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Steuern

Um Besuch von der Steuerfahnung zu bekommen, muss man nicht zwingend im Verdacht der Steuerhinterziehung stehen. Beamte der Steuerfahnung, sogenannte „Flankenschützer“, unterstützen den Innendienst des Finanzamts auch bei noch unklaren steuerlichen Sachverhalten. Sie erscheinen ohne Anfangsverdacht und Durchsuchungsbefehl beim Steuerpflichtigen. Gesetzliche Grundlage dafür ist der § 208 Abs. 2 AO. 

Finanzamt lässt beim Hausbesucht Fakten prüfen

Was in der Theorie nach einem harmlosen Plausch mit Finanzbeamten klingt, ist für betroffene Ärzte meist das genaue Gegenteil, selbst wenn sie regelmäßige Steuerprüfungen gewohnt sind. Die Außenwirkung ist tatsächlich eine andere, da Betroffene von den Hausbesuchen überrascht und dadurch zusätzlich verunsichert werden. Kein Wunder: Die Steuerfahndung wird normalerweise erst bei bestehendem Anfangsverdacht auf diese Weise aktiv. Kaum jemand weiß, dass das Finanzamt die Beamten auch ohne diese Grundlage um einen Hausbesuch bitten darf.

So könnten die “Flankenschützer” beispielsweise im Haus des Arztes erscheinen, um den Wahrheitsgehalt seiner Angaben in der Steuererklärung zu überprüfen. Wurden tatsächlich die Praxisräume im Haus renoviert? Oder wurde nur die darüberliegende Privatwohnung des Arztes verschönert? Das möchten die Beamten mit eigenen Augen sehen.

Warum Sie den Zutritt verweigern sollten

Die Besuche erfolgen ohne schriftliche Ankündigung und vor allem ohne Durchsuchungsbeschluss – weshalb man den Beamten den Zutritt eigentlich verweigern sollte – jedenfalls, solange der eigene Steuerberater noch nicht vor Ort ist. Lässt man die Finanzbeamten freiwillig rein, ist es im Nachgang rechtlich kaum noch möglich, gegen bei diesem Besuch getroffene Feststellungen vorzugehen.

Klage gegen Ortsbesichtigung

Eine Klage gegen eine solche Ortsbesichtigung, die im Auftrag des Festsetzungsfinanzamts durchgeführt wurde, ist nämlich nur zulässig, wenn ein erheblicher Eingriff in die Persönlichkeitssphäre oder ein schwerwiegender Grundrechtseingriff vorliegt. Dies hat der 9. Senat des Finanzgerichts Münster mit Urteil vom 11. Juli 2018 (Az. 9 K 2384/17) entschieden.

Die als angestellte Filialleiterin und selbstständige Unternehmensberaterin tätige Klägerin machte in ihrer Einkommensteuererklärung Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer geltend. Zur Überprüfung suchte ein Beamter der Steuerfahndung sie im Auftrag des Finanzamts unangekündigt auf. Nach Vorlage seines Dienstausweises ließ die Klägerin ihn in ihre Wohnung, wo er feststellte, dass tatsächlich ein steuerlich anzuerkennendes häusliches Arbeitszimmer vorlag. Die Frau klagte trotzdem gegen den Hausbesuch und wollte feststellen lassen, dass der Hausbesucht rechtswidrig gewesen sei.

Der Senat wies die Feststellungsklage als unzulässig ab. Zunächst bestehe keine Wiederholungsgefahr, da eine erneute Ortsbesichtigung in absehbarer Zeit nicht drohe. Auch ein Rehabilitationsinteresse aufgrund eines erheblichen Eingriffs in die Persönlichkeitssphäre, der mit dem Vorwurf der Steuerhinterziehung einherginge, liege nicht vor. Ein solcher Vorwurf sei allein durch den Besuch eines Steuerfahnders nicht verknüpft, da die Steuerfahndung nicht nur für strafrechtliche, sondern auch für steuerliche Sachverhaltsermittlungen zuständig sei.

Schließlich könne sich die Klägerin auch nicht auf einen schwerwiegenden Eingriff in ihr Grundrecht auf Schutz der Wohnung berufen, da sie den Flankenschützer freiwillig in ihre Wohnung gelassen habe. Durch die Vorlage seines Dienstausweises habe er die Klägerin auch nicht über den tatsächlichen Anlass seines Besuchs getäuscht. Vielmehr habe er die Klägerin über den konkreten Zweck der Maßnahme – die Inspektion des häuslichen Arbeitszimmers – vor dem Betreten der Wohnung informiert.

Auch das Finanzgericht Köln kam zu der Erkenntnis im Urteil vom 22.03.2017 Az. 3 K 123/14, das dem Gericht die Praxis der Finanzverwaltung bekannt ist, unter Beteiligung der Betriebsprüfung und der Steuerfahndung “Kombiprüfungen” durchzuführen bzw. die Steuerfahndung als “Flankenschutz” der Betriebsprüfung heranzuziehen.

Was bei einem steuerlichen Strafverfahren passiert

Werden im Rahmen einer laufenden Betriebsprüfung beim Steuerpflichtigen angeforderte und für die Prüfung bedeutsame Unterlagen ohne Angabe von Gründen nicht herausgegeben, veranlasst die Betriebsprüfung bei der Steuerfahndung die Einleitung eines Steuerstrafverfahrens. Nachdem die erforderlichen Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüsse erteilt worden sind, werden sie von der Steuerfahndung vollzogen.

Gleichzeitig wird dem Steuerpflichtigen die Einleitung des Steuerstrafverfahrens mitgeteilt und er über die Selbstbelastungsfreiheit belehrt. Ferner wird ihm die Prüfungserweiterung bekannt gegeben, die mit dem Verdacht einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit begründet wird (§ 4 Abs. 3 Satz 2 BpO 2000).

Die Auswertung der von der Steuerfahndung beschlagnahmten Unterlagen erfolgt dann durch die Betriebsprüfung nach Maßgabe der §§ 193 ff. AO. Die Betriebsprüfung erstellt den Bericht über die steuerlichen Feststellungen. Daran anknüpfend fertigt die Steuerfahndung den Bericht über die strafrechtlichen Feststellungen. Über die Zulässigkeit dieses Vorgehens besteht im Grundsatz kein Streit (Stahl in Vogelsang/Stahl, BP-Handbuch, 2008, S. 450; Rolletschke, DStZ 1999, 444, anders Jesse, DB 2013, 1803). Es handelt sich dabei sogar um den “klassischen” Fall, dass die Außenprüfung Ermittlungen ausschließlich im Zusammenhang mit einer Steuerstraftat durchführt.

Praxishinweis:

Der unangekündigte Besuch eines Außendienstmitarbeiters ist nach der Abgabenordung kein Verwaltungsakt, weil dem Steuerpflichtigen kein bestimmtes Verhalten in Form eines Tun, Duldens oder Unterlassens aufgegeben wird. Zu beachten ist, dass der Steuerpflichtige das Betreten seiner Wohnung nicht dulden muss und den Zutritt verweigern kann und ohne Beisein des Steuerberaters auch sollte. Wird der Zutritt jedoch freiwillig gewährt, kann auch kein schwerwiegender Grundrechtseingriff vorliegen.

*zertifizierter Berater für Steuerstrafrecht (FernUniversität Hagen)