Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Recht

Ein Jahr wie dieses gab es wohl noch nie in deutschen Arztpraxen. Nicht alle sind finanziell unbeschadet hin­­durchgekommen. Und so stellt sich zum Jahresende die Frage: Kann ich meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Weihnachtsgeld oder einen versprochenen Bonus überhaupt bezahlen? Für diejenigen, die das mit einem Nein beantworten, kann es schwierig werden. Denn ob der Chef den Roststift ansetzen darf, ist eine komplizierte rechtliche Frage.

Dabei ist es wichtig, die Begriffe Bonus und Gratifikation auseinanderzuhalten, da sie von der Rechtsprechung zum Teil anders behandelt werden. Ob Mitarbeiter Anspruch auf einen Bonus oder eine Gratifikation wie Weihnachts- oder Urlaubsgeld haben, richtet sich meistens nach dem Arbeitsvertrag oder einer Zusatzvereinbarung. Ist dort eine Zahlung ohne Wenn und Aber versprochen, kann sich der Arbeitgeber schwer davon lösen. Eine Möglichkeit wäre hier ein freiwilliger Verzicht der Mitarbeiter. Er erfordert aber Gespräche über die wirtschaftlich angespannte Situation der Praxis und den Willen aller, an einem Strang zu ziehen. Sonst bleibt nur der Weg über eine Änderungskündigung.

Keine Ungleichbehandlung ohne sachlichen Grund

Außerdem kann sich ein Anspruch der Mitarbeiter aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz ergeben. Dieser verbietet es Arbeitgebern, Mitarbeiter ungleich zu behandeln, wenn es dafür keinen sachlichen Grund gibt. Übertragen auf Sonderzahlungen bedeutet dies: Gewährt der Chef einigen Mitarbeitern freiwillig Urlaubs- oder Weihnachtsgeld oder einen Bonus, darf er dies den anderen nicht vorenthalten, wenn es dafür keinen vernünftigen Grund gibt. Sachlich nicht gerechtfertigt wäre etwa die Vorenthaltung der Sonderzahlungen wegen eines Streits.

Vorsicht bei dreimaliger Zahlung

Auch aus einer sogenannten betrieblichen Übung kann sich ein Anspruch der Mitarbeiter auf Auszahlung eines Bonus gründen. Darunter versteht man, dass der Chef den Mitarbeitern eine bestimmte Leistung so regelmäßig gewährt, dass sie darauf vertrauen können, sie auch zukünftig zu erhalten. Nach der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte genügt es dafür, dass eine Leistung wie zum Beispiel das Weihnachtsgeld dreimal hintereinander, also in drei aufeinander folgenden Jahren, vorbehaltlos gewährt wurde. Sollte das in den vergangenen Jahren der Fall gewesen sein, muss der Chef das Weihnachtsgeld auch dieses Jahr zahlen.

In einigen Praxen kann sich ein Anspruch auf eine Sonderzahlung zum Jahresende aus dem Manteltarifvertrag für Medizinische Fachangestellte/Arzthelferinnen ergeben, in größeren Praxen oder MVZ können Ansprüche aus einer Betriebsvereinbarung existieren.

Allerdings muss man genau hinsehen: Viele Klauseln in Arbeitsverträgen enthalten ein Hintertürchen für Arbeitgeber, zum Beispiel einen sogenannten Freiwilligkeitsvorbehalt: Für den Fall, dass etwa die Praxis einmal nicht so gut läuft oder der Chef mit der Leistung eines Mitarbeiters nicht so zufrieden ist, behält er sich die Möglichkeit vor, gar keine Sonderzahlung zu erbringen. Daher steht in der Klausel oft, dass die in Aussicht gestellte Leistung „freiwillig“ erfolgt.

Klauseln in der Regel unwirksam

Allerdings sind solche Klauseln bei Bonuszahlungen, also solchen Zahlungen, die in Zusammenhang mit der Arbeitsleistung stehen, in der Regel unwirksam, da sie als allgemeine Geschäftsbedingungen zu werten sind, die den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligen. Denn sie sichern ihm einerseits die Teilnahme an einem Bonussystem zu, andererseits schließen sie aber einen Rechtsanspruch aus. „Ja, was denn nun?“, fragt sinngemäß das Bundesarbeitsgericht und wertet diese Klauseln als widersprüchlich. Beruft sich ein Mitarbeiter auf die Unwirksamkeit einer solchen Klausel und klagt den Bonus ein, wird der Praxischef den Gerichtsprozess wohl verlieren.

