Allergien: Welche Rolle spielt die Zusammensetzung der Muttermilch?
Dr. Melanie SöchtigWelche Rolle spielt die Ernährung der stillenden Mutter, wenn es um die Entwicklung von Allergien beim Kind geht? Offenbar eine deutlich geringere als bisher angenommen.
Muttermilch ist ein komplexes Gemisch aus vielen verschiedenen Bestandteilen. Je nach Ernährungsweise der Mutter finden sich darunter auch Proteine aus Nahrungsmitteln, die mutmaßlich allergische Symptome bei allergischen Säuglingen auslösen sollen. Diesen Verdacht konnten Forscher jetzt weitgehend aus dem Weg räumen.
„Muttermilch ist die beste Ernährung für Säuglinge“, weiß Prof. Jon Genuneit von der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig. „Stillen ist gut für die Gesundheit von Mutter und Kind.“ Doch viele Mütter würden sich Sorgen machen, dass Proteine aus der eigenen Nahrung in die Muttermilch übergehen und beim gestillten Kind allergische Reaktionen hervorrufen, so Genuneit.
Potenziellen Allergenen in der Muttermilch auf der Spur
Dieser Befürchtung ist Genuneit zusammen mit anderen Wissenschaftlern in einer kürzlich publizierten systematischen Aufarbeitung von 32 Studien nachgegangen. In 14 Studien wurden die Spiegel von Proteinen aus Kuhmilch in der Muttermilch bestimmt. Neun Studien befassten sich mit Eiproteinen, vier mit Erdnussproteinen und zwei mit Weizenproteinen. In drei Studien wurden parallel die Konzentrationen von Kuhmilch- und Eiproteinen gemessen.
Anhand dieser Daten verglichen die Autoren der systematischen Übersichtsarbeit die Spiegel von Proteinen aus Kuhmilch, Ei, Erdnuss und Weizen in der Muttermilch mit den Schwellenwerten aus dem Voluntary Incidental Trace Allergen Labelling (VITAL 3.0) – einem standardisierten Modell zur Bewertung des allergenen Risikos, das in der Lebensmittelindustrie angewandt wird.
Forschende geben Entwarnung
Die Forschenden stellten fest, dass die Konzentrationen aller Lebensmittelproteine in den meisten Studien weit unter der Dosis lag, die bei einem Prozent der Allergiker eine Reaktion hervorruft (ED01). Die Wahrscheinlichkeit, dass Muttermilch nach dem Konsum von Kuhmilch, Ei, Erdnuss oder Weizen bei Säuglingen mit einer entsprechenden Allergie eine IgE-vermittelte Reaktion hervorruft, schätzen die Experten auf ≤1:1000.
So fällt auch das Fazit von Genuneit positiv aus: „Anhand der Daten bewerten wir das Risiko für allergische Reaktionen durch allergene Eiweiße in der Muttermilch als eher gering.“