Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Praxisführung

Nach einem Jahr Corona-Pandemie ist die Zufriedenheit mit dem deutschen Gesundheitssystem um 20 Prozent gestiegen. Der herausfordernden Lage zum Trotz waren im Dezember 72 Prozent der Bundesbürgerinnen und -bürger der Meinung, das deutsche Gesundheitssystem gehöre zu den besten drei Gesundheitssystemen der Welt. Noch ein Jahr zuvor waren nur 52 Prozent dieser Meinung gewesen. Grundlage dieses Stimmungsbilds ist die jährliche Befragung von 1.000 Über-18-Jährigen durch die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC. Der Imagegewinn erstreckte sich über weite Teile des Gesundheitswesens. Selbst die zuvor häufig skeptisch beäugte Pharma-industrie wurde Ende 2020 deutlich positiver wahrgenommen, wie das Healthcare Barometer 2021 zeigt.

Gr4afik Healthcare Barometer 2021

Patienten haben mehr Verständnis

Ein Vertrauensschub zeigte sich auch bei den ärztlichen Leistungen. Der Anteil jener Patienten, die mit dem ambulanten Bereich zufrieden sind, stieg von 35 Prozent im Jahr 2019 auf 41 Prozent im Jahr 2020. Hauptkritikpunkt war – wie auch in den Jahren zuvor – die eingeschränkte Zeit, die Ärztinnen und Ärzte für einzelne Patienten aufbringen. Allerdings gab es im Pandemiejahr auch mehr Verständnis für diesen Umstand. Während 2018 und 2019 jeweils 40 Prozent den Zeitmangel moniert hatten, war dieser Anteil im Jahr 2020 auf 34 Prozent gesunken. 22 Prozent gaben an, die Öffnungszeiten entsprächen nicht ihren Bedürfnissen. Die Berufstätigen zeigten sich noch etwas unzufriedener. Von ihnen bemängelte jeder Dritte die Praxisöffnungszeiten.

Auch die Krankenhäuser konnten ihr Ansehen steigern. Mittlerweile schätzen drei Viertel der Deutschen die Versorgung dort als gut ein. In den Vorjahren war nur die Hälfte der Befragten so zufrieden gewesen. Ob es der mediale Vergleich mit anderen Ländern war, der diese Wahrnehmungsänderung vorantrieb? Jedenfalls wird die hierzulande gut aufgestellte Intensivmedizin besonders geschätzt.

Bei der Wahl der passenden Klinik gab die Hälfte an, zuerst den Hausarzt oder die Hausärztin um Rat zu fragen. Klinik-Homepages im Internet spielten nur für die Unter-35-Jährigen eine entscheidende Rolle als Informationsgeber. Bewertungsportale sind für 34 Prozent der Jüngeren ausschlaggebend, jedoch nur für 25 Prozent der Über-55-Jährigen.

Pharma und Kassen überzeugten

Der wohl deutlichste Imagegewinn ereignete sich für die Pharmabranche. Noch im Vorjahr waren 68 Prozent der Befragten der Meinung, Pharmaunternehmen seien primär auf Gewinnmaximierung ausgerichtet. Ende 2020 sahen dies nur noch 52 Prozent so. Im Zuge der Impfstoffentwicklung stieg der Anteil derjenigen, die Pharmakonzerne primär als Innovatoren wahrnehmen, von 19 auf 35 Prozent. 64 Prozent äußerten die Erwartung, die Hersteller sollten neuartige pharmazeutische Produkte erforschen, um Patienten mehr Chancen auf Heilung zu ermöglichen. Diesem Wunsch kommt die Rolle Deutschlands bei der Impfstoffentwicklung als eines der führenden Länder in diesem Bereich entgegen.

