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Recht

„Geschlechtliche Identität beschreibt das tief empfundene innere und persönliche Gefühl der Zugehörigkeit zu einem, keinem oder mehreren Geschlechtern. Dieses Gefühl kann mit dem biologischen Geschlecht übereinstimmen oder nicht“. Diese Definition nennt der Lesben- und Schwulenverband in seinem „Glossar der geschlechtlichen Vielfalt“.

Personen, die sich einem anderen als ihrem Geburtsgeschlecht zugehörig fühlen, sind auch heute noch Ziel vielfältiger Diskriminierungen. Doch nicht nur Mediziner, auch Juristen sind inzwischen bemüht, ihnen ein selbst bestimmtes Leben zu ermöglichen.

Wichtige Urteile für Transpersonen

Insbesondere das Bundesverfassungsgericht hat in den vergangenen Jahren etliche wegweisende Entscheidungen getroffen. Unter anderem kassierte es die gesetzliche Regelung, die noch bis zum Jahr 2011 zur Anwendung kam, wonach sich eine Transperson sterilisieren lassen musste, wenn sie in einem anderen als ihrem Geburtsgeschlecht leben und deshalb ihren Vornamen und Personenstand ändern wollte (Az. 1 BvR 3295/07)

Damit eröffneten der I. Senat den Menschen, die sich als trans verstehen, die Möglichkeit, eine eigene Familie zu gründen. Der Kinderwunsch von Transidenten stellt aber nicht nur Ärzte, sondern auch die Gerichte vor neue Herausforderungen.

So musste etwa das Landgericht Wuppertal vor Kurzem über einen Fall entscheiden, in dem ein transidenter Mann seine Krankenversicherung verklagt hatte, weil diese sich weigerte, für die Kosten einer Kinderwunschbehandlung aufzukommen.

Urteil zur Kinderwunschbehandlung bei Transmann

Im konkreten Mann ging es um einen transidenten Richter, der nach einer erfolgreichen Testosteronbehandlung weder funktionsfähige weibliche noch männliche Fortpflanzungsorgane besitzt. Sein amtlicher Personenstand ist männlich.

Da er und seine Partnerin sich Kinder wünschen, beantragte der Mann bei seiner privaten Krankenversicherung, die Kosten für eine heterologe Insemination seiner Partnerin zu übernehmen.

Die Gesellschaft lehnte ab. Nach den Versicherungsbedingungen müsse sie nur Kinderwunschbehandlungen bezahlen, wenn eine Schwangerschaft auf natürlichem Weg wegen einer „organisch bedingte Sterilität“ nicht möglich sei. Eine solche liege allerdings nicht vor: Transidentität sei selbst als biologischer Zustand zu werten. Eine organisch bedingte Sterilität sei damit zu verneinen.

Der Fall wurde streitig – und endete zugunsten des Versicherten.

Abstellen auf das soziale Geschlecht

Aus Sicht des Gerichts liegt im Fall einer Transidentität durchaus ein Fall der „organisch bedingten Sterilität“ vor. Bei transidenten Personen bestehe eine „auf körperliche Ursachen beruhende Unfähigkeit, auf natürlichem Wege ein Kind zu zeugen“. Zudem bestimme sich die körperliche Fortpflanzungsfähigkeit nicht nur nach der Funktionstauglichkeit der physischen Geschlechtsmerkmale. Sie hänge auch von der psychischen Konstitution eines Menschen und seiner nachhaltig selbst empfundenen Geschlechtlichkeit ab.

Die natürliche Zeugungsfähigkeit sei deshalb evident auch dann nicht gegeben, wenn beispielsweise einem transidenten Mann (…) die Durchführung des Zeugungsaktes wie auch die Austragung und die Geburt eines Kindes (…) nicht möglich ist.

Die private Krankenversicherung muss daher bis zu sechs Inseminationszyklen bezahlen und ihrem Kunden zudem 2000 Euro Schmerzensgeld wegen Diskriminierung zahlen. (LG Wuppertal, Az.: 4 O 373/21).