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Finanzen

In den vergangenen Wochen ist klar geworden, dass börsennotierte Immobilienunternehmen kein Hort der Sicherheit sind. Die Aktien der Wohnungsunternehmen Vonovia und LEG Immobilien brachen seit Jahresbeginn um mehr als 30 Prozent, die Deutsche Wohnen sogar um 40 Prozent ein. Die Augsburger Patrizia Immobilien hat sich seit Anfang Januar von rund 20 Euro auf etwa 10 Euro halbiert.

Immobilienaktien büßten bis zu einem Drittel ihres Werts ein

Nicht viel besser lief es für Unternehmen, die in gewerbliche Immobilien investieren. Die Papiere von Adler Real Estate und Aroundtown, Hauptsponsor des Fußball-Bundesligisten Union Berlin, verloren ebenfalls gut 30 Prozent. Damit liegen die Aktien im Trend aller Immobilienwerte. Sowohl der Dax-Unterindex Immobilien (DAXsubsector All Real Estate, ISIN DE000A0SM9F9), der 36 Immobilienwerte umfasst, als auch der europaweite Branchenindex EuroStoxx 600 Real Estate büßten in diesem Jahr ein Drittel ihres Werts ein.

„Derzeit kommt für Anleger viel zusammen“, sagt Samir Zakaria, Niederlassungsleiter der Vermögensverwaltung Hansen & Heinrich in Frankfurt. Die Materialknappheit, Veränderungen im Nutzungsverhalten bei Büros, die Krise im Einzelhandel und die steigenden Zinsen machen den Unternehmen zu schaffen.

Immer weniger Menschen können sich Eigentum leisten

„Die Zinsen für die Finanzierung sind massiv gestiegen. Das verteuert den Einkauf von Immobilien und die Refinanzierung von auslaufenden Krediten“, erklärt Michael Thaler, Vorstand der Vermögensberatung Top Vermögen AG aus München. Während Vonovia oder Deutsche Wohnen ihre Gewinne vor allem aus bestehenden Immobilien generieren, sind Wohnungsentwickler wie Instone Real Estate darauf angewiesen, dass Investoren und Privatleute die neu gebauten Wohnungen kaufen. „Bei steigenden Zinsen können sich immer weniger Menschen eine Eigentumswohnung leisten“, gibt Thaler zu bedenken. Nicht zuletzt deswegen kassierte Instone kürzlich seine Prognose für 2022. Und auch für die sogenannten Bestandshalter werde es schwieriger, Mieterhöhungen durchzusetzen, wenn die Menschen durch die Inflation weniger Geld zur Verfügung hätten.

Baukosten steigen immer weiter

Zudem haben sich die Baukosten massiv verteuert. Russland und die Ukraine fallen als Lieferanten für wichtige Rohstoffe für Bitumen, Baustahl und Ziegel aus. „Das hat stark steigende Kosten für die Unternehmen zur Folge. Neubauvorhaben und Modernisierungen sind für die Unternehmen fast unkalkulierbar oder unrentabel geworden“, sagt Zakaria.

Das gilt gleichermaßen für Unternehmen, die in Hotels, Büros und Shoppingcenter investieren. „Die Gewerbemärkte erleben durch die pandemische Entwicklung eine Veränderung“, beobachtet Zakaria. Der Trend zum Homeoffice lässt die Nachfrage nach Büros sinken. Der Einzelhandel ist wegen der Pandemie und des immer stärker genutzten Onlineshoppings ohnehin unter Druck. Viele Firmen fordern nachhaltige Gebäude. „Das stellt viele Gewerbestandorte infrage“, weiß Zakaria.

Immobilieninvestments in Metropolen bleiben attraktiv

Ganz außen vorlassen sollten Anleger Immobilienaktien dennoch nicht, meint Zakaria. „International ist zu beobachten, dass die Pandemie das Interesse an Wohneigentum massiv verstärkt hat. Dies führte zu enormen Preissteigerungen, insbesondere in Metropolen“. Dagegen würden bislang nicht beachtete Städte weiterhin Wachstum beim Neubau und bei den Mieten verzeichnen.

Er sieht Chancen für Anleger, etwa bei den börsennotierten Real Estate Investment Trusts (Reits). „Insbesondere bei einem breiten Aktienmarktrückgang können Reits schnell zu Schnäppchen werden. Die Kurse erholen sich in der Regel schnell wieder und nähern sich den Marktwerten der Immobilien an, sobald die Panik an den Börsen verflogen ist“, weiß Zakaria.

Interessante Übernahmekandidaten im Auge behalten

Andere Unternehmen werden derzeit zu Übernahmekandidaten, weil die Börsenwerte deutlich unter den Immobilienwerten liegen. So wollen die Hamburger Otto-Familie und der Finanzinvestor Oaktree die Mehrheit an der Deutschen Euroshop übernehmen. Die Aktie des Unternehmens, das sich auf die arg gebeutelten Shoppingcenter spezialisiert hat, konnte im ersten Halbjahr mehr als 40 Prozent zulegen. Die börsennotierte DIC Asset übernahm zuletzt die Gewerbeimmobilienfirma VIB Vermögen, die den Fokus bei Industrie- und Logistikimmobilien hat. Letztere gehörten zu den Gewinnern der Krise. Bei den Wohnungsimmobilien sticht Gateway Real Estate heraus. Der Kurs ist seit einem Jahr förmlich explodiert. Das Unternehmen entwickelt bezahlbare Mietwohnungen in Holzbauweise für institutionelle Investoren. Solche Wohnungen sind in der momentanen Situation besonders gefragt.

Ausgewählte Immobilienaktien und REITs

Name Hauptsächliches Segment ISIN Marktkapitalisierung
in Mio. Euro
Entwicklung
1 Jahr (zum 15.6.2022)
Vonovia Wohnen DE000A1ML7J1 24,56 Mrd. -33,5 %
Deutsche Wohnen Wohnen DE000A0HN5C6 8,94 Mrd -56,8 %
CPI Property Group Gewerbe Ost- und Mitteleuropa LU0251710041 7,38 Mrd +2,8 %
LEG Immobilien Wohnen DE000LEG1110 6,00 Mrd. -32,2 %
Aroundtown Gewerbe LU1673108939 4,06 Mrd. -49,6 %
Grand City Properties Wohnen LU0775917882 2,32 Mrd. -41,3 %
Alstria Office REIT Gewerbe DE000A0LD2U1 2,35 Mrd -17,5 %
TAG Immobilien Wohnen DE0008303504 1,83 Mrd. -55,7 %
Deutsche EuroShop Handel DE0007480204 1,36 Mrd. +5,7 %
Patrizia Immobilien Wohnen und Gewerbe DE000PAT1AG3 944,78 Mio. -51 %
Gateway Real Estate Wohnen DE000A0JJTG7 980,51 Mio. +75,3 %
DIC Asset Gewerbe DE000A1X3XX4 961,24 Mio. -22,7 %
Hamborner REIT Handel DE000A3H2333 675,15 Mio. -8,1 %
Instone Real Estate Wohnen DE000A2NBX80 485,08 Mio. -57 %

Autor: Alexander Heintze