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Praxis

Während sich viele Ärztinnen und Ärzte noch über die Einführung des Terminservice- und Versorgungsgesetzes ärgern, bastelt Gesundheitsminister Jens Spahn schon emsig an neuen Gesetzesentwürfen. Einer sorgte bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung
(KBV), der Bundesärztekammer (BÄK) und der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) prompt für neue Aufregung. Denn das Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken ist ein Affront für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte.

Apotheken als neue Impfzentren

Laut dem Gesetzentwurf, den Jens Spahn im April 2019 vorlegte, sollen die ortsnahen Apotheken gezielt gefördert und die Befugnisse der Apotheker erweitert werden. Im Referentenentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit heißt es: „Um die Impfquote gegen die saisonale Grippe zu erhöhen, wird in § 132i SGB V die Möglichkeit der Durchführung von regionalen Modellvorhaben geschaffen, die die
Durchführung von Grippeschutzimpfungen zum Gegenstand haben. In diesem Zusammenhang erfolgt eine Änderung im Infektionsschutzgesetz.“

Praktisch soll das so aussehen: Apotheker erhalten eine medizinische Schulung, um bei Grippeimpfungen die Qualität gewährleisten
sowie auf Impfkomplikationen reagieren zu können. Zudem müssen Räume für Impfungen in den Apotheken geschaffen werden. Vorgegeben ist, dass die Verträge dieser Modellprojekte auf maximal fünf Jahre befristet sind und wissenschaftlich evaluiert werden.

KBV, BÄK und AkdÄ lehnen diese Neuregelung vehement ab. Denn die Durchführung einer Impfung sei nicht ohne Grund eine originär ärztliche Aufgabe. Die Impfung beinhalte nicht nur die Injektion an sich, sondern umfasst zusätzlich die Impfanamnese, die Aufklärung zur Impfung, den Ausschluss von akuten Erkrankungen und Kontraindikationen sowie bei bestehenden Erkrankungen die Bewertung, ob eine Impfung durchgeführt werden kann. Grippeschutzimpfungen in Apotheken seien potenziell gefährlich. Zudem entstanden Engpässe bei der Grippeschutzimpfung bisher nicht durch Arztmangel, sondern vor allem wegen Lieferengpässen des Grippeimpfstoffs.

Aufreger Wiederholungsrezepte

Der Gesundheitsminister möchte das SGB V mit dem neuen Absatz 1b in § 31 ergänzen. Damit soll ermöglicht werden, dass chronisch Kranke mit einer Verschreibung eine wiederholte Arzneimittelabgabe erhalten. Auch diese Neuregelung möchten KBV, BÄK und AkdÄ streichen. Denn mit so einem Wiederholungsrezept könnten sich Patienten insgesamt vier Abgaben von Arzneimitteln in Apotheken holen – mit der Folge, dass sie ein Jahr nicht bei ihrem Arzt vorstellig werden müssen. Dabei sollte gerade die Versorgung von Menschen mit chronischen Erkrankungen engmaschig überwacht werden. Viele Patienten schätzen auch ihr Risiko falsch ein, was die Sicherheit der Arzneimitteltherapie gefährden kann.

Richtig zu Ende gedacht ist die Idee des Wiederholungsrezeptes nicht. Denn um die Patientensicherheit zu garantieren, müsste künftig in der Apotheke jedes Mal bei der Abgabe eine Anamnese erhoben werden, ob inzwischen Umstände eingetreten sind, die eine Medikationsänderung erforderlich machen. Ob Patienten oder gar Familienangehörige, die die Medikamente in der Apotheke abholen, alle medizinisch notwendigen Daten kennen, ist jedoch fraglich. Zudem kann ein Wiederholungsrezept in vier unterschiedlichen Apotheken eingelöst werden, daher würde eine Fehl- oder Übermedikation kaum auffallen.

Apotheker erhalten Honorar für ärztliche Leistungen

Um die Apotheken in Zukunft zu stärken, plant Jens Spahn zusätzliche pharmazeutische Dienstleistungen zu honorieren. Dazu sollen Medikationsanalyse und -management, die Betreuung besonderer Patientengruppen, die Gesundheitsberatung und die Erfassung definierter Gesundheitsparameter wie Blutdruck oder Blutzucker zählen. Es dürfte keine große Überraschung sein, dass KBV, BÄK und AkdÄ auch von diesem Vorhaben nichts halten.

„Die Mehrzahl der Aufgaben im Rahmen der Medikationsanalyse und des Medikationsmanagements setzt ärztliche Expertise voraus, über die der Apotheker nicht verfügt. … Auch hat er keine Kenntnisse über klinische oder laborchemische Befunde“, heißt es in einer Stellungnahme der KBV. Diese Neuerung führe eher zu einer Verunsicherung der Patienten und generiere die Problematik der Doppelhonorierung von Leistungen durch die gesetzlichen Krankenkassen.

Rückendeckung erhalten hier die Ärzte auch von den Krankenkassen. So erklärte der AOK-Bundesverband, dass das Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheke zwar das richtige Ziel verfolge, dafür aber falsche Wege gehe. Der Verband lehne es strikt ab, für pharmazeutischeDienstleistungen 150 Millionen Euro pro Jahr durch die Apothekerschaft zentral zu verteilen. Zusammenfassend kann man sagen: Auch wenn die Vertreter der Ärzteschaft prinzipiell dem Ziel zustimmen, dass die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln gewährleistet sein muss, sehen sie die geplanten Maßnahmen als vollkommen ungeeignet. Sie lehnen all diese Neuerungen des Referentenentwurfs ab.

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