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Honorare

Was ist ein Ausfallhonorar?

Bei einem Ausfallhonorar handelt es sich rechtlich um einen Schadensersatzanspruch gegenüber dem Patienten. Das setzt natürlich voraus, dass dem Arzt ein Schaden entstanden ist – zum Beispiel in Form eines Verdienstausfalls. Daran scheitert es in vielen Fällen.

Kann ein Arzt einen versäumten Termin in Rechnung stellen?

Hat ein Patient kurzfristig einen Arzttermin abgesagt oder ihn vergessen, kann dem Arzt in diesem Fall ein wirtschaftlicher Schaden entstehen. Schließlich hat er die Arbeitszeit geblockt und der Patient hat seinen Teil der Vereinbarung nicht erfüllt. Und schließlich können Patienten bei langen Wartezeiten ebenfalls Schadenersatz verlangen. Klingt also nachvollziehbar, dass ein Anspruch entsteht, ist aber in der Praxis dann doch nicht so einfach, wie ein Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart zeigt.

Wenn der behandelnde Arzt Schadensersatz für versäumten Termin verlangt

So hat auch das Oberlandesgericht Stuttgart entschieden, dass in der bloßen Terminvereinbarung in der Regel keine vertragliche Fixierung eines Behandlungstermins liegt, sondern diese im Zweifel nur einen zeitlich geordneten Behandlungsablauf garantieren soll. Bei der bloßen Terminvereinbarung fehle der Rechtsbindungswille bei Ärzten und Patienten. Sie wollen gar nicht, dass Terminausfälle oder -verschiebungen Ersatzansprüche auslösten. Weder wolle der Patient sich binden und ein Risiko eingehen, noch wolle der Arzt seinerseits dem Patienten gegenüber dafür haften, dass diesem bei besonders langen Wartezeiten ein Verdienstausfall entsteht. Außerdem, so die Rechtsprechung, habe der Patient ein kurzfristiges Kündigungsrecht bezüglich des Behandlungsvertrages, falls er sich gegen den Eingriff entscheidet.

Reine Bestellpraxis kann Anspruch auf Schadenersatz begründen

Anders kann der Fall aber bei einer reinen Bestellpraxis aussehen. Wer beispielsweise als Orthopäde für einen Patienten einen längeren Termin mit Ultraschall, Röntgen und OP-Besprechung einplant, wer kleine ambulante Operationen durchführt oder als Schmerztherapeut Patienten exakt einbestellt, steht bei Terminausfällen oft vor einem leeren Wartezimmer. Doch auch hier muss der Arzt zunächst versuchen, die Zeit mit anderen Arbeiten zu überbrücken oder bei rechtzeitigen Absagen Patienten umzubestellen. Nur, wenn das nicht geht, kommt ein Ausfallhonorar überhaupt in Betracht.

Auch eine Hausarzt-, Kinderarzt- oder HNO-Praxis wird sich mit der Durchsetzung solcher Ansprüche schwertun, wenn ein Patient kurzfristig absagt. Hier ist das Wartezimmer in der Regel gut gefüllt, der Arzt kann meist einen anderen Patienten vorziehen. Ist tatsächlich kein Patient mehr da, kann er häufig Verwaltungsarbeiten erledigen. Außerdem wird vom Arzt erwartet, bei rechtzeitigen Absagen andere Patienten zu kontaktieren und um eine Vorverlegung von Arztterminen zu bitten. Einen Schaden nachzuweisen, dürfte daher schwierig werden.

Wie Gerichte den ärztlichen Anspruch auf ein Ausfallhonorar beurteilen

Bei der Beurteilung, ob im Fall der Absage eines fest vereinbarten Behandlungstermins ein Anspruch auf das Behandlungshonorar oder Schadensersatz entsteht, entscheiden die Gerichte bislang dennoch extrem unterschiedlich. Gestritten wird dabei um die Anwendbarkeit der Vorschrift des Paragraf 615 BGB. Dieser Paragraf zur vertraglichen Haftung könnte so ausgelegt werden, dass man zahlen muss, wenn die Behandlung bestellt und dann vergessen oder versäumt wurde.

Wie kann der Arzt einen versäumten Termin in Rechnung stellen?

