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Finanzen

• Nach dreijähriger Prüfphase entscheidet die EZB im Herbst über eine perspektivische Umsetzung.
• Mit dem digitalen Euro reagiert die EZB unter anderem auf ein geändertes Zahlungsverhalten.
• Für Verbraucher entstehen Kostenersparnisse, der erlebbare Unterschied bleibt jedoch gering.
• International beabsichtigt die Notenbank, die Rolle des Euro in der Welt zu stärken.

Der lange Weg zur digitalen Währung

Ende 2020 machte die EZB den Aufschlag, über die Einführung eines digitalen Euros nachzudenken. Im „Bericht über einen digitalen Euro“ präsentierte sie ihre grundlegenden Überlegungen zur digitalen Währung, dessen Auswirkungen und Ausgestaltung sowie zum beabsichtigten Zeithorizont. Externe Effekte, die einerseits auf geopolitische, andererseits auch technologische Entwicklungen zurückgingen, dürften dabei maßgeblich gewesen sein. Die zunehmende Popularität von Kryptowährungen wie beispielsweise dem Bitcoin oder Absichtserklärungen großer Tech-Konzerne, eigene Währungen etablieren zu wollen, stellten Ende der 2010er-Jahre eine Herausforderung für Notenbanken dar.

Entsprechende Pläne standen in Konkurrenz zum Währungsmonopol der Notenbanken in ihren jeweiligen Währungsräumen. Die EZB hinkte zudem anderen Währungshütern hinterher. Vor allem Chinas Notenbank beschäftigt sich bereits seit 2014 mit dem Thema. Eine erste Testphase wurde 2020 begonnen und in den vergangenen Jahren stetig ausgeweitet.

In Europa setzte Schwedens Notenbank das Thema früh auf die Agenda. 2021 begann die EZB mit ihrer sogenannten „Investigation Phase“, in der bis Ende 2023 die wesentlichen ökonomischen Fragestellungen beantwortet werden sollen.

Zentrale Fragestellungen hierbei sind:

  • wie die Vorteile des heutigen Bargelds auf das digitale Pendant übertragen werden können,
  • auf welchem Weg der digitale Euro in Umlauf gebracht werden soll und
  • welche Rolle Geschäftsbanken dabei spielen?

Zwischenergebnisse wurden in Fortschrittsberichten im vergangenen Jahr präsentiert. Stimmen aus dem Kreis des EZB-Direktoriums deuten darauf hin, dass die Notenbank die nächste Phase der Umsetzung ab Ende 2023 einleitet. In diesem Kontext sind die Vorschläge der EU-Kommission für einen gesetzlichen Rahmen zu sehen, die der EZB Unterstützung bei der konkreten Ausarbeitung geben sollen. Doch sollte nicht mit einer schnellen Einführung gerechnet werden. Die EZB selbst peilt eine Einführung des digitalen Euro frühestens Ende 2026 an.

Grafik Chronologie Digitaler Euro

Wozu braucht es digitales Bargeld?

Wie die Beispiele des Plans der Facebook-Währung Libra oder der Kryptowährungen zeigen, macht die Digitalisierung auch vor dem Zahlungsverkehr nicht halt. Einen zusätzlichen Impuls erhielten bargeldlose Bezahlmethoden durch die Corona-Pandemie. In Geschäften wurde verstärkt mit Kredit- oder Debitkarten bezahlt. Vor allem der Online-Handel erlebte rege Zuwächse. Der Anteil der Kartenzahlungen verdoppelte sich von 2016 bis 2022 nahezu. Wertmäßig wird im Euroraum sogar schon mehr als jeder zweite Euro via Karte, App oder andere digitale Bezahlmethoden ausgegeben. Diesem Trend trägt ein digitaler Euro Rechnung. Dabei steht ein solcher nicht im Gegensatz zum Bargeld. Münzen und Scheine werden auch in Zukunft ihre Funktion erfüllen und durch ihr digitales Pendant nur ergänzt. Denn auch im digitalen Zeitalter schätzen Kunden die Vorteile von Bargeld und möchten dessen Eigenschaften, z. B. den schnellen Austausch oder die höhere Anonymität, nutzen. In einer Bundesbankstudie aus dem Jahr 2022, die nach den Vorteilen von Bargeld fragt, rangiert der Schutz der Privatsphäre auf dem ersten Rang, Aspekte der einfachen Handhabbarkeit und Schnelligkeit auf den Plätzen drei und vier.

Doch gerade in der digitalen Bezahlwelt fehlt es laut EZB bislang an sicheren und kostengünstigen Optionen. Dieser Punkt ist sicherlich nicht unumstritten. Denn Online-Bezahlmethoden existieren durchaus in größerer Anzahl. Kreditkartenzahlungen oder Anwendungen wie Paypal oder Klarna finden sich mittlerweile in nahezu jedem Online-Shop. Doch sind diese Angebote nicht zwingend günstig, zumindest für die Verkäufer. Diese müssen einen Teil der Umsätze als Gebühr an die meist in den USA sitzenden Unternehmen entrichten. Noch teurer wird es bei Transaktionen, die über Länder- und Währungsgrenzen verlaufen. Wird statt einer Online-Bezahlung auf eine herkömmliche Banküberweisung zurückgegriffen, kann es aufgrund von Regulierung und fehlender IT-Systemkompatibilität noch deutlich teurer werden und länger dauern, bis das Geld beim Zahlungsempfänger ankommt. Die explizite Absicht der EZB, eine günstige Alternative zu schaffen, zielt damit auf den Wettbewerb in diesem Bereich ab. Was Kunden Vorteile bringen kann, setzt Zahlungsdienstleistern zu.

