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Arbeitsrecht

Heute in der Praxis im Zentrum, morgen in der Niederlassung am Stadtrand? Grundsätzlich ist es durchaus möglich, dass der Chef seine Angestellten dort zum Einsatz bringt, wo er sie am dringendsten braucht. Kraft seines Direktionsrechts darf er Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen festlegen. So steht es in § 106 Satz 1 der Gewerbeordnung.

Kommt es zum Streit über die Rechtmäßigkeit der Anordnung, können die Gerichte diese Ermessenentscheidung allerdings überprüfen und müssen die Interessen des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers gegeneinander abwiegen. Das hat das LAG Mecklenburg-Vorpommern in einem aktuellen Fall getan – und die Grenzen für eine Versetzung klar abgesteckt (Az. 5 Sa 233/18).

Dramatische Szenen im Pflegeheim

Im konkreten Fall ging es um die Versetzung einer Mitarbeiterin in einem Pflegeheim. Die Frau war dort seit 1990 beschäftigt. Der Weg von ihrem Wohnort zur Arbeitsstelle betrug etwa 21 Kilometer, mit dem Auto war sie rund 20 Minuten unterwegs.

2017 kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen ihr und ihrer Chefin über Details der Arbeitsabläufe. Daraufhin warf die Köchin ihrer Vorgesetzten „allerschwerstes und nachhaltiges Mobbing“ vor. Schließlich bezeichneten beide Frauen ihr Verhältnis als zerrüttet. Seit dem Tag des Streits war die Mitarbeiterin zudem ununterbrochen arbeitsunfähig.

Einige Zeit später versetzte der Arbeitgeber die (immer noch erkrankte) Angestellte in eine andere Niederlassung. Für die Anfahrt dorthin muss die Frau allerdings 50 statt wie bisher 20 Minuten einplanen.

Das hatte der Arbeitgeber bei seiner Entscheidung auch berücksichtigt. Wörtlich führte er aus:
„Da das Team in R. [dem alten Einsatzort] funktionstüchtig eingespielt ist und im Übrigen innerhalb des dortigen Teams keine Probleme auftauchen (….) haben wir uns dafür entschieden, die Leitung und das Personal unverändert weiter arbeiten zu lassen und (….) Sie an einen anderen Arbeitsort zu versetzen. Wir haben dabei berücksichtigt, dass Sie der weitere Anfahrtsweg nach C-Stadt persönlich belastet. Die betrieblichen Interessen überwiegen allerdings Ihre persönlichen Belange nachhaltig.“

Keine Pflicht zur umfassenden Aufklärung

Die Mitarbeiterin wollte ihre Versetzung dennoch nicht hinnehmen und klagte auf Feststellung, dass sie nicht dazu verpflichtet sei, ihre Arbeitsleistung an dem neuen Standort zu leisten. Ihr Arbeitgeber hätte vor Ausspruch der Versetzung die Konfliktlage vollständig aufklären müssen. Daneben hätte sie angehört werden müssen. Nicht zuletzt sei es ihr auch aus gesundheitlichen Gründen nicht zuzumuten, an einem anderen Ort zu arbeiten.

Mit ihrem Ansinnen hatte sich jedoch weder in der ersten noch in der zweiten Instanz Erfolg.

Nach Ansicht des LAG hat die Versetzung billigem Ermessen im Sinne von § 106 Satz 1 GewO entsprochen. Es sei Sache des Arbeitgebers zu entscheiden, wie er auf Konfliktlagen reagieren will, und zwar unbeschadet ihrer Ursachen. Die Beklagte sei insbesondere nicht zur Aufklärung der Ursachen und Verantwortlichkeiten des Konflikts gehalten gewesen. Auf die Ursache des Streits komme es für eine wirksame Versetzung nicht an.

Da die Klägerin der Chefin „allerschwerstes und nachhaltiges Mobbing“ vorgeworfen habe, sei eine schnelle und wirksame Beseitigung der Konfliktsituation zulässig, wenn nicht sogar geboten gewesen. Die Versetzung der Klägerin sei eine geeignete Maßnahme gewesen, den sich aus der täglichen Zusammenarbeit ergebenen Konflikt kurzfristig und wirksam zu lösen. Angesichts des vorangeschrittenen Konflikts seien die mit der Versetzung verbundenen Nachteile für die Klägerin begrenzt und ihr daher auch zumutbar.