Egal, ob Bestellpraxis oder nicht: Wer ein Ausfallhonorar geltend machen will, muss dieses vorher mit dem Patienten schriftlich vereinbaren und über das finanzielle Risiko aufklären. Dies stellt eine weitere Hürde auf dem Weg zum Schadensersatz dar. Viele Ärzte haben zwar inzwischen entsprechende Vereinbarungen mit Patienten getroffen, doch auch hier liegen die Tücken wie so oft im Detail. Denn eine Vereinbarung, nach der etwa ein Ausfallhonorar von 75 € fällig wird, sollte der Patient den Termin nicht mindestens 24 Stunden vorher abgesagt haben, ist laut Rechtsprechung unwirksam.

Arzttermin wegen Krankheit absagen

Das liegt daran, dass solche Vereinbarungen von der Rechtsprechung regelmäßig als Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) gewertet werden und daher einer Inhaltskontrolle unterliegen. Eine wie oben formulierte Klausel beeinträchtigt den Patienten laut Rechtsprechung aber unangemessen, da er keine Möglichkeit habe, bei einer unverschuldeten kurzfristigen Absage, etwa wegen Krankheit, die Zahlung des Ausfallhonorars zu verhindern.

Eine Vereinbarung müsste, um wirksam zu sein, den Zusatz enthalten, dass der Patient bei einem nachweislich unverschuldeten Fernbleiben das Ausfallhonorar nicht bezahlen muss. In diesem Fall liegt das Honorarausfallrisiko also weiterhin beim Arzt. Vorsicht auch bei Terminverschiebungen: Wenn der Patient – auch kurzfristig – anruft und um eine Terminverschiebung bittet, lässt ein vereinbarter neuer Termin Ersatzansprüche für den alten Termin entfallen.

Was Ärzte für den Anspruch auf Schadenersatz nachweisen müssen

Schaut man sich die bisherigen Urteile an, ergeben sich noch weitere Voraussetzungen: So muss der Arzt den Eintritt eines Schadens vor Gericht darlegen und beweisen. Ein ersatzfähiger Schaden für die Arztpraxis kann nur dann vorliegen, wenn der Arzt bei einem rechtzeitig abgesagten Termin einen anderen Patienten hätte behandeln können, den er tatsächlich nicht behandeln konnte.

Kann der Arzt belegen, dass er aufgrund des kurzfristig verpassten Arzttermins unnötigen Leerlauf hatte, muss der Patient tatsächlich für den Schaden haften. Dann kommt es nach dem OLG Stuttgart auf die durchschnittlichen Stundenumsätze der Praxis des Arztes an, die noch das in erster Instanz entscheidende Landgericht ohne Weiteres zugrunde gelegt hatte. Die allgemeine Behauptung des Arztes, durch die Absage sei die Behandlung anderer Patienten verhindert worden, reicht dafür aber nicht aus.

Was kostet es, Schadenersatz für versäumte Termine einzuklagen?

Nach Angaben der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg beläuft sich das Prozessrisiko für Ärzte in der ersten Instanz bei einem angenommenen Streitwert von 1.000 € auf rund 770 €. Das mag einer der Gründe dafür sein, warum Ärztinnen und Ärzte Ausfallhonorare selten einklagen und das Geld lieber abschreiben.

Arzt muss Schaden möglichst gering halten
Auf das Ausfallhonorar muss der Arzt oder die Ärztin das anrechnen, was er oder sie durch den Ausfall des Termins erspart hat. Dazu zählt beispielsweise unverbrauchtes Material. Er muss außerdem die freigewordene Arbeitskraft anderweitig einsetzen, etwa für andere Behandlungen oder Verwaltungstätigkeit, und damit den Schaden wirtschaftlich mindern.

Was Ärzte bei versäumten Terminen tun können

Ob im Fall der schuldhaften kurzfristigen Versäumung oder Absage eines Termins ein Honoraranspruch nach Maßgabe des Gebührenrechts begründet sein kann, ist zweifelhaft. Jedenfalls sind Schadensersatzansprüche zumindest möglich. Insoweit muss jedoch die tatsächliche Möglichkeit der Behandlung anderer Patienten nachweisbar sein, die gerade wegen der verspäteten Absage nicht behandelt werden konnten. Hier ist eine detaillierte Dokumentation notwendig. Niedergelassene Ärzte sollten sich zu diesem Thema unbedingt auch mit ihrem Anwalt beraten.