Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Praxis

Unabdingbar für den Praxiserfolg und eine gute Patientenversorgung ist, dass alle an einem Strang ziehen. Was haben doch in letzter Zeit alle geschwitzt, waren flexibel, haben versucht neue Anforderungen perfekt umzusetzen. Vermutlich ist nicht immer alles sofort reibungslos gelungen. Wenn es also jemals Bedarf für Mitarbeitergespräche gab, dann jetzt: infolge und inmitten von Krisen- und Umbruchszeiten.

Denn selbst wenn sich der Umgang mit der Pandemie einpendelt oder sie abebbt, stehen Ärztinnen und Ärzten eine Vielzahl weiterer Umbrüche ins Haus – allein schon durch die Digitalisierung des Gesundheitssystems. Von unschätzbarem Wert ist in Zeiten wie diesen eine gute Kommunikationskultur, die eine enge Abstimmung ermöglicht. Im Idealfall werden kleine Themen angesprochen, sobald sie auftauchen. Mitarbeitergespräche dienen dazu, Größeres zu vertiefen.

Wann Sie häufiger sprechen sollten

Ein jährliches Mitarbeitergespräch reicht in dynamischen Situationen nicht. Selbst ein halbjährliches Gespräch wäre knapp kalkuliert. In Situationen mit vielen neuen Herausforderungen ist es hilfreich, quartals- oder auch monatsweise gemeinsam zu reflektieren, was gut läuft und wo Anpassungen erforderlich sind. So sind Sie als Team agiler. Je unklarer eine Situation ist, desto wahrscheinlicher wird es, dass Herausforderungen auch einmal suboptimal bewältigt werden. Ein häufigerer Turnus der Mitarbeitergespräche ermöglicht das Klären grundsätzlicher Ursachen und Verbesserungsmöglichkeiten. So wird verhindert, dass ein schwelender Konflikt das Arbeitsklima belastet. Fehler können schneller ausgemerzt werden, der Praxisbetrieb läuft mit weniger Reibungen. Kleineres Feedback sollte im Alltag möglichst zeitnah erfolgen. So lässt sich auch vermeiden, dass die großen Gespräche allzu sehr von Kritik überladen sind.

Stärkende Fragen stellen

Angestellte und Chef bei einem Mitarbeitergespräch

Foto: istock/demaerre

Traditionelle Jahresgespräche sind maximal aufgeladen, denn sie haben maximale Konsequenzen. Beurteilung, vielleicht eine erhoffte Beförderung samt besserer Bezahlung – kein Wunder, wenn beide Gesprächsteilnehmer angespannt zum Termin eintreffen. Auch der Gedanke, sich nun möglichst perfekt präsentieren zu müssen, erzeugt bei einigen Angestellten Herzklopfen. Zwei häufige Fehler können dann erhebliche und lange Auswirkungen auf die Abläufe in der Praxis haben.

Das Schwierigste für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen ist eine verbale Vernichtungsattacke. Eine Tirade über sämtliche ihrer Unzulänglichkeiten plus gerechtfertigter oder ungerechtfertigter Schuldzuweisungen. Nach einem solchen Ausfall wird das Arbeitsklima von Angst geprägt sein. Nicht selten kommt es zu einer inneren Kündigung der Angestellten. Bestenfalls leisten sie dann noch eine Weile lang Dienst nach Vorschrift, möglicherweise etwas nachlässiger als zuvor.

Wenn Sie als Praxisinhaberin oder -inhaber mehr Leistung wollen, mehr persönlichen Einsatz und Freude an der Arbeit, dann gehen Sie ein Feedbackgespräch anders herum an. Verschieben Sie den Fokus: von der Vergangenheit in die Zukunft. Stellen Sie stärkende Fragen. Zum Beispiel: „Was haben Sie als persönliche Höhepunkte in diesem Quartal erlebt? Was haben Sie und was haben andere dazu beigetragen? Welche Erkenntnisse ziehen Sie daraus?“ Fördern Sie die Selbstreflektion Ihrer Mitarbeitenden, die Wahrnehmung ihrer Selbstwirksamkeit und das Setzen eigener Ziele. Das hilft, eigene Ressourcen zu aktivieren. Wer seine Stärken kennt, traut sich auch mehr zu. Insbesondere bei zurückhaltenden, selbstkritischen Persönlichkeiten lohnt es sich, ihre Erfolge explizit anzusprechen und so das Vertrauen in sich selbst zu stärken. Holen Sie als Chef oder Chefin auch selbst Feedback ein. Waren alle Ansagen für jedermann verständlich? Falls es bisweilen an der Umsetzung von Aufgaben gehapert hat, wie hätten Sie Ihr Team noch mehr befähigen können?

