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Arbeitsrecht

„Bis zu 200 Liter Desinfektionsmittel aus Uniklinik gestohlen.“ Meldungen wie diese gab es in der frühen Phase der Corona-Krise aus ganz Deutschland. Und stets mussten die betroffenen Sprecher einräumen, dass die Schuldigen vermutlich aus den eigenen Reihen kommen. Vielfach blieben die Delikte ungesühnt. Wenn die Täter sich ermitteln ließen, waren die Sanktionen aber umso drastischer. So auch in einem Fall, den unlängst das Landesarbeitsgericht Düsseldorf entscheiden musste.

Rauswurf nach mehr als 15 Jahren

Im konkreten Fall ging es um einen Mann, der seit 2004 als Be- und Entlader sowie als Wäscher für einen Paketzusteller arbeitete. Die Autowäsche fand jeweils nachts statt – mit einer Besetzung von sechs bis sieben Kollegen. Dabei hatten die Angestellten die Möglichkeit, ihre eigenen Autos in der Nähe des Arbeitsplatzes abzustellen.

Im Rahmen einer stichprobenartigen Kontrolle fand der Werkschutz im Wagen des besagten Mannes eine noch ungeöffnete 1-Liter-Flasche mit Desinfektionsmittel. Da zuvor aber schon mehrfach Desinfektionsmittel verschwunden war, hatte die Unternehmensführung auf den Toiletten Schilder aufgehängt, die darauf hinwiesen, dass die Mitnahme von Desinfektionsmittel mit einer fristlosen Kündigung und einer Anzeige geahndet wird.

Desinfektionsmittel im Kofferraum vergessen?

So kam es dann auch: Der Paketzusteller setzte den diebstahlverdächtigen Mann vor die Tür. Der klagte und trug vor Gericht vor, während der Nachtschicht stündlich zu seinem Fahrzeug gegangen, um sich die Hände zu desinfizieren. Er habe das Mittel für sich und eventuell seine Kollegen verwenden wollen, da in den Waschräumen nicht immer ausreichend Desinfektionsmittel vorhanden gewesen sei. Bei der Ausfahrt habe er die Sachen im Kofferraum dann vergessen.

Damit hatte er aber weder in der ersten noch in der zweiten Instanz Erfolg. Die Richter gingen jeweils davon aus, dass der Arbeitnehmer sich das Mittel angeeignet habe, um es selbst zu verbrauchen. Anderenfalls hätte er die Flasche am Arbeitsplatz aufstellen können oder er seine Kollegen auf das Mittel hinweisen und diesen den Autoschlüssel zur Verfügung stellen müssen. Zudem war die Flasche, die der Werkschutz gefunden hatte, noch ungeöffnet. Auch das ließ die Darstellung wenig glaubhaft erscheinen.

Kündigung ohne Abmahnung rechtens

Eine Abmahnung hielt das LAG Düsseldorf für nicht erforderlich. Der Arbeitnehmer habe in einer Zeit, als Desinfektionsmittel Mangelware war und in Kenntnis davon, dass auch sein Chef mit Versorgungsengpässen zu kämpfen hatte, eine nicht geringe Menge Desinfektionsmittel entwendet. Dabei habe er in Kauf genommen, dass Kollegen leer ausgingen. Das wog nach Meinung des Gerichts so schwer, dass er seinen Rauswurf auch ohne vorherigen Warnschuss hinnehmen musste.