Wie MFA schwierige Gesprächssituationen meistern: Die besten Tipps von Experte Sven Blumenrath
A&W RedaktionMFAs und ZFAs berichten zunehmend von Patientinnen und Patienten, die sich unhöflich verhalten. Das zeigt eine Umfrage des PKV Instituts zur Zufriedenheit im Beruf. Beim 18. Deutschen MFA-Tag & ZFA-Tag am Samstag, 28. Juni 2025 in München, wird Sven Blumenrath, ausgebildeter Schauspieler, Coach und Experte für Selbstbewusstsein, MFAs und ZFAs vermitteln, wie sie wertschätzend und selbstbewusst mit Patientinnen und Patienten kommunizieren und die eigene Schlagfertigkeit im Praxisalltag trainieren können. Wir haben mit ihm gesprochen.
Herr Blumenrath, was verstehen Sie unter „Schlagfertigkeit“?
Für mich ist Schlagfertigkeit nicht die Fähigkeit zum Gegenschlag oder zu aggressivem Durchsetzungsvermögen. Unter Schlagfertigkeit verstehe ich vielmehr ein souveränes Gefasstsein auf unangenehme Gesprächssituationen, Angriffe oder Äußerungen, die wir als persönlichen Angriff empfinden können – wenn wir uns dazu entscheiden. Schlagfertigkeit ist die Fähigkeit, locker und handlungsfähig zu bleiben, spontan und mit Mitgefühl uns selbst und anderen gegenüber zu reagieren.
Ist das nicht eher eine Frage des eigenen Temperaments, ob ich in schwierigen Situationen locker und selbstbewusst bleibe? Kann man das wirklich trainieren?
Die Schockstarre, in die wir geraten, wenn jemand sich ehrverletzend verhält, kennen wir alle, die gehört zur Natur des Menschen. Aber ob wir in dieser Schockstarre bleiben, können wir selbst entscheiden und tatsächlich trainieren. So banal es klingen mag: Weiter zu atmen ist der erste und wichtigste Schritt. Dazu beide Füße auf dem Boden spüren, die Schultern entspannen und tief ein- und ausatmen. Wenn wir in stressigen Situationen bewusst tief atmen, versorgen wir unser Gehirn mit Sauerstoff und helfen unserem Nervensystem, für Energie und Entspannung im System zu sorgen: Wir kommen wieder zu uns. Denn die Schockstarre ist kein Gefühl, auch wenn wir sie als Gefühl wahrnehmen. Sie ist ein körperlicher Zustand – eine uralte Reaktion, um uns vor Gefahr zu schützen, indem wir möglichst unbemerkt bleiben. Aber Schockstarre führt zugleich zu Sauerstoffmangel im Gehirn und nimmt uns die Fähigkeit zu handeln. Erst mit der tiefen Atmung kann sowohl das bewusste Denken als auch ein echtes Gefühl zu uns selbst und zu anderen wieder gelingen. Und dadurch werden wir auch wieder handlungsfähig.
Das lernt man aber nicht in einem einzigen Workshop, oder?
Das stimmt, ein gesundes und fürsorgliches Verhältnis zu uns selbst ist etwas, an dem die meisten von uns ein Leben lang arbeiten müssen. Aber, wie beim Schauspielen: Schon die Behauptung „Ich stehe liebevoll zu mir selbst“ wird etwas an unserem Verhalten und unserer Gestik, selbst an den Mikroexpressionen in unserem Gesicht verändern. Und das hat enorme Wirkung auf unser Gegenüber. Wichtig ist auch, die Situation anzunehmen, wie sie ist, und nicht in inneren Widerstand zu gehen. „Das hat er jetzt gesagt, und das hat mich getroffen.“ Ist viel souveräner als ein inneres „Nein! Sowas darf der zu mir nicht sagen!“ Denn wenn ich in Widerstand gehe, gehe ich auch in Widerstand zu meiner eigenen Handlungsfähigkeit. Stellen Sie sich vor, es ist ein Ball, den jemand auf Sie wirft: Fangen Sie ihn erstmal auf. Und dann entscheiden Sie ganz allein, ob Sie ihn fallenlassen, zurückgeben, oder etwas ganz anderes damit tun. Erst wenn das sitzt, können wir uns verschiedenen Techniken zuwenden, etwa der Umdeutung, der Ironie, der Gegenfrage.
Und woher weiß ich, welche Technik richtig ist?
Für eine Reaktion, die zu mir, zur Situation und zum Gegenüber passt, gibt es keine Blaupause. Natürlich können wir uns Sprüche für verschiedenste Situationen oder typische Vorwürfe zurechtlegen, aber viel wichtiger ist es, in diesen Situationen eine liebevolle Haltung zu uns selbst zu finden, aus der sich alles weitere wie von selbst ergeben wird. Fragt ein Patient im Beschwerdeton „Dauert das immer so lang?“, lässt sich das Gesagte mit einem respektvoll distanzierten „Ja, wir nehmen uns für alle unsere Patientinnen und Patienten Zeit.“ positiv umdeuten. Auch mit Gegenfragen („Haben Sie einen Anschlusstermin?“), der Abholtechnik („Ich kann Sie gut verstehen.“) und vielen weiteren Techniken kann eine selbstbestimmte und empathische Patientenführung gelingen. An allererster Stell steht aber wie gesagt unsere innere Haltung – zu uns selbst und damit auch zum Gegenüber. Man kann Mitgefühl mit einem anderen Menschen zeigen, ohne sich selbst zu verbiegen oder grundsätzlich sinnvolle Regeln in Frage zu stellen.
Und wenn Patientinnen und Patienten wirklich ausfällig werden?
Persönliche Beleidigungen und dergleichen muss sich niemand bieten lassen. Dann darf man die Situation auch physisch verlassen und gegebenenfalls der Praxisleitung übergeben. Meine Mutter hat als MFA gearbeitet, schon deshalb kenne ich viele Geschichten aus der Praxis aus erster Hand. Und ich weiß: Ohne Rückhalt durch die Praxisleitung geht es nicht. Wenn ich die Patientinnen und Patienten selbstbestimmt führen will, brauche ich eine Praxisleitung, die unsere Regeln und Werte kennt und teilt, die hinter mir steht und, in schwierigen Situationen, auch für mich einsteht. Vielen wird auch an den Praxisbeispielen im Workshop erst klar, dass dieser Rückhalt noch fehlt, und dass sie hier ansetzen und das Gespräch suchen müssen, zusätzlich zum eigenen Training.
MFA-Tag & ZFA-Tag in München
Weitere Informationen zum Vortrag und Workshop sowie zum 18. Deutschen MFA-Tag & ZFA-Tag finden Sie unter www.mfa-tag.de