Jeder kann wachsen

Fördern Sie ein Growth Mindset bei Ihren Mitarbeitenden (Dwecks 2006), indem Sie auch Ihre eigenen Lernerfahrungen thematisieren. So stellen Sie klar, dass sich alle Teammitglieder und die Praxis als Ganzes ständig in einem Prozess der Entwicklung befinden – und dass dies genau richtig ist. Schwächen sind nicht unabänderlich und statisch, sondern Ausgangspunkt für Verbesserung. Erzählen Sie von Ihren Aha-Momenten in den letzten Monaten. So leben Sie Selbstreflektion offen vor.

Natürlich macht es einen Unterschied, ob Sie mit angestellten Ärztinnen und Ärzten kommunizieren, mit langjährigen Medizinischen Fachangestellten oder mit noch wenig erfahrenen Neuankömmlingen. Je weniger steil das Erfahrungs- und Wissensgefälle, desto eher wird heutzutage ein Austausch auf Augenhöhe nicht nur erwünscht, sondern auch erwartet. Gute Gespräche sind ein Weg, gutes Personal zu binden. „Dagegen sind das Durchrattern und Abhaken von Checklisten das Gegenteil von Augenhöhe“, betont beispielsweise der Unternehmensberater und Personalmanager Dr. Stefan Döring, der unter anderem auch Krankenhäuser berät.

Konstruktive Kritik erwünscht

Erkenntnisse aus dem letzten Feedback-Gespräch mit dem Chef

“Konnten Sie etwas Konkretes zur Steiegerung der Produktivität mitnehmen?”

30 %   Nein

19 %   Eher Nein

11 %  Ja

Feedback-Gesprächen mangelt es oft an Qualität. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des HR-Software-Anbieters (Human Ressources) Talentsoft. Gemeinsam mit dem Marktforschungsinstitut Appinio hatte die Firma im August 2020 deutschlandweit 501 Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen im Alter von 18 bis 65 Jahren befragt. Auf die Frage, ob sie aus dem letzten Feedback-Gespräch konkrete Erkenntnisse zur Steigerung der Arbeitsproduktivität mitnehmen konnten, antworteten 30 Prozent mit „Nein“, 19 Prozent mit „Eher nein“ und nur 11 Prozent mit „Ja“. Als wesentlichen Grund nannten die Angestellten die schlechte Vorbereitung ihrer Führungskraft.

Die meisten Befragten gaben sich dabei durchaus kritikfähig. 86 Prozent hielten Fairness im Gespräch für wichtig bis sehr wichtig. 72 Prozent wünschten sich jedoch auch konstruktive Kritik und Motivation. Angestellte hegen also in der Mehrzahl nicht die Erwartung, beim Mitarbeitergespräch gebauchpinselt zu werden. Dennoch sollten Leistungen angemessen gewürdigt werden. Ein gerne zitiertes Bonmot in diesem Zusammenhang lautet: „Dienern dankt man, Helden gratuliert man!“

Wenn jemand ganz besonderen Einsatz gezeigt hat, beglückwünschen Sie diese Person zu ihrer hervorragenden Leistung. Loben Sie konkret. Denn eine allgemeine Formulierung wie „Vielen Dank für Ihre tolle Arbeit“ klingt zwar nett, bleibt aber ohne Substanz und verpufft schnell. Greifen Sie stattdessen herausragende Aspekte auf. Zum Beispiel: „Das war klasse, wie Sie mit den ängstlichen Patienten umgegangen sind.“ Heben Sie Fortschritte hervor, bevor Sie Kritik anbringen. So können Sie direkt mit Verbesserungsvorschlägen anschließen.

Auch wenn ein schwieriges Gespräch bevorsteht, steigen Sie mit etwas Positivem ein. Damit signalisieren Sie grundsätzliches Interesse an einem kooperativen, konstruktiven Gesprächsverlauf. Eine kleine Runde Smalltalk, während Sie etwas zu trinken bereitstellen, wärmt die Atmosphäre auf. Geben Sie einen Überblick über den Aufbau des Gesprächs: Erfolge, Verbesserungspotential, Wünsche der Mitarbeitenden und Ihre eigenen Wünsche. Wie lautet das Gesprächsziel?

