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Onkologie

Von einer letzten Chemotherapie erwarten Patienten und Ärzte im Endstadium einer Krebserkrankung eine Verbesserung der klinischen Situation. Diese Erwartung wird jedoch nur in seltenen Fällen erfüllt. Studiendaten zeigten sogar das Gegenteil auf. Demnach führte eine systemische Therapie am Lebensende häufig zu einer erhöhten Notwendigkeit für eine Akutversorgung, spätere Aufnahmen in ein Hospiz, sowie zu negativen Auswirkungen auf Lebensqualität und Restlebenszeit.

Ziel ist eine frühe palliativmedizinische Versorgung

Seit dem Jahr 2012 plädiert die American Society of Clinical Oncology dafür, die systemische Therapie am Lebensende zu reduzieren und eine frühere Integration der Palliativversorgung zu fördern. Erste Studienergebnisse haben gezeigt, dass neue zielgerichtete Checkpoint-Inhibitoren bei Onkologie-Patienten zunehmend auch am Lebensende eingesetzt werden, obwohl es keine Belege dafür gibt, dass diese Praxis mit besseren Ergebnissen verbunden ist.

Wissenschaftler der Yale School of Medicine in New Haven wollten die aktuelle Therapiesituation am Lebensende onkologischer Patienten weiter untersuchen.

Sie werteten die Angaben einer landesweiten Datenbank der USA aus. Die Akten enthielten Angaben aus 280 Krebszentren von mehr als zwei Millionen Patienten. Die Forscher analysierten, wie sich der Einsatz zytotoxischer Chemotherapien und zielgerichteter Therapien im Rahmen der Krebsbehandlung gegen Ende des Lebens in den Jahren von 2015 bis 2019 entwickeltet.

Im Rahmen der Untersuchung wurden alle systemischen Therapien 30 Tage und 14 Tage vor dem Tod erfasst. Dazu gehörten jegliche Immuntherapien (allein oder in Kombination) und Chemotherapien bei den sechs häufigsten Krebsarten.

Zielgerichtete Therapie ersetzt Chemotherapie am Lebensende?

An der Häufigkeit systemischer Krebstherapien am Lebensende hat sich in den letzten Jahren insgesamt nichts geändert. Eine systemische Behandlung in den letzten 30 Tagen vor ihrem Tod bekamen 2015 und 2019 jeweils 39 Prozent der Patienten, in den letzten 14 Tagen waren es jeweils 17 Prozent.

Allerdings gab es Veränderungen in der Art der systemischen Behandlung. Insgesamt wurde ein Rückgang bei der alleinigen Chemotherapie (26 % im Jahr 2015; 16 % im Jahr 2019) und ein Anstieg bei der Immuntherapie (5 % im Jahr 2015; 18 % im Jahr 2019) verzeichnet. Am auffälligsten waren diese Ergebnisse bei fortgeschrittenem, nichtkleinzelligem Lungenkrebs und Urothelkarzinomen. In diesen Indikationen wurde sogar ein Anstieg der systemischen Anwendungen beobachtet, der mit dem zunehmenden Einsatz von Checkpoint-Inhibitoren einherging. Leichte Rückgänge von systemischen Krebstherapien kurz vor dem Tod gab es bei metastasiertem Brustkrebs, Nierenkrebs und Kolorektalkarzinomen.

Die Zulassung neuer Immuntherapeutika hat die Behandlungsstrategie am Lebensende insofern verändert, dass die Chemotherapie zum Teil durch die Immuntherapie ersetzt wurde. Zu befürchten ist, dass das Ziel einer früheren Integration der Palliativversorgung durch den zunehmenden Einsatz zielgerichteter Therapien am Lebensende verfehlt wird und eine Akutversorgung vermehrt in Anspruch genommen wird.

Quelle: Canavan ME et al. JAMA Oncol Published online October 2022