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Pädiatrie
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Probleme im sozialen Miteinander, Schwierigkeiten mit der Kommunikation und der Sprache sowie stereotype Verhaltensmuster sind die Kernsymptome von Autismus. Dabei gibt es große individuelle Unterschiede, wann und in welcher Ausprägung diese Symptome auftreten. Außerdem können sich die Symptome im Verlauf des Lebens verändern.

Die Ursachen für Autismus sind bislang noch nicht vollständig erforscht. Man geht allerdings davon aus, dass die Gehirnentwicklung bei den Betroffenen bereits im Mutterleib anders verläuft als bei Kindern ohne Autismus.

Genetische und umweltbedingte Faktoren beeinflussen das Risiko

Bei der Entstehung von Autismus-Spektrum-Störungen scheinen neben einer Vielzahl von verschiedenen Genen auch Umweltfaktoren eine entscheidende Rolle zu spielen. Zu den potenziellen Risikofaktoren zählen unter anderem das Alter der Eltern bei der Geburt, bestimmte Ereignisse während der Schwangerschaft (z. B. Infektion mit Rötelviren, Einnahme von bestimmten Medikamenten) und Geburtskomplikationen.

Ob eine Frühgeburt das Risiko für die Entwicklung einer Autismus-Spektrum-Störung erhöht, ist derzeit noch stark umstritten. Auf der Jahrestagung der Society for Maternal-Fetal Medicine (SMFM) hat ein israelisches Forschungsteam jetzt eine neue bevölkerungsbasierte Langzeitstudie vorgestellt, deren Ergebnisse ganz klar gegen einen Zusammenhang zwischen Frühgeburtlichkeit und Autismus sprechen.

Forschende analysierten knapp 140.000 Entbindungen

Die Studienautoren werteten insgesamt 139.859 Entbindungen aus Krankenhäusern und Gemeinschaftskliniken in Israel über einen Zeitraum von 12 Jahren (Jahre 2005-2017) aus. Dabei untersuchten sie mithilfe verschiedener statistischer Methoden, ob Autismus-Spektrum-Störungen abhängig vom Zeitpunkt der Geburt vermehrt vorkommen.

Hierfür verglichen sie die Häufigkeit einer Autismus-Diagnose bei frühen Frühgeburten (vor der 34. Schwangerschaftswoche), mäßigen bis späten Frühgeburten (zwischen der 34. und 37. Schwangerschaftswoche) und Termingeburten (zwischen der 37. und 42. Schwangerschaftswoche).

Autismus-Diagnose war unabhängig vom Geburtstermin

Bei 1,2 % der analysierten Schwangerschaften fand die Entbindung vor der 34. Schwangerschaftswoche statt und bei 4,1 % zwischen der 34. und 37. Schwangerschaftswoche. Alle übrigen Entbindungen waren termingerecht.

Die Häufigkeit einer Autismus-Diagnose betrug 0,4 % bei frühen Frühgeburten, 0,5 % bei mäßigen bis späten Frühgeburten und 0,5 % bei Termingeburten. Die Auswertung deutete darauf hin, dass Frühgeborene im Vergleich zu Kindern, die nach Abschluss der 37. Schwangerschaftswoche geboren wurden, kein signifikant erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Autismus-Spektrum-Störung tragen.

Ursachen von Autismus sind komplex

Im nächsten Schritt bezogen die Studienautoren weitere Faktoren in ihre Auswertung mit ein, die möglicherweise mit dem Auftreten von Autismus zusammenhängen könnten. Doch auch nach Anpassungen an die ethnische Zugehörigkeit sowie das Alter der Mutter, das Geschlecht des Kindes und das Geburtsgewicht zeigte sich kein signifikanter Zusammenhang zwischen Frühgeburtlichkeit und dem Auftreten von Autismus.

„Die genaue Ursache von Autismus ist komplex“, erklärte die Studienleiterin Dr. Sapir Ellouk vom Soroka Medical Center in Be'er Scheva in einer Pressemitteilung der SMFM. „Auf der Grundlage unserer Daten ist es jedoch unwahrscheinlich, dass ein einzelner geburtsbedinger Faktor die Ursache für Autismus-Spektrum-Störungen ist. Eine plausiblere Theorie ist das gleichzeitige Vorhandensein mehrerer Faktoren.“

Weltweit ist 1 von 100 Kindern von Autismus betroffen

Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO leidet global schätzungsweise 1 von 100 Kindern unter einer Autismus-Spektrum-Störung. Zu den Autismus-Spektrum-Störungen zählen unter anderem der frühkindliche Autismus, der auch als Kanner-Syndrom bekannt ist, sowie das Asperger-Syndrom. Eine deutlich seltenere Form ist der atypische Autismus, der in der Regel erst im oder nach dem dritten Lebensjahr festgestellt wird.

Neben den oben genannten Kernsymptomen kann eine Autismus-Spektrum-Störung mit Begleiterkrankungen wie Epilepsie, Depressionen, Angststörungen und Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörungen einhergehen. Außerdem leiden einige Betroffene unter Problemen wie Schlafstörungen oder selbstverletzendem Verhalten. Die intellektuellen Fähigkeiten von Menschen mit Autismus variieren stark und reichen von tiefgreifenden Beeinträchtigungen bis hin zu einem hohen Niveau.