54 Prozent der Befragten in der Talentsoft-Studie wollten beim Mitarbeitergespräch über Entwicklungschancen sprechen. Gespräche, die diese Aspekte mit einbezogen, wurden als qualitativ hochwertiger empfunden. Prüfen Sie bereits vor dem Gespräch, wie die persönlichen Aspirationen Ihrer Teammitglieder Ihre Praxis weiter voranbringen können. Legen Sie die Praxisziele fest und entwickeln Sie darauf basierend individuelle Zielvorgaben für die Mitarbeitenden. Stellen Sie Vergleichswerte zur Verfügung, um eine Entwicklung und ein Erreichen der Ziele objektiv erkennbar zu machen.

Gespräch zum Gewinn machen

Möchten Sie mehr Eigeninitiative? Häufigere Zwischenfeedbacks? Neue Aufgaben übertragen? In letzterem Fall kann sich der Kern des Gesprächs darum drehen, an welcher Stelle die Mitarbeitende entlastet werden kann und auf welche Weise. Wichtig ist, dass beide Seiten einen echten Gewinn aus dem Gespräch ziehen.

  • Floskeln lassen Gespräche zur Formsache verkommen. Bleiben Sie konkret.
  • Führen Sie große Gespräche lieber nicht am hektischen Jahresende, sondern möglichst in ruhigeren Zeiten. Bei Stress sperren sich Menschen schneller gegen neue Herausforderungen.

Ein freundlicher Abschluss setzt den Ton für die kommende Zeit. Doch in turbulenten Phasen kann ein Gespräch konfliktbeladen sein. Wie Sie dieses navigieren, lesen Sie im zweiten Teil dieser Fortbildung.

Grafik Gründe für regelmäßige Mitarbeitergespräche

 

Die richtigen Worte bei dicker Luft im Team

Feedback zu geben oder auch anzunehmen ist ohnehin eine Kunst. Kommt dann auch noch aufgestauter Frust hinzu, kann die Situation eskalieren. So stärken Sie Lösungsorientierung und Zusammenhalt im Team.

Auch wenn Sie den Eindruck haben, sich in den vergangenen Monaten intensiver denn je mit Ihrem Team ausgetauscht zu haben: Bei einem hektischen Alltag ist es wahrscheinlich, dass manches unausgesprochen blieb. Hinzu kommt: Wenn Situationen neu, schwierig oder ungewohnt sind, kochen leicht die Emotionen hoch. Denn zur Unsicherheit aller Beteiligten gesellen sich unabgestimmte Handlungen und nicht ausgereifte Prozesse. Werden daraus entstehende Probleme über eine längere Zeit nicht angesprochen oder die damit einhergehenden Emotionen unterdrückt, können sie innerlich gären.

Das Mitarbeitergespräch kann dann plötzlich deutlich explosiver ausfallen als geahnt. Da wir uns gesamtgesellschaftlich und vor allem im Gesundheitssystem in bewegten Zeiten befinden und vielfach mit Unsicherheiten zu kämpfen haben, ist Fingerspitzengefühl beim Feedback nun essentiell. Dieses braucht jedoch eine Basis, um zu gelingen: nämlich Vertrauen.

Vertrauen als Basis guter Kritik

Vertrauensaufbau ist eine permanente Übung. Sie beginnt im besten Fall schon beim Einstellungsgespräch. Mitarbeitende sollten sich möglichst von Anfang an als Mitmachende begreifen. Denn eine aktive Rolle geht mit dem Bewusstsein für Verantwortung einher. Wenn Mitarbeitende in bestimmte Prozesse und Entscheidungsfindungen eingebunden werden, steigt bei ihnen als mitgestaltender Teil des Teams die Identifikation. Diese Wir-Mentalität schafft einen guten Rahmen für ein gelungenes Mitarbeitergespräch. Sie setzt entscheidende Weichen, denn die angestellte Person sieht sich vor diesem Hintergrund nicht irgendwie im Kampf „Ich gegen den Boss“, sondern als wichtiger und gewertschätzter Teil des Praxiserfolgs.

