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Arbeitsrecht

Die meisten Menschen verbringen mit ihren Arbeitskollegen mehr Zeit als mit ihren Ehepartnern. Wer, wie im Praxisbetrieb, auch noch gemeinsam Wochenend- und Feiertagsdienste schiebt, baut daher oft eine freundschaftliche Beziehung zu den Mitstreitern auf. So war es auch in einem Fall, der vor einigen Jahren Schlagzeilen machte: In einem Berliner Unternehmen spendeten Kollegen einem Arbeitnehmer 930 bezahlte Überstunden, damit er sich um seinen schwer krebskranken Sohn kümmern konnte. Der Mann hatte für die Pflege seines Kindes bereits alle Urlaubstage aufgebraucht.

Deutsches Arbeitsrecht als Hemmschuh

So erfreulich eine derartige Solidarität unter Kollegen auch ist: Rein rechtlich sind Arbeitszeitspenden in Deutschland heikel. Anders als etwa in Frankreich, wo ein solches Vorgehen gesetzlich geregelt und damit ausdrücklich vorgesehen ist, gilt in Deutschland der Grundsatz, dass Arbeitnehmer ihre Arbeitsleistung „höchstpersönlich“ zu erbringen haben.  Streng genommen ist eine Übertragung von Überstunden und Urlaubstagen auf Kollegen daher nicht möglich, da die Leistung ja nicht von dem erbracht wurde, der vertraglich dazu verpflichtet ist.

Sollte es in der Praxis dennoch das Bedürfnis geben, einem Kollegen oder einer Kollegin in einer schwierigen Situation beizustehen, können Arbeitgeber durchaus kreativ werden, um eine solche Spende zu ermöglichen. Doch wenn alle Beteiligten eine solche Übertragung wünschen und keine zwingenden gesetzlichen Verbote entgegenstehen, können Kollegen sich auch in Deutschland auf diese Weise unterstützen.

Mit Blick auf die Übertragung von bereits geleisteten Überstunden sind die Probleme relativ überschaubar. Wenn der Chef die Überstunden angeordnet oder geduldet hat und der Arbeitsvertrag der Spender vorsieht, dass die Mehrarbeit nicht bezahlt, sondern als Freizeitausgleich gewährt wird, sollte eine Übertragung dieses Anspruchs auf einen Kollegen einvernehmlich möglich sein. 

Schwieriger wird es, wenn ein Kollege zugunsten eines anderen auf Urlaub verzichten will. Der Grund: Jeder Arbeitnehmer muss den vom Gesetz vorgesehenen Mindesturlaub erhalten. Bei einer Fünf-Tage-Woche müssen Arbeitnehmer daher zumindest 20 Tage Urlaub haben und auch selbst abfeiern. Sieht der Arbeitsvertrag – wie so oft – mehr Urlaubstage vor, als das Gesetz verlangt, und unterscheidet der Kontrakt zudem zwischen dem gesetzlichen und dem überobligatorisch gewährten, vertraglichen Urlaub, dürfte es allerdings denkbar sein, dass ein Kollege zumindest auf diese Zusatztage verzichtet, wenn er es denn möchte.

Um innerhalb dieser rechtlichen Grauzone größtmögliche Rechtssicherheit zu schaffen, sollten die Spender zudem schriftlich festhalten, wie viele und gegebenenfalls auch welche Mehrarbeitsstunden beziehungsweise Urlaubstage sie spenden wollen, wem diese zugutekommen sollen – und dass aufgrund der Spende keine Ansprüche mehr von Seiten des Spenders bestehen. Wichtig ist es auch klarzumachen, dass der Spender den Empfänger aus Solidarität unterstützen will, indem er einen Teil seiner vergüteten Arbeitszeit oder seiner bestehenden Urlaubsansprüche an diesen überträgt.

Klare Vereinbarungen schaffen Rechtssicherheit

Um eventuelle Doppelansprüche zu vermeiden, sollten die Beteiligten zudem festlegen, wie genau die Übertragung erfolgen soll und welche Regeln gelten, wenn der mit der geschenkten Zeit bedachte Kollege nicht das gesamte gespendete Zeitvolumen abrufen kann oder muss. Auch sollte die Vereinbarung einen eindeutigen Passus enthalten, dass die Spende unentgeltlich und freiwillig erfolgt und es keinen Rechtsanspruch auf deren Annahme oder deren Wiederholung gibt.

Unabhängig von der Solidarität der Kollegen steht es dem Arbeitgeber natürlich frei, einem Mitarbeiter in Not auf Wunsch unbezahlten Sonderurlaub zu gewähren, solange er den arbeitsrechtlichen solange er den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz wahrt.

Rechtssichere Zeitspenden

Arbeitszeitspenden sind in Deutschland gesetzlich nicht vorgesehen, können aber auf freiwilliger Basis erfolgen, wenn alle Beteiligten mitziehen. Ohne Zustimmung des Arbeitgebers hingegen ist eine Stundenübertragung ausgeschlossen, da allein der Chef über die Arbeitszeitverteilung entscheidet (§ 611a BGB). Das Bundesurlaubsgesetz verbietet es außerdem, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihren gesetzlichen Mindesturlaub spenden. Anders sieht es beim übergesetzlichen Urlaub aus. Wenn es gewünscht ist, kann er – eine entsprechende einvernehmliche Vereinbarung vorausgesetzt – auf einen bedürftigen Kollegen übertragen werden.

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