Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Praxisführung

Mikroplastik ist längst nicht mehr nur ein Umweltproblem – es lagert sich im menschlichen Körper ab, mit bislang kaum erforschten gesundheitlichen Folgen. In der Dermatologie wird es in den meisten topischen Formulierungen eingesetzt. Forschende um Eugene Tan vom St. Vincent’s Clinical Campus haben deshalb erste Empfehlungen veröffentlicht, um die Belastung zu reduzieren. Doch wie sieht es in anderen Fachbereichen aus?

Unsichtbare Quellen im Alltag

In der haus- oder fachärztlichen Versorgung wird Mikroplastik nicht bewusst zugesetzt. Dennoch entstehen Mikro- und Nanoplastikpartikel durch Abrieb, Verpackungseinflüsse und Lagerung – etwa bei Medikamenten, wie Nora Stroetzel erklärt, Gründerin der Unternehmensberatung „Praxis ohne Plastik“. „Bei zu warmer Lagerung können Partikel aus Blisterverpackungen in Tabletten übergehen. Die Empfehlung zur kühlen, lichtgeschützten Aufbewahrung erhält so eine neue Dimension“, so Stroetzel. Auch Katheter, Nasogastralschläuche oder Sauerstoffbrillen bestehen fast vollständig aus Kunststoff – häufig mit Weichmachern, die sich herauslösen können. Viele dieser Stoffe stehen im Verdacht, endokrin wirksam oder sogar krebserregend zu sein.

Kleine Änderungen mit Wirkung

„Angesichts der Vorbildfunktion von Ärztinnen und Ärzten lohnt es sich, die eigene Praxisgestaltung zu hinterfragen – nicht nur aus ökologischer Verantwortung, sondern auch im Sinne des Gesundheitsschutzes“, betont Stroetzel, die Wirtschaftsingenieurwesen studiert hat. Sofort ersetzbar sind beispielsweise Hygienepapiere ohne Kunststoffbeschichtung aus recycelten Fasern oder Urinbecher aus unbeschichtetem Karton – sofern der Inhalt direkt untersucht wird. Auch durch Großgebinde für Desinfektionsmittel oder Ultraschallgel lassen sich Verpackungsabfälle deutlich reduzieren. „Und in jedem Behandlungszimmer sollte Mülltrennung möglich sein, um durch Recycling die Neuproduktion von Plastik zu vermeiden“, so Stroetzel.

Belastung wird zunehmen

Was heute vermieden wird, belastet morgen nicht zusätzlich Blut, Lunge, Muttermilch oder sogar das Gehirn. „Die Belastung wird ohnehin weiter zunehmen – denn riesige Mengen an Plastik befinden sich bereits in der Umwelt und zerfallen dort über Jahrhunderte. Übrig bleibt Mikro- und Nanoplastik, das Teil unseres Ökosystems – und oftmals auch Teil unseres Körpers – sein wird“, warnt Nora Stroetzel. Büromaterialien lassen sich leicht fast vollständig plastikfrei und günstig beschaffen. Anders sieht es bei Medizinprodukten aus. „Zwar lässt die Medizinprodukteverordnung grundsätzlich Spielraum für nachhaltige Alternativen, doch der aufwendige Prozess – selbst bei kleinen Änderungen und sogar nur an der Verpackung – schreckt viele Hersteller ab“, erklärt Stroetzel. „Eine erhöhte Nachfrage aus den Praxen könnte jedoch Anreize für Hersteller schaffen, diesen kostspieligen Prozess dennoch anzustoßen.“

Aufnahmewege von Mikro- und Nanoplastik

Mikro- und Nanoplastik kann auf mehreren Wegen in den Körper aufgenommen werden: oral über belastete Lebensmittel und Trinkwasser, inhalativ über die Atemluft — vor allem in Innenräumen — sowie dermal bei geschädigter Hautbarriere. Nanopartikel können auch unversehrte Haut durchdringen. Zudem können Kunststoffe und ihre Zusätze über medizinische Anwendungen direkt in den Organismus gelangen. Mögliche Folgen, die erforscht werden, sind Entzündungsprozesse und das verstärkte Entstehen von Plaques.

Stichwörter