Nutzen Sie Mitarbeitergespräche, um Ihre Angestellten noch besser kennenzulernen. Erfragen Sie die allgemeine Zufriedenheit: mit dem Arbeitsplatz, mit den zugewiesenen Aufgaben, mit der Praxis insgesamt. Wie ist das Verhältnis zu den Kolleginnen und Kollegen? Erfassen Sie, in welcher Rolle sich Ihre Mitarbeitende sieht. Erörtern Sie ihre persönlichen Fähigkeiten und Stärken. Wo sehen Sie noch Potenzial? Das Mitarbeitergespräch ist nicht dazu da, um endlich richtig Dampf abzulassen. Jedoch sollte Kritik auch nicht zahnlos weichgespült werden. Bleiben Sie klar in Ihrer Botschaft. Werfen Sie gemeinsam einen Blick auf die Kompetenzen – auf die fachlich-methodischen, aber auch auf die Teamfähigkeit und Flexibilität in neuen Situationen. Wie steht es um die Patientenorientierung in stressigen Phasen? Was kann dazu beitragen, dass Mitarbeitende noch mehr Ruhe bewahren?

Die Mitarbeitenden sehen

Rekapitulieren Sie die Zeit seit dem letzten Gespräch. Haben Sie Stärken zur Kenntnis genommen, gerade auch in herausfordernden Situationen? Wenn sich Mitarbeitende mit ihrem Einsatz gesehen fühlen, stärkt dies die Bindung. Welche Förder- und Entwicklungsmaßnahmen haben seit dem letzten Gespräch stattgefunden, mit welchem Ergebnis? Wurden damals vereinbarte Ziele erreicht und übertragene Aufgaben zu Ihrer Zufriedenheit erfüllt?

Möglicherweise müssen einige der zuletzt gesteckten Ziele rekalibriert werden. In dynamischen Zeiten wie diesen ist das kein Versagen, sondern eine Anpassungsleistung. Wenn Sie Ziele vereinbaren, achten Sie auf die sogenannte SMART-Regel. Ziele sollten spezifisch, messbar, attraktiv, realistisch und terminierbar sein. Versuchen Sie nicht, Mitarbeitende zu einem Ziel zu überreden, mit dem sie persönlich nichts anfangen können und keine Zuneigung empfinden. Eine halbherzige Pflichterfüllung mit mickrigem Ergebnis wäre beinahe vorprogrammiert.

Grafik Stärken Mitarbeiter

Lernende Teams wachsen ständig

Formulieren Sie Kritik immer auch als Hilfestellung. Wie hätte eine bestimmte Handlung oder Situation besser funktioniert? Geben Sie bei jedem Kritikpunkt Raum, damit sich Ihr Gegenüber dazu äußern kann. Eine rasche Auflistung aller Verfehlungen hinterlässt nur den Eindruck allgemeiner Unzufriedenheit, ohne dass Ihr Gegenüber weiß, was Sie denn nun genau wünschen. Wählen Sie lieber die wichtigsten Punkte aus und vertiefen Sie diese. Geben Sie Ihren Angestellten die Chance, die eigene Sicht der Dinge zu schildern. Ein Mitarbeitergespräch ist per se als Dialog angelegt. Haken Sie freundlich nach, um herauszufinden, ob Ihre Kritik vollumfänglich verstanden wurde oder ob noch Unklarheiten bestehen. Lernbereite Mitarbeitende sind für die Praxis ein weit größerer Gewinn als eine hohe Personalfluktuation. Denn einmal gemachte und ausreichend reflektierte Fehler fließen in eine Lernmatrix ein, die sich zunächst allmählich, dann aber immer deutlicher bemerkbar macht. Gestandenes Personal, das mit Ihnen schon durch dick und dünn gegangen ist, kann Situationen schneller und akkurater einschätzen. Ihr Erfahrungsschatz ist ein Reichtum an vernetztem Wissen, Mustererkennung und Strategien. Deshalb lohnt es sich auch, gelegentlich Konflikte auszuhalten und gemeinsam zu bewältigen. Aus menschlicher, fachlicher und aus wirtschaftlicher Sicht.

