Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Recht

Neufassung des § 62 Abs. 1 BMV-Ärzte

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen haben sich zum 01.01.2023 auf eine Neufassung des § 62 Abs. 1 BMV-Ärzte geeinigt.

Während die frühere Fassung eine Übersendung des Ergebnisses einer gutachterlichen Stellungnahme durch den Medizinischen Dienst sowohl an die Krankenkasse als auch an den Vertragsarzt vorsah, regelt der neue § 62 Abs. 1 BMV-Ärzte die Übersendung des Ergebnisses der Begutachtung an den Vertragsarzt wesentlich differenzierter. So übermittelt der Medizinische Dienst das betreffende Ergebnis nicht mehr automatisch an den Vertragsarzt, sondern ist verpflichtet zu prüfen, ob er das Begutachtungsergebnis an den Vertragsarzt übersenden darf.

Wurde die Begutachtung vom Medizinischen Dienst nach § 275 Absatz 3 Satz 1 Nr. 4 SGB V vorgenommen – d. h. bei der Prüfung, ob einem Versicherten aufgrund eines Behandlungsfehlers des Vertragsarztes ein Schaden entstanden ist  – darf das Ergebnis des betreffenden Gutachtens an den Vertragsarzt nach dem neuen § 62 Abs. 1 Satz 4 BMV-Ärzte nur übersendet werden, wenn der betroffene Versicherte eingewilligt hat, das Ergebnis an den Vertragsarzt zu übermitteln. Liegt dieser Fall nicht vor, ist der Medizinische Dienst gemäß § 62 Abs. 1 Satz 3 BMV-Ärzte befugt, das Ergebnis der Begutachtung an den Vertragsarzt zu übersenden. Diese neue Änderung kann so verstanden werden, dass dem Medizinischen Dienst im Unterschied zur früheren Fassung des § 62 Abs. 1 BMV-Ärzte nun ein Ermessen eingeräumt ist, ob er das Begutachtungsergebnis an den Vertragsarzt übermittelt.

Wann der Medizinische Dienst die Übersendung der Begutachtungsergebnisse verweigern darf

Kommt der Medizinische Dienst z. B. aufgrund bestimmter Befunde im Gutachten zum Ergebnis, weitere schützenswerte Interessen des Versicherten würden der Übersendung des Ergebnisses der Begutachtung an den Vertragsarzt entgegenstehen, könnte der Medizinische Dienst die betreffende Übersendung an den Vertragsarzt unter Berufung auf den neuen § 62 Abs. 1 Satz 3 BMV-Ärzte verweigern. Nur in den explizit geregelten Fällen im neuen § 62 Abs. 1 Satz 3 BMV-Ärzte, wenn „das Ergebnis der Begutachtung von der Verordnung, der Einordnung der erbrachten Leistung als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung oder der Abrechnung der Leistung (mehr zum Thema Abrechnung finden Sie hier) abweicht“, ist der Medizinische Dienst verpflichtet, das Ergebnis der Begutachtung an den Vertragsarzt zu übersenden.

Die frühere Fassung des § 62 Abs. 1 BMV-Ärzte sah explizit vor, dass der Medizinische Dienst befugt war, die erforderliche Angaben über den Befund der Begutachtung an den Vertragsarzt zu übersenden, der betroffene Versicherte konnte der Mitteilung des Befunds an den Vertragsarzt lediglich widersprechen. Der neue § 62 Abs. 1 Satz 5 BMV-Ärzte schreibt vor, dass der Medizinische Dienst an den Vertragsarzt nur dann die wesentlichen Gründe für das Ergebnis seiner Begutachtung übersenden darf, wenn der Vertragsarzt dem Medizinischen Dienst eine Einwilligung des Versicherten für eine solche Übersendung vorlegt. Wird die betreffende Einwilligung vom Vertragsarzt allerdings vorgelegt, steht dem Medizinischen Dienst kein Ermessen zu: Er ist nach § 62 Abs. 1 Satz 6 BMV-Ärzte zur Übersendung der wesentlichen Gründe an den Vertragsarzt verpflichtet.

Änderung der Vordrucke und der Blankoformularbedruckung

Am 01.01.2023 sind umfangreiche Änderungen der Vordrucke für die vertragsärztliche Versorgung (Anlage 2 BMV-Ärzte) und des Blankoformularbedruckungsverfahrens (Anlage 2a BMV-Ärzte) in Kraft getreten. Folgende neue Vordrucke für die vertragsärztliche Versorgung wurden in die Anlage 2 BMV-Ärzte eingefügt:

  • Nr. 2.62A mit dem Muster 62A: Erhebung des Beatmungsentwöhnungs- bzw. Dekanülierungspotenzials. Für das Muster 62A sieht Nr. 2.62A.2 einen dreiseitigen Formularsatz in DIN A4 Hochformat, mit einer Ausfertigung für die Krankenkasse, den verordnenden Arzt und für den potenzialerhebenden Arzt, wobei die Ausfertigung an die Krankenkasse in roter Farbe und die anderen beiden Ausfertigungen ohne einen Farbdruck herzustellen ist,
  • Nr. 2.62B mit dem Muster 62B: Verordnung außerklinischer Intensivpflege. Auch für dieses Muster ist ein dreiseitiger Formularsatz in DIN A 4 Hochformat zu verwenden, mit einer Ausfertigung für die Krankenkasse, den Leistungserbringer nach § 132l SGB V und den verordnenden Arzt, wobei die Farben wie bei Muster 62A zu verwenden sind.
  • Nr. 2.62C mit dem Muster 62C: Behandlungsplan. Das betreffende Muster ist wie bei Muster 62B dreifach und in Rot für die Krankenkasse bzw. ohne Farben auszufertigen.

