Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Praxis

Der militärische Konflikt in der Ukraine hat Hunderttausende Menschen in die Flucht getrieben. Viele kommen nach Deutschland. Die medizinische Versorgung von Flüchtlingen erfolgt bei uns nun vorübergehend nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Die zuständigen Ämter der Kommunen stellen dazu Behandlungsscheine aus, mit denen die Menschen einen Arzt aufsuchen können. Das teilte die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) am Dienstag in ihren Praxisnachrichten mit.

Bund und Länder wollen die Krankenversorgung von Geflüchteten gemäß einer gemeinsamen Erklärung schnell und unbürokratisch sicherstellen. Dazu gehöre in der aktuellen Situation auch der Zugang zu Test- und Impfangeboten sowie weiterer Präventionsleistungen zur Vermeidung von Infektionskrankheiten. Behandlung und Transport seien durch die Übergangsregelung kurzfristig abgedeckt, hieß es. Die Länder wollen eng mit den Krankenkassen in Verwaltungsfragen zusammenarbeiten.

So schnell und unbürokratisch wie möglich

„Es geht jetzt darum, den Menschen so schnell und unbürokratisch wie möglich zu helfen“, betonte auch der KBV-Vorstandsvorsitzende Dr. Andreas Gassen. Unter den Geflüchteten seien viele Kranke, die zum Beispiel dringend Insulin oder ein Herzmedikament benötigten. Die Praxen stünden bereit, um die Menschen zu versorgen, ergänzte KBV-Vizechef Dr. Stephan Hofmeister. In Notfällen kann die Behandlung laut der KBV auch ohne Behandlungsschein erfolgen. Notwendig sei hierfür ein gemeldeter Aufenthaltsort oder die Unterbringung in einer örtlichen Einrichtung.

Neben der Ausgabe von Behandlungsscheinen durch die Kommunen gibt es ein für alle Beteiligten einfacheres Verfahren. Denn auch die Krankenkassen können in Vereinbarung mit den Ländern die auftragsweise Betreuung übernehmen. Hierfür bedarf es nach KBV-Angaben einer entsprechenden Vereinbarung zwischen den jeweiligen Landesregierungen oder beauftragten Landesbehörden und den gesetzlichen Krankenkassen.

Solche Vereinbarungen zur Umsetzung des Asylbewerberleistungsgesetzes bestehen nach Auskunft des Bundesministeriums für Gesundheit aktuell in Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Thüringen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) strebt an, dass die Menschen aus der Ukraine in naher Zukunft einen regulären Leistungsanspruch analog der GKV-Leistungen erhalten.

Auch Arzneimittelversorgung sichergestellt

Das Asylbewerberleistungsgesetz ermöglicht laut der KBV die Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände, einschließlich der Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln. Darüber sei auch die Versorgung von Schwangeren abgedeckt. Des Weiteren haben Betroffene einen Anspruch auf Schutzimpfungen und Vorsorgeuntersuchungen zur Verhütung und Früherkennung von Krankheiten.

In medizinisch notwendigen Einzelfällen kann demnach auch eine Psychotherapie erbracht werden. Hier greife die Sonderregelung des Paragrafen 6 Absatz 2 des Asylbewerberleistungsgesetzes. Beispielsweise für unbegleitete Minderjährige oder Personen, die Folter, Vergewaltigung oder sonstige schwere Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt erlitten haben. Das Gleiche gilt laut der KBV für Hilfsmittel, die vorab zu genehmigen sind.

Keine Änderungen bei Abrechnung und Verordnungen
Niedergelassene reichen die Behandlungsscheine laut der KBV zusammen mit der Abrechnung bei ihrer Kassenärztlichen Vereinigung ein. Arzneimittel würden auf dem normalen Rezept (Muster 16) verordnet. Auch für anderen Leistungen sollen Ärzte die üblichen Formulare verwenden. Nähere Informationen erhalten Praxen demnach von ihrer Kassenärztlichen Vereinigung. Leistungen nach der Coronavirus-Testverordnung und -Impfverordnung sollen Ärzte bei Flüchtlingen aus der Ukraine genauso abrechnen wie bei Einheimischen. Kostenträger sei das Bundesamt für Soziale Sicherung. Das Robert Koch-Institut bietet Aufklärungsmaterial zur Covid-19-Impfung in ukrainischer Sprache an.