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Urologie

Erdafitinib ist ein Tyrosinkinase-Inhibitor, der an FGFR (Fibroblasten-Wachstumsfaktor-Rezeptoren) bindet. In den USA ist er bereits zur Behandlung von Patienten mit fortgeschrittenem oder metastasiertem Urothelkarzinom zugelassen, bei denen die Standard-Chemotherapie versagt hat.

Cisplatin für die Hälfte aller Patienten ungeeignet

In Deutschland weist die S3-Leitlinie aktuell eine cisplatinbasierte Chemotherapie als Standardbehandlung bei fortgeschrittenem und metastasiertem Urothelkrebs aus. Patienten, die nicht auf diese Therapie ansprechen, können in Deutschland eine Behandlung mit den Checkpoint-Inhibitoren Pembrolizumab oder Atezolizumab erhalten. Ebenso wie Patienten, die für die Chemotherapie nicht geeignet sind. Das sind mehr als die Hälfte aller Patienten. Auf die Behandlung mit den Checkpoint- Inhibitoren sprechen ungefähr 30 Prozent der Patienten an.

In der Phase-3-Studie THOR haben Forscher untersucht, inwieweit Erdafitinib auch bei den Patienten die Überlebenszeit verlängert, die nicht auf eine Therapie mit Checkpoint-Inhibitoren angesprochen haben. Das New England Journal of Medicine hat die Ergebnisse der Studie veröffentlicht.

Blasenkrebs mit FGFR-Veränderungen

Insgesamt haben an der Studie 266 Patienten aus 23 Ländern an 121 Einrichtungen teilgenommen, unter anderem am Universitätsklinikum Frankfurt am Main.

Die Teilnehmer waren an einem metastasierten Urothelkrebs erkrankt, der bei fast allen FGFR-Veränderungen aufwies und trotz Behandlung mit Checkpoint-Inhibitoren mit Anti-PD-1- oder Anti-PD-L1-Wirkstoff fortschritt. Die Forscher verglichen die Überlebenszeit unter Erdafitinib gegenüber einer Chemotherapie.

136 Probanden erhielten für drei Wochen täglich 8 mg Erdafitinib oral und ab dem 14. Tag 9 mg Erdafitinib oral. Die anderen 130 Probanden erhielten eine Chemotherapie mit entweder Docetaxel oder Vinflunin bis zum Auftreten einer Erkrankungsprogression oder inakzeptablen toxischen Nebenwirkungen.

Der primäre Endpunkt dieser Studie war die Gesamtüberlebenszeit, gerechnet vom Zeitpunkt der Randomisierung bis zum Tod. Zu den sekundären Endpunkten zählte unter anderem das progressionsfreie Überleben. Die mittlere Nachbeobachtungszeit betrug in der Erdafitinib-Gruppe 18 Monate und in der Chemotherapie-Gruppe 14,9 Monate.

Die wichtigsten Ergebnisse der Studie:

  • Die Teilnehmer der Erdafitinib-Gruppe überlebten laut den Studienautoren signifikant länger, im Durchschnitt 12,1 Monate gegenüber 7,8 Monaten in der Chemotherapie-Gruppe.
  • Das mittlere progressionfreie Überleben betrug in der Erdafitinib-Gruppe 5,6 Monate und nur 2,7 Monate bei den Patienten, die Chemotherapie erhalten hatten.
  • Neun Patienten sprachen vollständig auf Erdafitinib an und 53 teilweise. Von den Patienten mit Chemotherapie sprach nur einer vollständig auf die Behandlung an und 14 teilweise.
  • Bei fast allen Patienten traten, egal mit was sie behandelt wurden, unerwünschte Ereignisse auf.
  • Bei vier von zehn Patienten, ebenfalls unabhängig von der Therapie, traten unerwünschte Ereignisse Grad 3 und 4 auf.
  • 19 Patienten der Erdafitinib-Gruppe und 20 Patienten der Chemotherapie-Gruppe mussten aufgrund dieser Ereignisse die Behandlung abbrechen.

Bisher ist Erdafitinib in Deutschland nicht zugelassen. Das könnte sich durch die Ergebnisse der THOR-Studie ändern. „Die gewonnenen Daten stützen die Empfehlung für molekulare Tests bei Patientinnen und Patienten mit metastasiertem Urothelkarzinom, um diejenigen mit FGFR-Genmutationen zu identifizieren, die von Erdafitinib profitieren könnten. Damit würde die Präzisionsmedizin Einzug in die Therapie des Urothelkarzinoms halten“, so Prof. Felix Chun, Direktor der Klinik für Urologie des Universitätsklinikums Frankfurt am Main.

 

Quellen:
https://www.nejm.org/doi/10.1056/NEJMoa2308849
https://aktuelles.uni-frankfurt.de/forschung/wirksame-therapieoption-bei-metastasiertem-blasenkarzinom/