Die Änderungen der Vordrucke für die vertragsärztliche Versorgung werden im Blankoformularbedruckungsverfahren in der Anlage 2a BMV-Ärzte nachvollzogen.

Änderung der digitalen Vordrucke nach Anlage 2b BMV-Ärzte

Bereits zum 01.07.2022 sind wichtige Änderungen der digitalen Vordrucke nach Anlage 2b BMV-Ärzte in der vertragsärztlichen Versorgung nach Anlage 2b BMV-Ärzte in Kraft getreten.

Nach Nr. 4.1.2 Satz 2 Anlage 2b BMV-Ärzte erhalten die Versicherten ab dem 01.01.2023 einen Ausdruck des erzeugten Formulars. Sofern die Versicherten es wünschen, müssen Vertragsärzte ihnen einen unterschriebenen Ausdruck der Ausfertigung aushändigen, wobei nur die Ausfertigung für den Versicherten und / oder auch die Ausfertigung für den Arbeitgeber ausgehändigt werden muss. Wird die Übersendung mittels SMC-B signiert, händigt der Vertragsarzt dem Versicherten nach Nr. 4.1.5 Anlage 2b BMV-Ärzte eine unterzeichnete papiergebundene Bescheinigung aus.

Eine elektronische Verordnung von digitalen Gesundheitsanwendungen nach § 33a SGB V muss gemäß Nr. 4.16D nach dem Vordruck e16D erfolgen. Wünscht ein Patient einen Papierausdruck, muss dieser nach § 360 Abs. 9 SGB V vom Vertragsarzt ausgehändigt werden, wobei der betreffende Ausdruck weder unterschrieben noch gestempelt werden darf.

Übertragung von Versichertenstammdaten bei Austausch von eGK

Lieferengpässe bei Chips, die auch in elektronischen Gesundheitskarten (eGK) eingesetzt werden, haben die Kassenärztliche Bundesvereinigung und den Spitzenverband Bund der Krankenkassen dazu veranlasst, eine bis zum 30.06.2023 befristete Übergangsregelung zu treffen (Anlage 4a BMV-Ärzte). Danach händigen Krankenkassen ihren Versicherten bei einem Austausch einer eGK zeitlich befristet nicht eine neue eGK aus, sondern eine Gesundheitskarte in Papierform. Um eine manuelle Übertragung von Versichertenstammdaten und den damit verbundenen hohen bürokratischen Aufwand zu vermeiden, können Versichertenstammdaten, die in Praxisverwaltungssystem hinterlegt sind, nach dem Abgleich mit den Daten des Anspruchsnachweises komplett übernommen werden, ohne eine Prüfung nach § 291b Abs. 2b Satz 1, 2 2 SGB V durchführen zu müssen.

Mammographie-Screening (Anlage 9.2 BMV-Ärzte)

Zum 01.01.2023 ist die umfangreiche Neufassung der Anlage 9.2 BMV-Ärzte zur Früherkennung von Brustkrebs durch Mammographie-Screening wirksam geworden. Anhang 12 der Anlage 9.2 BMV-Ärzte sieht nun vor, dass der Pathologe obligatorisch eine anonymisierte Auflistung seiner Befunde nach Anhang 1 der Anlage 9.2 BMV-Ärzte und nach Anlage VI Krebsfrüherkennungs-Richtlinie mit bestimmten Mindestangaben erstellen muss. Hierzu gehören insbesondere

  • „Übereinstimmung der Ergebnisse der bildgebenden und der histopathologischen Untersuchungen,
  • Übereinstimmung der präoperativen pathologischen Diagnose mit dem endgültigen histopathologischen Befund,
  • Art der Biopsie,
  • Histologische Diagnose,
  • Bei Brustkrebsdiagnose zusätzlich:
    – Histologisches Grading,
    – Histologischer Typ,
    – Hormonrezeptor-Expression, HER-2-Status (nur bei invasivem Karzinom),
  • Untersuchung regionärer Lymphknoten (falls durchgeführt),
  • Histologische Beurteilung nach B-Klassifikation“.

Anhang 13 der Anlage 9.2 BMV-Ärzte stellt obligatorische Voraussetzungen für eine Online-Bildkonferenz als eine multidisziplinäre Fallkonferenz auf. Eine solche Online-Bildkonferenz bedarf einer Genehmigung durch die Kassenärztliche Vereinigung, wobei der Programmverantwortliche Arzt nachweisen muss, dass die Voraussetzung der erfolgreichen Rezertifizierung vorliegen. Eine Online-Bildkonferenz muss insbesondere

  • ein datenschutz- und IT-sicherheitskonformes Videokonferenzsystem verwenden,
  • eine verschlüsselte Übertragung von Bilddaten und medizinischer Dokumentation ermöglichen,
  • jedem Teilnehmer einen Überblick über angemeldete andere Teilnehmer gewähren,
  • adäquate Bildbetrachtung gewährleisten,
  • für alle Teilnehmer eine störungs- und verzögerungsfreie Kommunikation durch erforderliche Bandbreite und apparative Ausstattung ermöglichen,
  • die gesetzlichen Anforderungen an die Ergonomie am Bildschirmarbeitsplatz erfüllen.

Eine Online-Bildkonferenz muss darüber hinaus hinreichend dokumentiert werden.

Dr. jur. Alex Janzen

Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Bank- und KapitalmarktrechtRechtsanwaltskanzlei Dr. jur. Alex Janzen

info@rechtsanwalt-dr-janzen.de