Überreaktionen verstehen

Bevor Sie heikle Themen ansprechen, üben Sie den Perspektivwechsel. Wie würden Sie auf bestimmte Formulierungen reagieren? Scharfe rhetorische Fragen („Meinen Sie, das ist hier ein Kindergarten?“) oder verallgemeinerte Unterstellungen („Immer hängen Sie hinterher“) schaffen Distanz. Reagiert eine Mitarbeitende jedoch auch auf sachlich vorgetragene Anliegen und konstruktive Kritik emotional, ist etwas anderes im Busch. Fragen Sie in diesem Fall solange nach, bis Sie ihre Perspektive und ihre persönliche Problemstellung nachvollziehen können. Zu den Menschen, die am meisten unter Fehlern leiden und sich dafür schämen, gehören Perfektionisten. Jüngere Generationen neigen verstärkt dazu, sich unzulänglich zu fühlen (Smith et al 2019). Damit Versagensängste nicht zu Hysterie oder Lähmung führen, fördern Sie die Akzeptanz der eigenen Menschlichkeit. So können Sie etwa in beruhigendem Ton sagen: „Auch, wenn das wirklich Mist war, sind Sie weiterhin ein wichtiger Teil unseres Teams.“

Ernsthaftigkeit klarstellen

Zorniger Smiley

Zorn hängt oft mit der Zuweisung von Schuld und der Verneinung von Verantwortung zusammen. Gemeinsam Lösungen suchen schafft ein positiveres Klima. Foto: peterschreiber.media – stock.adobe.com

Sinn und Zweck eines Feedbackgesprächs ist es, die Zusammenarbeit zu erleichtern und noch effizienter, effektiver und angenehmer zu gestalten. Ermutigen Sie deshalb zurückhaltende Mitarbeitende, objektive Hürden bei den Praxisläufen anzusprechen. Denn unter Umständen erfahren Sie nur auf diese Weise davon.

Schwächen Sie trotz aller Menschlichkeit ihre Kritik nicht zu sehr ab. Wenn Chefs „nur eine klitzekleine Kleinigkeit“ ansprechen, obwohl diese viel Ärger verursacht hat, erkennen die Mitarbeitenden möglicherweise nicht die Ernsthaftigkeit des Problems. Machen Sie sie auf ihre konkrete Verantwortung in diesem Fall aufmerksam und eruieren Sie, ob die Person diesbezüglich Unterstützung benötigt.

Es gibt Charaktere, die auf eine solche Ansprache zornig reagieren. Dazu gehören Mitarbeitende, die sich nicht richtig gesehen und missverstanden fühlen. Mitunter kann das begründet sein. Bestimmte Persönlichkeitsstrukturen nehmen die Welt jedoch durch einen Filter wahr, wodurch sie sich quasi ständig angegriffen und betrogen fühlen. Die Welt ist aus ihrer Sicht ein feindseliger Ort, bei Kränkungen können sie jahrelang nachtragend sein. Gleichzeitig neigen sie dazu, Verantwortung von sich zu schieben und eine Opfer-Rolle einzunehmen. Ob eine Zusammenarbeit dauerhaft gelingen kann, hängt von der Ausprägung dieser Struktur ab.

Kollegiale konstruktive Kritik

nachdenkliche Frau

Ein stetig fließender, transparenter Austausch beugt Ansammlungen von Ressentiments im Team vor und ermöglicht es, bei Mitarbeitergesprächen schneller zur Sache zu kommen und das Wesentliche offen zu besprechen. Foto: contrastwerkstatt – stock.adobe.com

In leichteren Fällen können Sie einen Trend aus der Startup-Szene ausprobieren: das agile Mitarbeitergespräch. Dabei besprechen die Mitarbeitenden unter sich ihre Ziele und reflektieren gemeinsam ihre jeweilige Verantwortung in der Praxis. So können sich Angestellte schlecht auf den Posten zurückziehen, der „böse Chef sei gegen sie“. Stellen Sie vorab im Team klar, dass diese Gespräche konstruktiv und zukunftsgerichtet zu führen sind. Ohne den Druck, vor dem Chef perfekte Antworten liefern zu müssen, kann die Gruppe gemeinsam visionieren: Wo möchten wir zusammen hin, wie lässt sich dieses Ziel erreichen? Thema kann auch sein: Wie reden wir miteinander? Wie können wir besser miteinander kommunizieren?

Egal, in welchem Rahmen die Gespräche stattfinden, schaffen Sie damit Ausblicke, Berufsstolz, Wir-Gefühl. Signalisieren Sie, dass Sie die Inhalte ernst nehmen, dann wird auch Ihr Gegenüber eher dazu geneigt sein. Protokollieren Sie gemeinsame Erkenntnisse und schaffen Sie Verbindlichkeit für die weitere Zusammenarbeit.

Deborah Weinbuch