Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Praxisführung

Der aktuelle Barmer GEK-Arzneimittelreport hat es in sich: In den nächsten fünf Jahren ließe sich der neuesten Schätzung zufolge durch eine konsequente Verschreibung von sogenannten Biosimilars, also Nachahmerprodukten, eine halbe Milliarde Euro an Ausgaben verhindern. Bei einer Therapie mit biotechnologisch hergestellten Arzneimitteln sollten Biosimilars verstärkt angewendet werden, zumal die Versorgungsqualität nachweislich nicht darunter leidet, fordert deshalb der Vorstandsvorsitzende der Barmer GEK, Dr. Christoph Straub. Die Aufgabe der Ärzte sei es, medizinisch richtig, aber eben auch wirtschaftlich sinnvoll zu verordnen.

Arzt soll immer erst an den Patienten denken

Das ist allerdings nicht unbedingt im Sinne des Patienten. Die erwarten von ihrem Arzt nämlich, dass er vor allem an ihre Genesung und erst dann an die dazugehörigen Kosten denkt. Mehr als zwei Drittel der Menschen in Deutschland erwarten, dass ihnen ihr Arzt bei einer Erkrankung das für sie beste Medikament verordnet und nicht zuallererst das billigste. Das hat eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts INSA im Auftrag des BPI ergeben. Nur jeder vierte Befragte (24 Prozent) erwartet danach, dass der Arzt den Preis und den Nutzen eines Medikaments gegeneinander abwägt, bevor er ein Rezept ausstellt. Lediglich vier Prozent der Menschen finden es richtig, dass der Behandler für eine notwendige Therapie nach dem billigsten Medikament suchen sollte.

Biotechnologisch hergestellte Arzneimittel

Dem Arzneimittel-Report zufolge ist zwischen den Jahren 2010 und 2015 der Anteil der Barmer-Versicherten, die ein biotechnologisch hergestelltes Arzneimittel erhalten haben, im ambulanten Sektor von 3,1 auf vier Prozent gestiegen. Im selben Zeitraum sind die Ausgaben für diese Arzneimittel um mehr als 40 Prozent gewachsen und machen inzwischen 1,2 Milliarden Euro aus. Biotechnologisch hergestellte Arzneimittel verursachen damit 21,3 Prozent der gesamten Arzneimittelkosten der Barmer GEK (5,7 Milliarden Euro).

Ein Biosimilar ist im Schnitt etwa 25 Prozent günstiger als das Originalpräparat, also das entsprechende Referenzbiologikum. Einige der umsatzstärksten biotechnologisch hergestellten Medikamente haben kürzlich ihren Patentschutz verloren beziehungsweise werden diesen in Kürze verlieren. Es ist abzusehen, dass mehr Biosimilars auf den Markt drängen werden. Eine Wettbewerbssituation, in der die behandelnden Ärzte zwischen zwei oder mehreren therapeutisch gleichwertigen, aber unterschiedlich teuren Alternativen wählen können.

Große regionale Unterschiede

Die Ärzte wollen aber nicht. Ob ein Patient ein Biosimilar erhält, hängt nicht unwesentlich davon ab, wo er wohnt. Denn die Biosimilarquoten differieren je nach Kassenärztlicher Vereinigung um fast 100 Prozent. Während die Ärztinnen und Ärzte in Bremen in 54,2 Prozent der Fälle Biosimilars verordnen, sind es im Saarland nur 27,4 Prozent. Wenn man die einzelnen Präparate betrachtet, unterscheiden sich die Verschreibungsquoten sogar um das bis zu 19-Fache. Mecklenburg-Vorpommern weist gar eine „Null-Quote“ für ein Biosimilar aus. Medizinisch lassen sich diese enormen regionalen Differenzen bei den Verordnungsquoten jedenfalls nicht erklären.

Gut so, meint der BPI-Vorsitzende Dr. Martin Zentgraf: “Bei allem gebotenen wirtschaftlichen Verhalten sollten Ärzte zuallererst nach dem Wohl des Patienten entscheiden können und nicht nach Kostenschema F seiner Krankenkasse.” Er kritisiert die Forderung des GKV-Spitzenverbandes, die Substitutionspflicht auszuweiten: “Zu Recht gilt aber für Biosimilars aus Gründen der Arzneimittelsicherheit nicht die vollumfängliche Austauschbarkeit nach der sogenannten ‘Aut-idem-Regelung’. Mit einem solchen Vorstoß werden Mediziner verunsichert.”

Ärzte sind verunsichert

Verunsichert sind viele Ärzte ohnehin schon, wenn sie innovative Medikamente verschreiben wollen, denn sie fürchten Regressforderungen. Mit Blick auf die aktuell von der GKV angeheizte Preisdebatte und die Regulierungsvorschläge sagt Zentgraf: “Die Ärzte brauchen keine rein ökonomisch motivierte Verordnungssteuerung sondern eher objektive Informationen. Alles andere würde sie in der Berufsausübung einschränken und die Versorgung der Patienten verschlechtern. Sparmedizin führt nämlich nicht automatisch zur Genesung des Gesundheitssystems und schon gar nicht zu einer besseren Patientenversorgung.”

Die Generikaquote im GKV-Markt liegt heute schon bei über 70 Prozent. Dem stehen die Ergebnisse der BPI-Umfrage gegenüber, in der sich nur rund vier Prozent der Befragten dafür aussprechen, zuerst nach dem billigsten Medikament gegen ihr Leiden zu suchen, in der besonders betroffenen Altersgruppe der über 65-Jährigen sind es sogar unter zwei Prozent.

Die detaillierten Ergebnisse der bundesweiten INSA-Umfrage zur Medikamentenverordnung inklusive der Aufsplittung der Ergebnisse nach Bundesländern finden Sie hier: www.bpi.de.