Zulässig ist ein solcher Freiwilligkeitsvorbehalt aber beispielsweise bei der Zahlung von Weihnachtsgeld, um die Entstehung einer betrieblichen Übung zu verhindern. Indem der Arbeitgeber bei der Gewährung dieser Leistung in einem Begleitschreiben einen Freiwilligkeitsvorbehalt erklärt, verhindert er, dass der Arbeitnehmer auf die künftige Gewährung der Leistung vertrauen kann und ein Anspruch entsteht.

Ist die Klausel wirksam? Es kommt auf die Formulierung an

Viele Praxischefs haben in ihre Verträge auch einen sogenannten Widerrufsvorbehalt hineingeschrieben. Die Leistung soll also durch eine einseitige Erklärung des Arbeitgebers widerrufen werden können. Ein Widerrufsvorbehalt ist aber nach der Rechtsprechung nur wirksam, wenn er klar und verständlich formuliert ist, nicht an überraschender Stelle im Vertrag auftaucht und die Gründe für einen künftigen Widerruf der Leistung zumindest schlagwortartig nennt. Widerrufsgründe können etwa wirtschaftliche Gründe sein, die jetzt in der Pandemie zum Tragen kommen, wenn der Praxisumsatz einbricht. Dies muss aber ausdrücklich in der Klausel drinstehen. Außerdem darf der Anteil der Vergütung, der durch einen Widerruf wegfällt, nicht mehr als höchstens 25 bis 30 Prozent der Gesamtvergütung des Mitarbeiters ausmachen. Bei alledem kommt es aber immer auf die genaue Formulierung im Einzelfall an.

Was nicht geht: den Freiwilligkeitsvorbehalt und den Widerrufsvorbehalt zu kombinieren. Arbeitsvertragliche Klauseln, die einen Bonus oder Weihnachtsgeld versprechen, als „freiwillig und stets widerruflich“ zu bezeichnen, war früher weit verbreitet. Das Bundesarbeitsgericht hat diese Klausel-Kombination aber für unwirksam erklärt, da auch sie widersprüchlich ist.

Praxisinhaber mit juristisch gut formulierten Arbeitsverträgen und Vereinbarungen können frei darüber entscheiden, ob sie ihren Mitarbeitern auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten einen Bonus oder eine Gratifikation zahlen. Andere können trotz wirtschaftlicher Schieflage dazu verpflichtet sein. Daher kann es sich lohnen, die bestehenden Verträge und Vereinbarungen mit dem Praxispersonal von einem Profi unter die Lupe nehmen zu lassen und auf mögliche Schwachstellen abzuklopfen. Eine Änderung bestehender Verträge ist zwar nur mit dem Einverständnis der Mitarbeiter möglich oder mithilfe einer sogenannten Änderungskündigung. Bei dieser wird der Arbeitsvertrag insgesamt gekündigt und zugleich seine Fortsetzung zu geänderten Bedingungen, also ohne die fragliche Leistung, angeboten. Änderungskündigungen sind aber oft schwer durchzusetzen. Zumindest bei Neuverträgen können Praxisinhaber darauf achten, sich finanziell nicht zu sehr zu binden.

Viele Praxischefs denken in diesem Jahr allerdings nicht über Bonuskürzungen, sondern über Sonderzahlungen in Form eines zusätzlichen Corona-Bonus für ihre Mitarbeiter nach (siehe unten). Sie sollten trotz aller Dankbarkeit für die herausragende Arbeit Ihres Teams aber darauf achten, das Sahnehäubchen sauber zu regeln, um sich nicht für die Zukunft zu verpflichten.

Bonus oder Gratifikation?

Rechtlich unterscheidet man zwischen Bonus (auch Prämie) und Gratifikation.

  • Ein Bonus ist eine zusätzlich gewährte Leistung zum Gehalt. Er ist in der Regel an die individuelle Leistung des Mitarbeiters oder des Betriebs gekoppelt.
  • Im Gegensatz dazu ist eine Gratifikation eine einmalige Sonderleis­tung wie beispielsweise das Weihnachts- oder Urlaubsgeld oder eine Zahlung zum Betriebsjubiläum. Sie dient in der Regel als Anerkennung für geleistete Arbeit. Sie ist daher leistungsunabhängig.

Corona-Bonus für Mitarbeiter

Arbeitgeber können ihren Mitarbeitern noch bis zum 31. Dezember 2020 eine Sonderzahlung in Höhe von bis zu 1.500 Euro steuer- und sozialversicherungsfrei zukommen lassen. Das regelt ein Erlass des Bundesfinanzministeriums, der es möglich macht, Arbeitnehmer für ihren Einsatz in der Corona-Krise besonders zu belohnen. Voraussetzung ist, dass der Bonus zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn geleistet wird. Da es sich arbeitsrechtlich um eine freiwillige Leistung handelt, sollte der Praxisinhaber sie mit einem Freiwilligkeitsvorbehalt versehen, um die Entstehung einer betrieblichen Übung zu verhindern.