wahl sein. Ist die Symptomatik unklar oder eine Operationsplanung nötig, kann eine Magnetresonanztomografie (MRT) durchgeführt werden. Nur in besonderen Fällen – bei nicht eindeutiger Bildgebung oder ohnehin geplanter Operation – kommt eine Laparoskopie infrage.

  • Das neue differenzierte Therapiekonzept berücksichtigt Alter, dominierende Symptomatik, Kinderwunsch und Lebenssituation.

  • In der hormonellen Therapie sind Gestagene weiterhin die erste Wahl, orale Kontrazeptiva möglich, wenn sie gut vertragen werden. GnRH-Analoga sollen nur noch bei frustraner Erstlinientherapie und kombiniert mit einer Add-Back-Therapie gegeben werden.

  • Die Schmerztherapie gewinnt klar an Bedeutung. Peripherer wird von zentralem Schmerz unterschieden und die chronische Schmerzverarbeitung therapeutisch in den Fokus genommen. Empfohlen wird ein multimodales Konzept aus medikamentöser, Physio- und Psychotherapie sowie edukativen Maßnahmen.

  • Auch komplementärmedizinische Maßnahmen werden erstmal evidenzbasiert empfohlen.

Quelle:

AWMF-Leitlinie Nr. 015 – 045