Luftverschmutzung erhöht Insulinresistenz-Risiko bei Kindern
Constanze PolenzInzwischen wird immer deutlicher, dass Luftverschmutzung zu einer Vielzahl von Erkrankungen führen kann. Vor allem Kinder sind davon betroffen. Eine amerikanische Studie hat jetzt Zusammenhänge zwischen kindlicher Stickoxid-Belastung und erhöhter Insulinresistenz junger Erwachsener untersucht.
Verkehrsbedingte Luftverunreinigungen stellen ein Gesundheitsrisiko für alle Menschen dar. Kinder sind jedoch besonders gefährdet, denn sie atmen mehr Luft pro Kilogramm Körpergewicht ein als Erwachsene. Dadurch gelangen mehr Schadstoffe in ihren Körper – und das in einer sensiblen Zeit, in der ihr Körper, ihre Lunge und die anderen Organe und ihr Gehirn mitten in der Entwicklung sind.
Gesundheitliche Folgen von Luftverschmutzung bei Kindern
Luftverschmutzung kann sich schon vor der Geburt auf Kinder auswirken und zu Frühgeburten oder einem geringeren Geburtsgewicht führen. Laut einer Forsa-Umfrage im Rahmen des DAK-Kinder- und Jugendreports von 2024 haben fast ein Viertel aller Kinder in Deutschland gesundheitliche Beeinträchtigungen aufgrund der Luftverschmutzung – vor allem in Großstädten. Sie leiden unter Kopfschmerzen, Husten, Kreislaufproblemen, Allergien, Schlafstörungen und Beeinträchtigungen der Konzentration. Daneben scheint verkehrsbedingte Luftverschmutzung auch das Risiko der Entwicklung eines Typ-2-Diabetes zu erhöhen. Auf welchen Mechanismen das beruht, ist allerdings noch nicht klar.
Langzeitstudien belegen Risiken durch verkehrsbedingte Schadstoffe
Die Children’s Health Study (CHS) der Keck School of Medicine der University of Southern California (USC) in Los Angeles ist eine der größten Langzeitstudien, die die Auswirkungen chronischer Luftverunreinigung auf die kindliche Atemwegsgesundheit untersucht. Die Studie startete 1992 und läuft bis heute. In der Substudie Meta-Air2 begleiteten Forscher 282 Teilnehmer von der Schwangerschaft bis zu ihrem 24. Lebensjahr und untersuchten den Einfluss verkehrsbedingter Luftschadstoffe auf die Entwicklung des Body-Mass-Index (BMI) und eine Insulinresistenz im Erwachsenenalter.
Zusammenhang zwischen Luftverschmutzung und Insulinresistenz
Bei einer Insulinresistenz reagieren die Körperzellen vermindert oder gar nicht auf das Hormon Insulin. Das kann bei anhaltender Dauer zur Entwicklung eines Typ-2-Diabetes führen. Früher nannte man diese Diabetesform auch Altersdiabetes, inzwischen erkranken aber weltweit immer mehr Jugendliche und junge Erwachsene daran. Dabei gelten Adipositas und Insulinresistenz als Hauptursachen, neben Bewegungsmangel und erblichen Faktoren.
Bereits in früheren CHS-Studien zeigte sich bei Kindern im Verlauf ein schnellerer BMI-Anstieg, wenn sie verstärkten Luftverunreinigungen ausgesetzt waren. Die Wissenschaftler dokumentierten bis zum Alter von 13 Jahren die jeweiligen monatlichen Belastungen der Kinder mit Stickstoffoxiden. Als die Teilnehmer im Mittel 13, 15 und 24 Jahre alt waren, wurden ihre Größe und Gewicht gemessen und ihr BMI berechnet. Im Alter von durchschnittlich 24 Jahren nahmen die Forscher den nunmehr jungen Erwachsenen nach 8- bis 10-stündiger Nahrungskarenz Blut ab. Sie bestimmten Nüchternblutzucker und Nüchterninsulin und errechneten daraus den HOMA-Index, der Aufschluss auf eine Insulinresistenz gibt. Außerdem bestimmten sie den Glykohämoglobinspiegel HbA1c.
Studienergebnisse: Stickoxid-Belastung erhöht BMI und HOMA-Index
Folgende Ergebnisse zeigten sich in der Meta-Air2-Substudie:
Jeder Anstieg der Gesamt-Stickoxid-Belastung im Kindesalter um eine Standardabweichung (= 18,7 Teile pro Milliarde) führte zu einer Zunahme
des BMI von 0,71 im Alter von 13 Jahren
des HOMA-Index um 0,55 im jungen Erwachsenenalter
der HbA1c-Spiegel um 0,08 bei den erwachsenen Teilnehmern
Außerdem zeigte sich ein Zusammenhang zwischen dem erhöhten BMI mit 13 und einem folgenden beschleunigten BMI-Wachstum bis zum Alter von 24. Diese beiden Faktoren waren wiederum mit einem höheren HOMA-Index bei der Abschlussuntersuchung verbunden.
Mögliche Mechanismen: Entzündungen und Stoffwechselstörungen
Die Wissenschaftler vermuten, dass die Luftverunreinigungen systemische Entzündungen und Stoffwechselstörungen auslösen, die zu einer abnormalen Ansammlung von Fettgewebe und Gewichtszunahme führen. Zytokine und Adipokine aus viszeralem Fett können in Folge eine Insulinresistenz auslösen.
Prävention: Gewichtskontrolle als Schutzmaßnahme
Um das Risiko einer Insulinresistenz bei jungen Erwachsenen zu reduzieren, empfehlen die Studienautoren „eine frühzeitige Umsetzung präventiver Maßnahmen zur Gewichtskontrolle“, insbesondere für Kinder, die in Gegenden mit hoher Luftverschmutzung aufwachsen.