Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
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Bis spätestens zum 20. Juli 2023 müssen erstmals alle praktizierenden Vertragsärztinnen und -ärzte bei den Zulassungsausschüssen ihrer jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung (KV) eine ausreichende Berufshaftpflichtversicherung nachweisen. Online, per Post oder via Fax. Dies regelt das Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung, das im vergangenen Sommer in Kraft getreten ist. Die schriftlichen Aufforderungen dazu treffen derzeit bundesweit in vielen Praxen ein. Wer dem nicht nachkommt oder keinen aktuellen Versicherungsschutz besitzt, dem droht quasi ein Berufsverbot.

Die betroffenen Ärztinnen und Ärzte haben nach der Aufforderung des Zulassungsausschusses drei Monate Zeit, die Bescheinigung für ihre Berufshaftpflichtversicherung einzureichen. Tun sie dies nicht fristgemäß, ist der Ausschuss per Gesetz verpflichtet, das sofortige Ruhen der Zulassung oder sogar deren Entzug anzuordnen. Widerspruch oder Klage haben keine aufschiebende Wirkung, heißt es. Das bedeutet, die vertragsärztliche Tätigkeit darf dann nicht mehr ausgeübt werden. Allerdings gibt es eine zweijährige Gnadenfrist, innerhalb der man Belege nachreichen kann, um das Schlimmste noch abzuwenden.

Bescheinigung gemäß § 113 Abs. 2 zügig besorgen

Niedergelassene sollten sich deshalb frühzeitig eine Bescheinigung gemäß § 113 Abs. 2 des Versicherungsvertragsgesetzes besorgen, wonach für sie „eine der zu bezeichnenden Rechtsvorschrift entsprechende Pflichtversicherung besteht“. Es genügt nicht, die Versicherungspolicen oder -verträge einzureichen. Die KVen bieten auch Vorlagen an, auf die sich die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die Versicherer geeinigt haben. Im Vorfeld sollten Praxisinhaberinnen und -inhaber prüfen, ob die Versicherungskonditionen den aktuellen gesetzlichen Anforderungen genügen (siehe Kasten).

Berufshaftpflichtversicherung: Diese Anforderungen gelten gemäß § 95e SGB V
Gruppe Mindestversicherungs-
summe für
jeden
Versicherungsfall
Zulässige Leistungsbegrenzung
des Versicherers
Vertragsarzt
in Einzelpraxis
3 Millionen Euro nicht weiter als das Zweifache
der Mindestversicherungs-
summe innerhalb eines Jahres
Vertragsarzt
mit angestelltem
Arzt
5 Millionen Euro nicht weiter als das Dreifache
der Mindestversicherungs-
summe innerhalb eines Jahres
Berufsausübungs-
gemeinschaft

ohne angestellten
Arzt
Alternative 1:
3 Millionen Euro
pro Partner der BAG

Alternative 2:
5 Millionen Euro

Alternative 1:
nicht weiter als das Dreifache
der Mindestversicherungs-
summe innerhalb eines Jahres
Alternative 2:
nicht weiter als das Dreifache
der Mindestversicherungs-
summe innerhalb eines Jahres
Berufsausübungs-
gemeinschaft

mit angestellten
Ärzten
5 Millionen Euro nicht weiter als das Dreifache
der Mindestversicherungs-
summe innerhalb eines Jahres
Medizinische
Versorgungszentren
5 Millionen Euro nicht weiter als das Dreifache
der Mindestversicherungs-
summe innerhalb eines Jahres
Ermächtigte Ärzte 3 Millionen Euro nicht weiter als das Zweifache
der Mindestversicherungs-
summe innerhalb eines Jahres

Rebekka Frühbuß sorgt sich bereits, dass immer noch einige Ärztinnen und Ärzte ihre berufliche Haftpflicht unzureichend abgesichert haben. „In Altverträgen sind die neuen Mindestversicherungssummen mitunter nicht abgedeckt“, erklärt die Beraterin für das Heilberufswesen. Die Versicherungsfachfrau rät den Betroffenen, schnell passende Angebote einzuholen und eher auf die Leistungen zu schauen, statt nur auf die Prämien. „Ein guter Schutz kostet Geld“, meint Frühbuß. Je nach Fachrichtung und Deckungssumme können das drei- bis fünfstellige Beträge pro Jahr sein. So zahlt ein Chirurg risikobedingt in der Regel mehr als ein Allgemeinmediziner.

