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Finanzen

Sämtliche Krisen haben ein ähnliches Muster

Was tun, fragen sich verunsicherte Anleger: Soll ich jetzt nicht besser noch verkaufen oder stattdessen verstärkt zukaufen, weil die Krise vielleicht bald vorbei sein und die Wirtschaft sich erholen wird? Und was bedeutet die Corona-Krise, wenn ich gerade erst mit dem Vermögensaufbau beginnen will? „Jedes Ereignis, das die Börsen bislang in den Keller schickte, ist anders als alle bisherigen und anders als alle, die in Zukunft noch kommen“, sagt Andre Koppers von der Vermögensverwaltung Oberbanscheidt & Cie. in Kleve. Und dennoch zeigten sich immer wieder sehr ähnliche Muster, in denen die Börsen diese unterschiedlichen Ereignisse verarbeiten. Koppers´ Einschätzung: „Ich glaube nicht, dass die Corona-Krise den langfristigen Aufwärtstrend am Aktienmarkt beenden wird.“

Langfristiger Aufwärtstrend bleibt weiter intakt

In der Tat zeigt der weltweit tonangebende US-Aktienmarkt (S&P 500), der sich bis 1927 zurückverfolgen lässt: Die Corona-Krise hat den sehr langfristigen Aufwärtstrend nicht beendet. Vielmehr bleibt dieser bedeutende Aufwärtstrend weiterhin intakt. Und das will etwas heißen: „Der S&P 500 hat in sämtlichen Krisen – sei es Große Depression, Zweiter Weltkrieg, Öl-Krise, hohe Inflation, Dot-Com-Crash oder Finanzkrise – spätestens in der Nähe dieses Aufwärtstrends sein Tief gebildet und danach zu neuen Höhenflügen angesetzt“, erklärt Petra Ahrens von der MAIESTAS Vermögensmanagement AG in Köln.

Noch weiter abwärts oder doch bald hoch?

Heißt das, dass dieser langfristige Aufwärtstrend auch in der aktuellen Krise halten muss? „Das nicht, aber es ist wahrscheinlich“, sagt Vermögensprofi Ahrens. Noch etwas lässt sich aus dem Kursverlauf ableiten: Zum einen könnte der S&P 500 bis auf 1.700 Punkte fallen, ohne den langfristigen Trend zu gefährden. Zum anderen sacken die Kurse nicht in jeder Krise zwangsläufig bis zum Aufwärtstrend ab. Und manchmal dreht die Börse – wie in den 1960er-Jahren, 1987 oder 2003 – früher nach oben und erreicht neue Höchstkurse.

Säkulare Bullenmärkte dauern rund 25 Jahre

Auch dieses Mal könnte der Markt sich früher erholen, als viele erwarten. Denn: Langfristige Bullenmärkte, die sich durch immer höhere Tief- und Hochpunkte auszeichnen, dauern in der Regel etwa 25 Jahre, wie der Chart zeigt. So reichte der Bullenmarkt nach der Großen Depression in den USA von 1943 bis 1968. Daran schloss sich bis 1975, ausgelöst durch eine teils sehr hohe Inflation, ein Bärenmarkt mit Verlusten von 50 Prozent an. Von dort aus ging es erst mühsam, dann schneller nach oben, bis 2000 die Dot-Com-Blase platzte. Darauf folgte ein Bärenmarkt, der neun Jahre später mit der Finanzkrise endete. Seither geht es aufwärts.

Viele Aktienmärkte sind schon günstig bewertet

„Der derzeitige Bullenmarkt ist erst in seinem elften Jahr und könnte noch einige Jahre dauern“, bilanziert Vermögensprofi Koppers (siehe Interview). Diese wenig konventionelle Meinung teilt auch die renommierte Investmentbank J.P. Morgan, deren Strategen sogar glauben, dass der S&P 500 bis 2035 die Marke von 10.000 Punkten erreichen könnte.

Nicht nur die Trends und die Statistik, auch die moderaten Bewertungen sprechen dafür, dass der langfristige Aufschwung mit der Corona-Krise nicht zu Ende geht, sondern nur einen Zwischenstopp darstellt. So beträgt das aussagekräftige Shiller-KGV, welches das Kurs-Gewinn-Verhältnis der vergangenen zehn Jahre ermittelt, für die USA zwar rund 20 und ist daher nicht günstig. „Aber die übrigen Aktienmärkte sind mit einem Shiller-KGV von 10 bereits günstig bewertet“, sagt Petra Ahrens (siehe „Wie Anleger…“).

Für Anleger heißt das: Zum einen ist es wenig sinnvoll, unter dem Eindruck der Corona-Krise Aktien einfach aus dem Depot zu werfen! Zum anderen empfiehlt Koppers Neu-Einsteigern, „ihre Investments in mehrere Tranchen aufzuteilen und so die Aktienquote in den steigenden Markt hinein aufzubauen“. Das kann man seiner Meinung nach getrost auf dem heutigen Niveau machen. Anleger sollten sich vom Anspruch trennen, die Tiefpunkte zu erwischen. „Für den langfristigen Anlageerfolg ist das völlig unwichtig“, so Koppers.

(Jürgen Lutz)