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Medizinrecht

Sie lieben ihre Familie und empfinden die nun insgesamt 4 Kinder als Bereicherung. Geplant war das allerdings nicht. Weil es nach der Geburt der Zwillinge ihr Leben komplett umkrempeln musste, bekommt ein Münchner Ehepaar 90.000 Euro Schadenersatz. Zahlen muss der Gynäkologe der Frau, weil ihm beim Einsetzen des Verhütungsmittels vermutlich ein Fehler unterlaufen war. Das berichtet Süddeutsche-Online.

Verklagt wurde er von seiner Patientin, die 2012 Zwillinge zur Welt gebracht hat. Geplant war das allerdings nicht, im Gegenteil: Die Familienplanung war eigentlich abgeschlossen. Deshalb wollte die Frau ein absolut sicheres Verhütungsmittel und wandte sich  an ihren Gynäkologen. Der empfahl ein „Implanon“-Hormonstäbchen. Dieses wird mit einer Spritze direkt unter die Haut platziert und gibt dort gleichmäßig Hormone ab.

Familiennachwuchs als Belastung

Eine Abtreibung oder Freigabe zur Adoption wäre für sie nie infrage gekommen. Die Kinder zu bekommen, bedeutete für die Familie allerdings einen großen Einschnitt, der so nicht geplant war: Sie mussten umziehen, ihr altes Auto gegen ein neueres und vor allem größeres eintauschen, zudem musste die Frau beruflich pausieren. Bis zur Geburt der Zwillinge waren sie und ihr Mann beide voll berufstätig gewesen. Mit vier Kindern war das nun nicht mehr möglich. Die Kosten und finanziellen Einbußen wollte die Familie durch den Arzt ersetzt bekommen.

Ein vom Münchner Landgericht beauftragter Sachverständiger aus Kiel konnte zunächst keinen Behandlungsfehler erkennen. Die Klägeranwältin beauftragte daraufhin einen Experten aus Freiburg mit einem weiteren Gutachten. Dieser Professor sagte, dass ein Produktfehler auszuschließen sei – genauso wie ein unbemerktes Herausfallen des Stäbchens oder ein Abtransport durch die Blutgefäße. Somit sei davon auszugehen, dass es tatsächlich vom Gynäkologen gar nicht eingebracht wurde und somit ein fehlerhaftes Vorgehen des Arztes vorliege.

Das Fazit der 9. Zivilkammer: “Das Geschehen ist rätselhaft.” Aber es spreche einiges dafür, dass dem Arzt ein Fehler unterlaufen sei. Deshalb sei dieser nun in der Pflicht, das Gegenteil zu beweisen. Da dies aber nahezu unmöglich sein dürfte, regte das Gericht zunächst die Zahlung von rund 60 000 Euro an. Das lehnte die Anwältin als zu wenig ab. Schließlich einigte man sich auf 90.000 Euro.