Darauf sollten Sie bei der Berufshaftpflicht achten

„Im Idealfall ist die Berufshaftpflicht individuell zugeschnitten und beinhaltet neben den üblichen Personen-, Sach- und Vermögensschäden alle Tätigkeiten, die der Behandler ausführt.“ Dies seien etwa Notdienste, Gutachtertätigkeiten und außerdienstliche Tätigkeiten wie Freundschaftsdienste oder Erste-Hilfe-Leistungen. Zu beachten ist aus Sicht der Expertin zudem, dass grobe Fahrlässigkeit sowie eine Nachhaftung bei einer Praxisabgabe für mehrere Jahre abgedeckt sind. Sie empfiehlt ihren Mandanten eine Versicherungssumme ab fünf Millionen Euro pro Fall, die dreimal im Jahr beanspruchbar ist.

Durch eine Online-Recherche erfahre man meist nur einen Teil der relevanten Kriterien, sagt Frühbuß. Es sei deshalb besonders wichtig, einen Blick in die Bedingungswerke zu werfen oder mit den Versicherungsgesellschaften direkt in den Dialog zu treten.

„Es gibt nur eine Handvoll Anbieter in diesem Segment“, sagt die Versicherungsfachfrau. Die Deutsche Ärzteversicherung arbeite zwar mit den Ärztekammern zusammen, aber nicht mit Maklern. Darüber hinaus zu nennen seien die HDI, Alte Leipziger, Dialog und die Versicherungskammer Bayern, berichtet sie.

Vertrag regelmäßig aktualisieren

Die Prüfung bestehender Policen ist für jeden eine Gelegenheit, zu checken, ob der Versicherungsschutz auf der Höhe der Zeit ist. Kommt es zu Fehlern bei der Behandlung von Patienten, der Aufklärung und der Dokumentation, übernimmt eine Berufshaftpflicht in der Regel zunächst die Rechtsanwalts- und Gerichtskosten sowie später die Folgekosten eines Urteils – also Schmerzensgeld und Aufwendungen für zusätzliche Behandlungen. Der Schutz erstreckt sich auch auf angestellte Ärzte, die MFA und Auszubildende und teilweise auch auf Praxisvertreter, wenn Nieder­gelassene dies extra wünschen.

„Darum ist ein regelmäßiger Abgleich des ärztlichen Tätigkeitsumfangs und der Praxisstruktur mit der Versicherung grundsätzlich wichtig, um Deckungsprobleme in einem Schadenfall zu vermeiden“, betont Frühbuß. Der Vertrag müsse nachjustiert werden, sobald sich die Risikoverhältnisse ändern.

Zum Beispiel, wenn im Laufe der Zeit ein Behandler hinzukommt. Angesichts jährlich Zehntausender Vorwürfe wegen medizinischer Behandlungsfehler und möglicher Schadenersatzforderungen in Millionenhöhe sollten Niedergelassene sich vollumfänglich vor den finanziellen Haftpflichtfolgen schützen, rät sie.

Arztzulassungen und Praxisänderungen
Die Nachweispflicht gilt in diesen Fällen bereits
Bislang ist der Nachweis der Berufshaftpflicht lediglich bei Anträgen auf Zulassung oder Ermächtigung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung zu führen gewesen, die in den zwei Jahren nach dem Inkrafttreten des Gesetzes gestellt werden. In Kraft getreten ist es am 20. Juli 2021. Dasselbe gilt bei Änderungen, die der Zulassungsausschuss bewilligen muss: Wenn Vertragsärztinnen und -ärzte schon an der Versorgung teilnehmen, müssen sie ebenfalls eine ausreichende Berufshaftpflichtversicherung vorlegen, wenn sich die Praxiskonstellation ändert — zum Beispiel bei einer Arztanstellung oder der Gründung einer Berufsausübungsgemeinschaft.