Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Recht

Je qualifizierter ein angestellter Arzt ist, desto höher ist normalerweise das Interesse seines Arbeitgebers, ihn an Bord zu behalten. Es gibt allerdings immer wieder Fälle, in denen auch das Gegenteil der Fall ist.  Klassische Konstellation: Es gibt Ungereimtheiten bei der Abrechnung oder Kompetenzstreitigkeiten mit Kollegen – oder es steht der Vorwurf eines Behandlungsfehlers im Raum, der den Ruf der Praxis oder Klinik schädigt.

In den meisten Fällen schützt das deutsche Arbeitsrecht Arbeitnehmer allerdings sehr wirkungsvoll vor ungerechtfertigten Kündigungen. Und selbst wenn ein ausreichender Grund für den Rauswurf vorliegt, gilt es in der Regel die Kündigungsfrist zu wahren. Diese kann, gerade bei besonders hoch qualifizierten Mitarbeitern, auch schon einmal sechs Monate zum Quartalsende betragen.

Welche Gründe für die Freistellung von Mitarbeitern sprechen

Einen potenziell rufschädigenden oder Unfrieden stiftenden Kollegen weiter im Team zu behalten, kann jedoch zu extremen Problemen im Arbeitsalltag führen. Viele Arbeitgeber sehen in solchen Konstellationen daher keine andere Möglichkeit, als die Notbremse zu ziehen und den Delinquenten bis zum Ablauf der Kündigungsfrist von der Arbeit freizustellen – bei voller Vergütung.

Zugegeben: Für den einen oder anderen Arbeitnehmer dürfte es sehr verlockend sein, monatelang fürs Nichtstun bezahlt zu werden. Gerade in hoch spezialisierten Disziplinen ist die Freistellung aber ein scharfes Schwert, das die Karrierechancen der Betroffenen deutlich verschlechtern kann. Normalerweise dürfen Kliniken und Praxen einen Kollegen daher nur dann gegen dessen Willen freistellen, wenn der Arbeitsvertrag dazu eine entsprechende Regelung enthält und dort auch festgelegt ist, wann ein solcher Schritt – dem Grunde nach – gerechtfertigt ist.

Was bei der Freistellung von Mitarbeitern noch zu beachten ist

Doch selbst wenn der Vertrag all diese Vorgaben erfüllt (vgl. hierzu LAG Hamm, Az. 18 SaGa 1/15), sollten Arbeitgeber bei der eigentlichen Freistellung mit Augenmaß agieren. Das gilt vor allem in Fällen, in denen der Mitarbeiter noch keine Kündigung erhalten hat, aber erhebliche Zweifel bestehen, ob das Arbeitsverhältnis auf absehbare Zeit Bestand haben wird. Das Paradebeispiel für solche Fälle ist der Verdacht einer Straftat. Solange die Fakten hier nicht endgültig auf dem Tisch liegen und klar ist, ob ein Mitarbeiter wirklich einen Abrechnungsbetrug begangen hat oder sexuell übergriffig war, ist eine Kündigung rechtlich schwer durchzusetzen. Andererseits können Praxis- oder Klinikchefs die Vorwürfe auch nicht einfach ignorieren.  Eine Freistellung ist dann ein gutes Mittel, um im Team erst einmal für Ruhe zu sorgen und den Sachverhalt weiter aufzuklären.

„Wichtig ist es jedoch, in einer solchen Konstellation nur eine widerrufliche Freistellung auszusprechen“, sagt Randhir K. Dindoyal, Rechtsanwalt in München. Nur dann behält der Arbeitgeber die Möglichkeit, den oder die Betreffende wieder zurückzubeordern, falls sich die Vorwürfe als falsch erweisen.

Haben freigestellte Mitarbeiter Anspruch auf Urlaub und Boni?

Ist die Kündigung bereits ausgesprochen, kann es hingegen sinnvoller sein, die Betreffenden bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unwiderruflich freizustellen. Denn anders als bei der widerruflichen Variante kann der Arbeitgeber so die noch offene Urlaubstage auf die Freistellung anrechnen und sich die Kosten für deren Abgeltung sparen.

Teuer werden kann eine Freistellung aber doch – vor allem, wenn dem Betroffenen bestimmte Boni zustehen. Ob die Gerichte einem gekündigten Spezialisten während der Freistellung das volle Fixum und 100 Prozent des Bonus zusprechen, ist zwar nicht unbedingt gesagt. In jedem Fall aber sollten Arbeitgeber damit rechnen, dass der gekündigte Arzt seinen Bonus jedenfalls in der Höhe bekommt, den er auch in der Vergangenheit erhalten hat.