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Finanzen
Samir Zakaria vom Vermögensverwalter Hansen & Heinrich AG

Samir Zakaria

Bei Immobilien kennen viele den sogenannten Nießbrauch. Funktioniert das auch bei anderen Vermögenswerten?

Zakaria: Die Grundidee bei diesem Konstrukt ist, dass die Substanz des Eigentums bereits an die nächste Generation weitergegeben wird, Steuerfreibeträge genutzt werden, sich aber die Schenkenden die Nutzung der Erträge vorbehalten. Das funktioniert nicht nur bei Immobilien, bei denen dadurch zum Beispiel ein lebenslanges Wohnrecht oder die Verfügung über Mieteinnahmen abgesichert wird. Tatsächlich kann das, am besten mit der Hilfe eines Fachanwalts, auch für Wertpapierdepots genutzt werden. Das heißt Aktien, Fonds und Anleihen werden verschenkt, aber die Erträge wie Dividenden, Ausschüttungen und Zinsen stehen weiter dem Schenkenden zu.

Welche Vorteile hat so ein Wertpapiernießbrauch noch?

Zakaria: Zunächst kann der Beschenkte nicht einfach alles verkaufen und ausgeben oder in hochriskante Investments stecken. Denn die Kontrolle der Verwaltung bleibt in der Regel zu Lebzeiten des Schenkenden in bewährten Händen und eine Entnahme ist nur mit dessen Zustimmung möglich. Dem Schenker steht auch ein Mitspracherecht bei der Umschichtung und Wiederanlage des Depotvermögens zu. Außerdem stehen die Erträge weiter für die Altersvorsorge zur Verfügung und haben noch dazu einen spürbaren steuerlichen Effekt. Im Prinzip wird der Bemessungswert der Schenkung um den prognostizierten Wert des Nießbrauchvorbehalts gemindert. Klingt kompliziert, aber eigentlich wird hier nur ausgerechnet, welche Summe bis zum statistischen Erbfall wahrscheinlich an Erträgen zusammenkommt und teilweise vom übertragenen Vermögen abgezogen. Letztendlich führt das dazu, dass deutlich größere Vermögenswerte ohne Steuerabzug übertragen werden können, gerade wenn der Schenkende noch eine hohe Lebenserwartung hat. Auf Seite des Beschenkten ist ein großer Vorteil, dass mit dem Übertrag der Substanz auch zukünftige Wertsteigerungen bereits schenkungssteuerfrei sind.

Wie weit lassen sich denn die Freibeträge dadurch ausdehnen?

Zakaria: Das ist zunächst abhängig vom Alter und Geschlecht des Schenkenden, denn daraus wird die statistisch verbleibende Lebenserwartung berechnet, die regelmäßig der aktuellen Entwicklung angepasst wird. Das heißt, je jünger desto mehr Jahre Nießbrauch verbleiben und bei Frauen sind es generell etwas mehr als bei Männern, dank der statistisch höheren Lebenserwartung des weiblichen Geschlechts. Der prognostizierte Ertrag ist abhängig von der jeweiligen Zusammensetzung des Wertpapierdepots und muss aus der Sicht des jeweiligen Finanzamtes realistisch sein. Erfahrungsgemäß könnte zum Beispiel bei einem Dividendenportfolio der jährliche Ertrag im Bereich von drei bis fünf Prozent liegen. Überträgt also etwa eine 50-jährige Frau an eines ihrer Kinder ein Nießbrauchdepot mit einer jährlichen Rendite von vier Prozent, können so über eine Million Euro steuerfrei übertragen werden, obwohl der eigentliche Freibetrag bei lediglich 400.000 Euro liegt.

Aber sind junge Begünstigte nicht schnell von einem großen Vermögen überfordert?

Zakaria: Das ist tatsächlich ein ganz wichtiges Thema, denn die Verwaltung und Erhaltung eines größeren Vermögens ist keine ganz einfache Sache. Gerade in jungen Jahren fehlt hier oft die langfristige Perspektive und die Versuchung, das Geld einfach für schöne Dinge auszugeben ist groß. Außerdem ist es auch für den Schenkenden oft wichtig, dass die übertragenen Vermögenswerte noch einen Beitrag zur Gestaltung des eigenen angenehmen Lebensabends leisten. Deswegen macht es in vielen Fällen Sinn, hier vorsorgliche Regelungen zu treffen. Beispielsweise kann Vermögen in einen so genannten Familienpool eingebracht werden, an dem die Kinder sukzessive beteiligt werden, die Eltern aber noch Vetorechte bezüglich der Verfügung über das Vermögen haben. Im Testament sollte zudem eine Testamentsvollstreckung vereinbart werden, falls junge Erben noch minderjährig sind.

Welche Dinge müssen vor der Übertragung geregelt werden?

