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Recht

Mündige Patienten dürfen auch Entscheidungen treffen, die aus wissenschaftlicher Sicht nicht sinnvoll sind. Die Frage ist nur, welche Informationsbasis nötig ist, um eine solche Entscheidung wirksam treffen zu können. Diese Frage musste unlängst das Oberlandesgericht (OLG) München beantworten.

Im konkreten Fall ging es um eine junge Frau, die an Gebärmutterhalskrebs litt und mit schulmedizinischer Behandlung gute Heilungschancen hatte. Allerdings brach die Patientin sowohl eine Chemo- als auch eine Strahlentherapie ab und ließ sich stattdessen von ihrer Heilpraktikerin mit einem Schlangengift-Präparat behandeln. Der Nutzen dieser sogenannten Horvi-Therapie ist wissenschaftlich nicht belegt.

Überdies unternahm die Heilpraktikerin nichts, um die Patienten zur Fortführung der angeratenen radioonkologischen Behandlung zu bewegen – im Gegenteil. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Frau maßgeblichen Einfluss auf die Kranke ausgeübt hatte, die ursprünglich durchaus offen für eine schulmedizinische Behandlung war. Durch ihre Heilungsversprechen habe sie die Patientin in eine Abhängigkeit gebracht, sodass sie den Warnungen der Ärzte nicht mehr zugänglich gewesen sei. Tragischerweise verstarb die junge Mutter.

Erhebliche Mitschuld der Patientin

Das OLG München musste entscheiden, ob dem minderjährigen Sohn der Verstorbenen ein Schmerzensgeld gegen die Behandlerin zusteht und bejahte dies. Das Argument: Die Heilpraktikerin sei bei ihrer Behandlung vom geschuldeten Standard abgewichen und habe dadurch den Tod der Mutter des Klägers verursacht. Das Urteil des Landgerichts Passau, das noch zugunsten der Behandlerin ausgefallen war, hob das OLG auf (Az. 1 U 1831/18).

Weiter führte das Gericht aus, die Beklagte habe ihrer Patientin zwar „nicht aktiv zum Abbruch der lebensrettenden Strahlentherapie geraten.” Sie sei aber der sich abzeichnenden Entscheidung nicht entgegengetreten, was als Heilpraktikerin ihre Aufgabe gewesen wäre. Dieses über Wochen hinweg fortgesetzte Unterlassen sei „unverantwortlich und aus Sicht eines verantwortungsbewussten Heilpraktikers schlechterdings unverständlich“.

Heilpraktikerin muss Schmerzensgeld zahlen

Dennoch sah das Gericht auch eine erhebliche Mitschuld der Patientin und blieb in seinem Urteil weit hinter der ursprünglichen Schmerzensgeldforderung von 170.000 Euro zurück. Stattdessen sprach es dem Jungen 30.000 Euro zu. Darüber hinaus muss die nicht haftpflichtversicherte Heilpraktikerin Schadensersatz für entgangenen Kindesunterhalt in Höhe von rund 7.100 Euro zahlen und die außergerichtlichen Anwaltskosten des klagenden Vaters übernehmen.

Strafrechtlich muss sich die Heilpraktikerin hingegen nicht verantworten. Die Staatsanwaltschaft Passau hat das Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Tötung inzwischen eingestellt.