Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Praxisführung

Verunsicherte Patienten. Kosten- und Zeitdruck. Ständiger Personalmangel. Und dann auch noch die Pandemie. Wer dieser Tage im Gesundheitswesen arbeitet, muss robust sein – auch im Kopf.

Doch nicht jeder hält dem Druck unbeschadet stand. So kommt etwa eine prospektive Onlinebefragung der Uniklinik Erlangen von mehr als 8.000 Teilnehmern zum Ergebnis, dass während der Corona-Pandemie mehr als 17 Prozent des medizinischen Personals in Deutschland unter psychosozialen Problemen litten. Auch vorher gab es schon Anzeichen für diesen Trend: Die Zahl der Krankmeldungen wegen psychischer Leiden hat sich in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt.

Diese Entwicklung nur der immer komplexeren Arbeitswelt anzulasten, wäre zwar zu einfach. Unbestritten ist jedoch, dass ein stressreiches Arbeitsumfeld die Psyche belasten und krank machen kann.

Jeder Arbeitgeber ist in der Pflicht

Das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) verpflichtet daher Praxischefs dazu, die Gefahren zu identifizieren, denen Beschäftigte bei der Arbeit ausgesetzt sind, und geeignete Schutzmaßnahmen zu treffen. Ob es sich dabei um eine Ein-Mann-Praxis oder ein Groß-MVZ (Medizinisches Versorgungszentrum) handelt, ist egal. In die Bewertung müssen zudem nicht nur die klassischen Unfallgefahren einfließen. Seit 2013 umfasst die Gefährdungsbeurteilung auch Risiken für die psychische Gesundheit.

Mit System und gesundem Menschenverstand

Klare Handlungsanweisungen sucht man im Gesetz zwar vergebens. Dennoch gibt es Faktoren, die Praxischefs stets zu berücksichtigen haben. Wie sehen die Arbeitszeiten im Team aus? Haben die Beschäftigten Handlungsspielräume oder agieren sie streng nach Vorschrift? Wie ist das Verhältnis zu Kollegen und Vorgesetzten? Wie die Interaktion mit Patienten?

Nur wer die Antworten auf diese Fragen kennt, kann abschätzen, ob das Arbeitsumfeld psychologisch bedenklich ist, und wenn nötig erfolgreich gegensteuern. Eine gut gemachte (psychische) Gefährdungsbeurteilung ist daher stets mit einem gewissen Aufwand verbunden (s. Ablaufplanung im Kasten).

Abflaufplanung
  1. Tätigkeiten/Arbeitsbereiche definieren: Entscheidend sind die Risiken an einem Arbeitsplatz, nicht das Befinden einzelner Arbeitnehmer.
  2. Ermittlung der Belastung an den jeweiligen Arbeitsplätzen.
  3. Bewertung der Ergebnisse, zum Beispiel mithilfe von Workshops.
  4. Entwicklung und Umsetzung von Gegenmaßnahmen.
  5. Wirksamkeitskontrolle (regelmäßige Nachfragen/Überprüfungen).
  6. Aktualisierung bei Bedarf (s. Punkt 5).
  7. Dokumentation des Ablaufs.

Der erste Schritt ist meist eine mehr oder minder ausführliche Mitarbeiterbefragung, gefolgt von der Auswertung der Fragebögen. Der nächste Schritt ist es, die Ergebnisse umzusetzen – und mit den Beschäftigten zusammen Lösungen für die gefundenen Probleme zu erarbeiten.

Keine halben Sachen

Hier sollten Praxischefs nichts dem Zufall überlassen. Wer erst mit großer Geste Probleme aufdeckt, dann aber weitermachen lässt wie bisher, darf sich nicht wundern, wenn Mitarbeiter frustriert reagieren.

Umgekehrt braucht es aber auch keinen übertriebenen Aktionismus, um positive Effekte zu erzielen. Vielfach reichen schon veränderte Telefonsprechzeiten oder die Einführung der Online-Terminvergabe, um Stressspitzen erfolgreich abzubauen. Das Ziel muss dabei stets sein, das Betriebsklima zu verbessern, Fehlzeiten zu reduzieren und insgesamt für mehr Produktivität zu sorgen. Eine ausführliche Dokumentation hilft, die Effekte nachzuhalten.