Zakaria: Zunächst sollten nicht Steuerfragen an erster Stelle stehen, sondern es muss geklärt werden, was der Vermögensinhaber wirklich schon schenken will und kann. Dazu ist es wichtig, sich einen möglichst objektiven Überblick über das eigene Vermögen zu verschaffen und auch Worst Case-Szenarien wie eine teure Pflegesituation oder das vorzeitige Ableben des Beschenkten einzukalkulieren. Deswegen empfehlen wir als Vermögensverwalter zunächst eine umfassende Bestandsaufnahme der individuellen Finanzsituation, die auch die Ruhestandsplanung umfasst. Neben dem Gang zum Steuerberater sollten Nießbrauchinteressierte dann auch einen erfahrenen Anwalt hinzuziehen. Er kann bei der Formulierung eines Schenkungsvertrags helfen, um mögliche Rückfallklauseln für Notfälle einzubauen, wenn zum Beispiel der Beschenkte überraschend verstirbt oder der Schenkende in eine finanzielle Schieflage gerät.

Checkliste für Wertpapiernießbrauch

Diese fünf Fragen sollten Sie sich stellen, bevor ein Depot mit Nießbrauchsvorbehalt verschenkt wird:

1. Ist meine finanzielle Sicherheit trotz Schenkung gewährleistet?

Je eher der Vermögensübergang geplant wird, desto größer ist generell das Potenzial, Erbschaftssteuer zu sparen. Das gilt ganz besonders für Nießbrauchdepots, da der vom Finanzamt berücksichtigte vorbehaltene Gesamtertrag maßgeblich von der statistischen Lebenserwartung des Schenkenden abhängt. Also grundsätzlich je früher, desto besser, aber eines sollte bei jeder Art von Vermögensübertragung bedacht werden: Grundsätzlich gilt das Prinzip „geschenkt ist geschenkt“ und der Besitz ist erst mal weg. Deswegen macht es absolut Sinn, auch vor einer großzügigen Übertragung eines Nießbrauchdepots, die persönliche, familiäre und finanzielle Gesamtsituation genau umfassend zu analysieren, um das Ganze nicht am Ende zu bereuen.

2. Ist die Vermögensnachfolgesituation zu 100 Prozent eindeutig?

Wer einen Vermögensübergang mit einem mehrere Jahrzehnte umspannenden Vorlauf plant, sollte sich ganz sicher sein, wen er mit welchem Anteil bedenken möchte. Herrscht hier Klarheit, können Nießbrauchdepots helfen, viel Geld zu sparen, insbesondere wenn es um Summen geht, die über den steuerlichen Freibeträgen liegen. Gerade wenn Personen außerhalb des engsten Familienkreises bedacht werden sollen, ist das kein Thema, das nur Millionäre betrifft: Der Freibetrag liegt hier gerade einmal bei 20.000 Euro und lässt sich durch diese Form der Vermögensübertragung spürbar ausdehnen.

3. Ist ein Schenkungsvertrag vorhanden?

Anders als bei Immobilien braucht es bei der Übertragung eines Nießbrauchdepots keinen Notar und im Prinzip noch nicht einmal einen schriftlichen Schenkungsvertrag. Wird die vollzogene Umschreibung innerhalb von drei Monaten an das zuständige Finanzamt gemeldet, sind die Grundvoraussetzungen erfüllt. Profis empfehlen trotzdem einen möglichst wasserdichten Schenkungsvertrag aufzusetzen, der zum Beispiel regelt, was passiert, wenn der Beschenkte vorzeitig verstirbt oder der Schenkende durch eine Pflegesituation in eine finanzielle Schieflage kommt.

4. Bietet meine Bank überhaupt Nießbrauchdepots an?

Nur wenige Institute haben die technischen Voraussetzungen, dass der Besitz eines Wertpapierportfolios verschenkt werden kann, aber die Erträge weiter an den Schenkenden fließen. Deswegen sollten Sie sich vorab am besten bei einem bankenunabhängigen Berater informieren und zu einem darauf eingerichteten Anbieter wechseln.

5. Vermögensstruktur mit professioneller Beratung festlegen?

Ein großer Teil des Charms von Nießbrauchdepots ist es, die nachfolgende Generation Schritt für Schritt mit den Herausforderungen der Geldanlage vertraut zu machen. Denn die Anlagestrategie wird in der Regel einvernehmlich gemeinsam, oft mit der Hilfe von professionellen Vermögensverwaltern, festgelegt. Hier können wichtige Erfahrungen gesammelt werden, ohne die Versuchung für den Beschenkten, das Geld schon in jungen Jahren für schnelle Autos oder einen extravaganten Lebensstil auszugeben. Denn er hat zu Lebzeiten des Schenkenden keinen direkten Zugriff auf das Vermögen.

Autor: Florian Junker