Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Kardiologie

Plastik ist allgegenwärtig – und mit ihm Weichmacher wie DEHP (Di(2-ethylhexyl)phthalat). Sie machen Kunststoffe elastisch und stecken bislang auch in Medizinprodukten wie Infusionsbeuteln und Schläuchen. Dabei ist DEHP fettlöslich und wird freigesetzt, wenn es mit Blut oder fetthaltigen Flüssigkeiten wie parenteralen Nährlösungen in Kontakt kommt.

Besonders gefährdet sind Dialysepatienten und neugeborene Kinder auf Intensivstationen, wie das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) warnt. Was bereits bekannt war: DEHP wirkt entzündungsfördernd und hormonell störend. Es beeinflusst unter anderem den Testosteron‑ und Lipidstoffwechsel. Diese Mechanismen fördern Atherosklerose, Bluthochdruck und Herzinfarktrisiko.

Jeder siebte Fall im mittleren Alter

Wie gravierend die Folgen von DEHP sein können, zeigt nun eine Studie eines Forscherteams um Dr. Leonardo Trasande, veröffentlicht in „The Lancet eBioMedicine“. Demnach war die weltweite DEHP-Exposition im Jahr 2018 mit rund 356.000 zusätzlichen Herz-Kreislauf-Todesfällen verbunden – fast 13,5 Prozent aller Todesfälle in der Altersgruppe 55 bis 64. Stark betroffen waren Asien, der Nahe Osten und Indien, auf die 73 Prozent der Fälle entfielen. In Europa lag der Anteil bei rund acht Prozent, in den USA bei rund zehn. Die Forschenden sehen eine Ursache in der wachsenden Plastikproduktion sowie in unzureichender Abfallwirtschaft.

Zehn Millionen DEHP-bedingte Todesfälle

Auch wenn es sich um eine epidemiologische Modellierungsstudie mit Annahmen und Unsicherheiten handelt – die Studie im „Lancet eBioMedicine“ beziffert den Verlust gesunder Lebensjahre (Years of Life Lost – YLL) durch DEHP-bedingte Todesfälle auf fast 10,5 Millionen. In der Europäischen Union (EU) ist der Einsatz von DEHP schon länger eingeschränkt: Seit 2005 ist der Stoff in Kinderspielzeug und Babyartikeln verboten, seit 2007 auch in Lebensmittelverpackungen mit fetthaltigem Inhalt.

Für Medizinprodukte galt bislang eine Übergangsregelung, die Ende Mai 2025 auslaufen sollte. Doch mit der Verordnung (EU) 2023/2482 hat die EU die Fristen verlängert: Hersteller können bis zum 1. Januar 2029 Anträge auf Weiterverwendung stellen. Ab dem 1. Juli 2030 ist die Nutzung von DEHP in Medizinprodukten nur noch mit Einzelzulassung erlaubt. Bis dahin bleibt der Einsatz unter bestimmten Bedingungen möglich – etwa wenn keine gleichwertigen Alternativen verfügbar sind.

Vermeidbares Risiko, hohe Kosten durch DEHP

Selbst wenn die Substitution von DEHP teils herausfordernd oder etwas teurer werden könnte, handelt es sich bei der Verwendung dieser endokrinschädlichen Chemikalie um einen oft vermeidbaren Risikofaktor. Dessen Reduktion kommt einzelnen Patientinnen und Patienten zugute und könnte auch unser Gesundheitssystem entlasten, das jedes Jahr durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen stark belastet wird: laut Statistischem Bundesamt allein im Jahr 2020 mit rund 56,7 Milliarden Euro.

Bereits jetzt sind zahlreiche DEHP-freie Produkte verfügbar

So werden in der Kardiologie auch das weniger flüchtige Trimellitat TOTM oder allgemein der phthalatfreie Weichmacher Hexamoll DINCH eingesetzt. Zudem setzen Hersteller vermehrt auf Kunststoffe wie Polyolefine, Silikon, EVA oder Polyurethan, die keine Weichmacher benötigen, sowie — wo möglich — auf Glas oder Metall. Oberflächenversiegelungen können die Freisetzung reduzieren.    

Hersteller sollten DEHP-haltige Produkte kennzeichnen und gleichwertige Alternativen entwickeln. Fachgesellschaften sollten über Risiken und Substitution informieren, fordert das BfArM.

Stichwörter