Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Immobilien

Die niedrigen Zinsen sind verlockend. Doch Ärzte, die noch keinen Kredit für das geplante Eigenheim oder die erhoffte Praxisimmobilie aufgenommen haben, könnten überraschend Probleme bekommen. Seit März 2016 wird nämlich die neue EU-Wohnimmobilienkreditrichtlinie angewandt. Sie soll Banken vor Fehlentscheidungen und Verbraucher vor möglichen Pfändungen und Zwangsvollstreckungen schützen. Um das zu erreichen, wurden die Prüfpflichten bei der Kreditvergabe deutlich verschärft. Mit durchaus unerwünschten Nebenwirkungen, wie Immobilienexpertin Evelyn-Nicole Lefevre-Sandt in unserem Interview erklärt.

Der Traum von der eigenen Immobilie

Viele Ärzte träumen von einer eigenen Praxisimmobilie oder auch von einer Wohnimmobilie. Sie stoßen bei ihren Banken aber neuerdings auf hohe Hürden bei der Kreditvergabe. Bremsen die neuesten gesetzlichen Bestimmungen zur Wohnimmobilienfinanzierung die bisherige Dynamik am Immobilienmarkt aus?

Auf jeden Fall können sie die Umschlagsgeschwindigkeit im Immobilienverkauf verändern und vor allem die Vergabe von Immobilienkrediten erschweren. In den letzten Wochen habe ich mit verschiedenen Banken bezüglich der neuen EU-Wohnimmobilienkreditrichtlinien und den neuen Bestimmungen für Verbraucherdarlehen gesprochen. Die Umsetzung gestaltet sich schwierig. Und alle sind einhellig der Meinung, dass die neuen Vorgaben der Gesetze in der aktuellen Fassung nicht umsetzbar sein werden und nachgebessert werden müssen.

Womit müssen Ärzte, die einen Immobilienkredit aufnehmen wollen, bei ihrer Bank jetzt rechnen?

Um ein Angebot abzugeben oder auch nur einen Finanzierungsrahmen abzuklären, müssen in Zukunft – selbst bei der Hausbank – sämtliche genehmigungsrelevante Unterlagen zur Einkommenssituation, den Sicherheiten, neuerdings auch zur Altersvorsorge, also auch Rentenbescheide etc., vorgelegt werden. Die Angaben in der Selbstauskunft müssen belegt werden. Denn hier geht es zum Beispiel darum, dass die Gewährleistung der Zahlungsleistung für die gesamte Darlehenslaufzeit sichergestellt werden soll. Banken müssen ihren Kunden jetzt, selbst bei einer ersten Anfrage, ein 80-seitiges Dokument zwecks Information aushändigen. Der Arzt muss sich durch dieses Material arbeiten. Und die Bank muss schon enorme Dokumentationspflichten erfüllen, bevor sie dem Arzt überhaupt ein Angebot machen kann.

Familienplanung offenlegen?

Warum ist das, abgesehen von dem großen Aufwand, für Bank und Kunden so problematisch?

Wer kann schon über einen Zeitraum von 10 bis 30 Jahren sicher planen und darüber Auskunft geben? Laut Auskunft der Banken müssten beispielsweise junge Ärzte und ihre Familien, wenn sie sich eine Immobilie anschaffen wollen, vor Angebotserstellung die gesamte Familienplanung auf den Tisch legen. Die Bank müsste diese Informationen theoretisch einholen, um beurteilen zu können, ob es auch über einen langen Zeitraum und als Familie noch leistbar ist, ein Immobiliendarlehen zu bedienen. Wer kann heute schon genau wissen, was die Zukunft bringt? Wie viele Kinder es einmal geben wird? Wer, mit welchem Einkommen, wann in Elternzeit gehen wird? In Zeiten hoher Scheidungsraten erscheint mir das geradezu absurd.

Wer älter ist, hat es bei der Kreditvergabe aber auch nicht einfacher, wie man hört.

Bei älteren Herrschaften wird jetzt nicht nur die sogenannte Sterbetafel herangezogen, sondern es werden – abhängig von der Laufzeit – auch potenzielle Erben zwecks Leistbarkeit der Zahlungsverpflichtungen aus dem Darlehen, durchleuchtet. Aber was, wenn die Erbfrage noch nicht abschließend geklärt ist oder sich daran mal etwas ändert?

Realitätsferne der aktuellen Vorgaben

Wie reagieren die Banken, die mit den Vorgaben ja offensichtlich auch nicht zufrieden sind?