Wie an den digitalen Euro kommen?

Anders als bei einer Bankeinlage, die ein Kunde bei seinem Finanzinstitut hält und somit eine Verbindlichkeit der Geschäftsbank darstellt, entsteht beim Erwerb eines digitalen Euro eine direkte Forderung gegenüber der Zentralbank, die diesen ausgibt. Die Notenbank möchte jedoch durch die Schaffung von Kundeneinlagen nicht in Konkurrenz zu herkömmlichen Banken treten, die über den Zahlungsverkehr eine Vielzahl anderer Dienstleistungen für ihre Kundinnen anbieten. Um eine Konzentration auf die Zahlungsmittelfunktion des digitalen Euro sicherzustellen, möchte die EZB Geschäftsbanken eng ins System einbinden. So soll laut Fortschrittsbericht der digitale Euro vornehmlich über die Banken bezogen werden können.

Auch die meisten mit dem Zahlungsverkehr verknüpften Dienstleistungen, z. B. die Prüfung, ob ausreichende Mittel auf den Konten verfügbar sind oder Transaktionen nicht in Verbindung mit Geldwäscheaktivitäten stehen, obliegen den Banken. Die Banken erhalten hierfür eine entsprechende Vergütung. Eine Besonderheit des digitalen Euro wird sein, dass der Erwerb für Bürger begrenzt ist. Im Gespräch ist derzeit eine Höchstgrenze von 3.000 Euro. Grund hierfür ist, dass die EZB eine größere Verschiebung von Einlagen von den Geschäftsbanken hin zur EZB vermeiden möchte. Gerade in Krisenphasen wären große Kapitalabflüsse bei Banken und -zuflüsse bei der Notenbank denkbar, die die Finanzstabilität zusätzlich gefährden könnten. Ein digitaler Euro bliebe somit auf seine Funktion als Zahlungsmittel beschränkt und würde nicht als Anlageinstrument dienen.

Grafik Zahlungswege Euroraum

Die Stellung des Euro in der Welt

Die Einführung des digitalen Euros darf nicht ausschließlich auf die innereuropäische Betrachtung begrenzt bleiben. Im globalen Finanzsystem nimmt der Euro nach dem US-Dollar, wenn auch mit deutlichem Abstand, als Handels- und Reservewährung den zweiten Platz ein. In Konkurrenz steht die Gemeinschaftswährung neben dem US-Dollar verstärkt mit dem chinesischen Yuan, dessen weltweite Etablierung die Regierung in Peking vorantreibt. Eine digitale Währung kann im Wettbewerb der Währungen dabei ein Vorteil sein. Denn je einfacher und schneller grenzüberschreitende Transaktionen möglich sind, desto besser die Aussicht, dass im internationalen Warenverkehr der Euro die bevorzugte Währung darstellt.

Doch warum wird eine höhere Souveränität des Euros überhaupt angestrebt? Im derzeit vom US-Dollar geprägten System besteht eine einseitige Abhängigkeit von den USA. Zwar besteht politisch zwischen den Währungsräumen eine hohe Interessenkongruenz, jedoch zeigte sich in der Vergangenheit, z. B. bei den von den USA beschlossenen Iran-Sanktionen unter Donald Trump, dass, selbst wenn Europäer diese nicht mittragen, man über eine implizite Unterstützung kaum herumkommt, da Unternehmen und Banken ansonsten der Ausschluss von US-Dollarströmen droht. Im Falle einer stärkeren Abhängigkeit von Chinas Währung wären die Sorgen wohl ein Vielfaches größer. Daher sieht die EZB den digitalen Euro auch als Möglichkeit, die monetäre Souveränität voranzutreiben.

Fazit

Gibt die EZB dem Vorhaben einer Einführung eines digitalen Euro im Herbst nach dreijähriger Prüfphase grünes Licht, so ändert sich vorerst nichts. Denn bis ein digitales Pendant der Gemeinschaftswährung umgesetzt würde, vergehen noch einige Jahre. Für Sparer, Anlegerinnen und Verbraucher bliebe alles beim Alten. Auch perspektivisch wäre mit wenig wahrgenommener Veränderung zu rechnen. Der digitale Euro würde als Transaktionsmittel neben bislang bestehende Möglichkeiten (Kreditkarte, Online-Überweisung u. ä.) treten. Stellt sich der gewünschte Effekt der EZB ein, hierdurch die Kosten im Zahlungsverkehr zu senken und die Geschwindigkeit von Zahlungen zu erhöhen, hätten Verbraucherinnen einen Mehrwert. Unternehmen und Banken stünden vor der Aufgabe, die notwendige digitale Infrastruktur aufzubauen. Denn, wenn der digitale Euro erst einmal eingeführt ist, müssen Unternehmen diesen als Zahlungsmittel auch annehmen.

Klaus Niedermeier, Leiter Investment Research, Deutsche Apotheker- und Ärztebank

Klaus Niedermeier, Leiter Investment Research, Deutsche Apotheker- und Ärztebank. Foto: apoBank

*Der Autor: Klaus Niedermeier leitet das Investment Research bei der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (apoBank). Nach dem Studium der Betriebswirtschaft an der Universität in Frankfurt war er zunächst als Analyst, insbesondere für das Healthcare-Segment, bei Banken in Düsseldorf und Frankfurt tätig. Seit 2007 hat er sich auf die Themenfelder „Volkswirtschaft“ und „Strategie“ spezialisiert. Er ist zudem CEFA-Investmentanalyst der DVFA.