Auch die Krankenkassen haben in der öffentlichen Wahrnehmung einen guten Job gemacht. Ob gesetzlich oder privat versichert: 50 Prozent der Befragten zeigten sich mit ihrer Krankenkasse zufrieden, 38 Prozent sogar sehr zufrieden. Neun Prozent waren leicht unzufrieden und nur drei Prozent waren aktuell gar nicht glücklich mit ihrer Krankenkasse. Neun von zehn Versicherten und damit mehr als in den Vorjahren gaben zudem an, alle für eine gute medizinische Versorgung notwendigen Leistungen von ihrer Krankenkasse erhalten zu haben. Insgesamt waren dennoch die privat Versicherten noch ein bisschen zufriedener als die gesetzlich Versicherten (93 gegenüber 87 %).

Ein langer Atem wird nötig sein

Große Hoffnungen liegen auf den Corona-Schutzimpfungen. Echte Impfgegner sind in Deutschland in der Minderheit. 80 Prozent gaben an, sich grundsätzlich gegen SARS-CoV-2 impfen lassen zu wollen. Doch nur 35 Prozent wollten dabei so schnell wie möglich an der Reihe sein. 45 Prozent gaben an, erst einmal abwarten zu wollen, ob die neuen Impfstoffe Nebenwirkungen zeigen. Insgesamt rund 60 Prozent waren mit der derzeitigen Strategie der Regierung einverstanden, Ältere mit erhöhtem Risiko für einen schweren Verlauf sowie Menschen mit systemrelevanten Berufen zuerst zu impfen.

Gleichzeitig ist 62 Prozent der Befragten klar, dass sich damit nicht sofort alle Einschränkungen aufheben lassen. Sie rechnen mit einem langen Weg zurück in die Normalität. Nur vier Prozent der Bürger glauben, dass schon Mitte 2021 die Zügel wieder lockergelassen werden. 21 Prozent sehen das Ende 2021 als Wendepunkt, 17 Prozent gehen von einem Pandemie-Ende im Jahr 2022 aus.

Prävention gewünscht

Der Gesundheitsschutz müsse vor wirtschaftlichem Wohlstand stehen, fanden zwei Drittel der Befragten. Allerdings war die Zustimmung zu dieser Aussage unter den Älteren höher als bei den Jüngeren, die wirtschaftliche Einbußen teils stärker zu spüren bekommen. Dass der Schutz des Lebens und der Gesundheit 2020 in den Mittelpunkt des öffentlichen Bewusstseins rückte, zeigt sich auch in den Wünschen der Bevölkerung. Viele haben erkannt, dass chronische Erkrankungen auch für akute Verläufe eine wichtige Rolle spielen. Damit wächst der Wille, die Entstehung dieser Krankheiten zu vermeiden. So sollten von einem etwaigen zusätzlichen Budget für die Versorgung 55 Prozent in die Vorsorge fließen, 45 Prozent in die Heilung, meinen die Befragten. Dies würde eine starke Veränderung im derzeit hauptsächlich kurativen System bedeuten.

Mehr Bewusstsein und Erkenntnis

In der Pandemie stehen sämtliche Bereiche des Gesundheitswesens im Fokus. In der Öffentlichkeit werden dessen Schwächen und Probleme heiß diskutiert. Auch wenn Positionen teilweise stark auseinanderdriften: Das gestiegene Bewusstsein der Bevölkerung für das hierzulande Geleistete führte 2020 zu einer neuen Wertschätzung. Obgleich Schwächen wie etwa der Pflegekräftemangel sichtbar wurden, erkennt ein Großteil der Bürger, wie glimpflich wir im internationalen Vergleich bislang durch die Krise gekommen sind.

Verteilung des Impfstoffs
Jüngere würden Vorerkrankungen stärker priorisieren
Von den 18- bis 34-Jährigen würden 60Prozent Menschen mit Vorerkrankungen ungeachtet des Alters die höchste Priorität zusprechen. 53 Prozent der Jungen würden den Impfstoff zuerst an Ältere verteilen. In der Altersgruppe 35-54 Jahre setzt die Mehrheit (68%) ältere Menschen an die erste Stelle. Die Altersgruppe der Über-55-Jährigen würde allerdings zuerst die systemrelevanten Berufe priorisieren (72 %).

Autorin: Deborah Weinbuch