In den vergangenen Wochen haben in Berlin bereits Banker demonstriert und für die Abgeordneten Musterrechnungen für Baufinanzierungen erstellt. Um die Realitätsferne der aktuellen Vorgaben darzustellen und in der Hoffnung, das bei den Entscheidern so das Bewusstsein geweckt wird, wie wenig praxiskonform und wirtschaftlich förderlich die neuen Bestimmungen sind. Alle befragten Banken sind einhellig überzeugt, dass sich Entscheidungszeiträume erheblich verlängern werden, da die bestehende EDV an ihre Leistungsgrenzen stößt. Diese neuesten Entwicklungen haben unter anderem bei den Sparkassen bereits jetzt zu erheblichen Rückgängen in der Kreditvergabe für Immobilien geführt. Was diese aktuell dazu veranlasst hat,  gegen die neuen Richtlinien vorzugehen.

Der Großteil der Ärzte wendet sich bei Kreditanfragen direkt an die Hausbank. Diese kennt den Kunden in der Regel seit Jahren und kann z.B. einschätzen, dass er den Kredit bedienen kann, auch wenn der eine oder andere Punkt aus Sicht der EU-Richtlinie nicht perfekt passt. Reicht das nicht aus?

Leider nein, denn die bisherigen Entscheidungsspielräume sind nicht mehr im gewohnten Maß gegeben. Das wird in vielen Fällen dazu führen, dass, um die neuen EU-Richtlinien zu erfüllen, möglicherweise keine Darlehen mehr gewährt werden können. Selbst bei bester Kenntnis des Kunden. In einem gestrigen Gespräch mit einem Banker skizzierte er mir sogar einen Rückschritt in den Beratungs- und Vergabeabläufen. Denn wenn es in der Vergangenheit gewünscht war, auf die Bedürfnisse der Kunden einzugehen, so ist dies jetzt fast nicht mehr möglich ohne gegen die neuen gesetzlichen Bestimmungen zu verstoßen. Jetzt geht es im Genehmigungsverfahren anhand der gesammelten Informationen nur noch mit einem EDV gestützten Ampelsystem. Und entweder ist die Ampel grün, dann passt alles. Oder gelb, was dann Auflagen bedeutet. Oder sie ist rot. Ärzte müssen also durchaus damit rechnen, dass ihre Hausbank den Finanzierungswunsch für die Praxisimmobilie ablehnt.

Erschwerend kommt hinzu, dass das Ganze möglicherweise auch noch zu einer Verteuerung der Darlehen führt, da der vorgeschriebene Aufwand jetzt weit höher ist und weiteren Personalbedarf für die Banken bedeutet. Dies würde zu einer Einschränkung des Interessentenkreises führen. Für Interessenten sind die Bedingungen ohnehin schon erschwert, durch die Knappheit des Immobilienangebotes am Markt einerseits und durch die Tatsache das sie dadurch schneller entscheiden müssen, um die gefundene Immobilie auch tatsächlich zu bekommen, andererseits.

Warum Banken all das wissen wollen

Warum müssen Interessenten künftig wohl schon beim Gespräch mit dem Makler Auskunft zu ihrer finanziellen Situation geben?

Wenn es bisher schon wichtig war, die Finanzierungsfrage, zumindest den groben Rahmen betreffend, vor Präsentation eines Immobilienangebotes zu klären, ist es jetzt, um einen zeitnahen und reibungslosen Ablauf gewährleisten zu können, wohl ein absolutes Muss.

Da sich die Entscheidungen, ob und in welcher Größenordnung, Immobiliendarlehen gewährt werden können, so drastisch wie von den Banken dargestellt, verlängert haben, sind viele Immobilieninteressenten schlichtweg nicht mehr handlungsfähig. Und selbst gute Einkommen, oder entsprechendes Eigenkapital sind jetzt kein ausreichender Garant mehr für eine zu realisierende Finanzierung, wenn es den Vorgaben für die Bestellung und Verstärkung von Sicherheiten nicht genügt. Dinge, die in den letzten Jahren viel diskutiert wurden, wie zum Beispiel das Vorgespräch und die absolute Notwendigkeit, vor einer Besichtigung die Finanzfragen zu klären, werden jetzt gesetzlich lanciert.

Wirkt sich das am Ende möglicherweise sogar auf die Preise im Immobilienmarkt aus?

Es gibt zwar jede Menge Interessenten, vor allem, nachdem die Leitzinsen auf ein absolut historisches Maß, nämlich auf Null, gesenkt wurden. Doch, wenn jetzt selbst vielversprechende Kandidaten plötzlich nicht mehr finanzierungstechnisch darstellbar sind, wandelt sich das Bild schnell.

*Unsere Expertin: Evelyn-Nicole Lefevre-Sandt verfügt über mehr als 25 Jahre Erfahrung im Immobiliengeschäft. Sie berät u.a. Privatpersonen, die eine Immobilie kaufen möchten. Zudem ist sie eine erfolgreiche Fachbuchautorin. Kontakt und weitere Informationen: www.lesa-käuferberatung-immobilien.de