Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Arbeitsrecht

Ihr Urlaub ist den Deutschen heilig. Doch ausgerechnet, wenn es darum geht, wie lange Arbeitnehmer ihren Anspruch auf eine bezahlte Auszeit vom Job behalten, herrscht derzeit einige Rechtsunsicherheit.

Der Grund: Die Rechtsprechung zum Urlaubsrecht verändert sich massiv. Längst ist der Text des Bundesurlaubsgesetzes nicht mehr die einzige Quelle, die niedergelassene Ärzte und ihre Belegschaft heranziehen müssen, um urlaubsrechtliche Fragen zu beantworten.

Wer krank ist, kann keinen Urlaub machen

Zwar gilt nach wie vor, dass Arbeitnehmer ihren Urlaub grundsätzlich im laufenden Kalenderjahr nehmen müssen und noch nicht verbrauchte Tage nur in Ausnahmefällen ins Folgejahr übertragen dürfen (§ 7 Abs. 3 S. 2 Bundesurlaubsgesetz). Entsprechend verfallen nicht genommene Tage im Normalfall mit dem Ende der Silvesternacht. Und selbst wer seinen Resturlaub ins Folgejahr hinüberretten durfte, hat nur bis zum Ende des ersten Quartales Zeit, um ihn abzufeiern. Danach sind die nicht genommenen Tage endgültig verfallen.

Diese Regeln, die im Bundesurlaubsgesetz niedergelegt sind, gelten nach der Rechtsprechung des EuGH (und inzwischen auch des BAG) aber nur für Arbeitnehmer, die grundsätzlich gesund sind. Wer hingegen über einen längeren Zeitraum hinweg krank war, und deshalb keinen Urlaub nehmen konnte, hat deutlich länger Zeit, die noch offenen Tage zu nehmen – und zwar bis zu 15 Monate, gerechnet ab dem Ende des Kalenderjahres, in dem der Urlaub entstanden ist.

Ein Arbeitnehmer, der 2019 durchgehend erkrankt war, kann den Urlaubsanspruch für das Jahr 2019 daher noch bis zum 31. März 2021 geltend machen, wenn er denn vorher wieder arbeitsfähig wird. Ist der Betreffende hingegen vom 1. Januar 2019 bis zum Ablauf des 31. März 2021 arbeitsunfähig erkrankt, dann verfällt der Urlaubsanspruch für 2019 als Ganzes.

Neue Pflichten für ärztliche Arbeitgeber?

Doch kaum haben sich Praxischefs, Kliniken und die Betreiber von MVZ an diese Rechtsprechung gewöhnt, droht neues Ungemach. Denn vor Kurzem hat der EuGH entschieden, dass Arbeitgeber jeden einzelnen ihrer Mitarbeiter darauf hinweisen müssen, wenn er noch offene Urlaubstage hat. Dabei müssen sie die genaue Zahl der unverbrauchten Tage benennen. Zudem müssen sie klar machen, an welchem Datum sie verfallen und die Betreffenden unmissverständlich auffordern, sie rechtzeitig zu nehmen.

Kommen Arbeitgeber dieser Pflicht nicht nach (oder können sie nicht beweisen, dass sie entsprechende Hinweise gegeben haben), bleibt der Urlaub über die nach deutschem Recht vorgesehen Verfallsfristen hinaus erhalten. Das hat das Bundesarbeitsgericht inzwischen bestätigt (Az. 9 AZR 541/15).

Informationspflicht des Arbeitgebers

Unklar ist nun allerdings, ob diese Rechtsprechung auch eine Informationspflicht des Arbeitgebers bei langzeiterkrankten Arbeitnehmern statuiert. Dies Frage beschäftigt das Bundesarbeitsgericht derzeit in zwei Verfahren (Az 9 AZR 245/19 und 9 AZR 401/19). Da jedoch die Rechtsprechung zum Verfall des Urlaubs von Langzeiterkrankten als auch die zur Mitwirkung von Arbeitgebern auf Entscheidungen des EuGH zurückzuführen sind, haben die höchsten deutschen Arbeitsrichter die Frage den Luxemburger Richtern zur Entscheidung vorgelegt.

Ob das Urlaubsrecht in Deutschland noch einmal komplizierter wird, bleibt abzuwarten. Auszuschließen ist es nicht. Darauf sollten ärztliche Arbeitgeber sich vorbereiten.