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Klinik

Jährlich werden 20 Millionen Patientinnen und Patienten stationär im Krankenhaus behandelt. Die dazugehörigen Kosten bilden den höchsten Anteil der Leistungsausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und lagen im Jahr 2017 bei 74,9 Mrd. Euro. Der Bundeszuschuss aus Steuermitteln in die GKV betrug im selben Jahr 14,5 Mrd. Euro.

Vermutlich könnte man sich einen Teil des Geldes sparen, das legt jedenfalls ein Bericht des Bundesrechnungshofs nahe. Der hat stichprobenartig untersucht, wie Krankenhausabrechnungen durch die Krankenkassen und den Medizinischen Dienst überprüft werden. Man stieß dabei auf “wesentliche strukturelle Mängel”.

Die Krankenkassen, die vom Bundesrechnungshof unter die Lupe genommen wurden, haben 2016 insgesamt 1,2 Mrd. Euro aufgrund von fehlerhaften Abrechnungen zurückfordern können. Die erfolgreichen Rückforderungen aller GKVen werden auf 2,2 Mrd. Euro geschätzt. Allerdings stand dem Betrag bei den Krankenkassen auch ein Aufwand von knapp 800 Mio. Euro gegenüber. Kein besonders gutes Verhältnis.

Hoher Aufwand, geringes Ergebnis

Dem Bericht zufolge prüfen Krankenkassen die Krankenhausabrechnungen unterschiedlich und mit unterschiedlichem Erfolg: Die Rückzahlungsquoten hatten eine Bandbreite von 1,3 bis 3,4 %. Dies deutet laut Bericht auf ungenutzte Potentiale bei der Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit der Krankenhausabrechnungsprüfung hin. Insbesondere die von den Krankenkassen genutzten maschinellen Prüfregelwerke weisen dem Bericht zufolge unterschiedliche „Treffgenauigkeiten“ auf. Verbindliche Standards für ein Risikomanagement der Krankenkassen und dessen Grenzen gibt es offenbar nicht.

Die Prüfungsverfahren verursachen bei allen Akteuren – einschließlich dem Medizinischen Dienst und den Sozialgerichten – zugleich einen sehr hohen Aufwand, der in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen hat. Versuche, mittels rechtlicher Änderungen eine Entlastung zu bewirken, seien bislang aber gescheitert.

Möglichkeiten werden nicht ausreichend genutzt

Beauftragten Krankenkassen den Medizinischen Dienst mit der Begutachtung von Krankenhausleistungen, wurde etwa die Hälfte der geprüften Fälle korrigiert. Die Zahl der Gutachten stieg von 1,2 Millionen im Jahr 2008 auf über 2 Millionen im Jahr 2016. Die Summe der hierdurch bewirkten jährlichen Rückzahlungen an die Krankenkassen stieg von 731 Mio. Euro im Jahr 2012 auf über 1 Mrd. Euro im Jahr 2016.

Das bereits mit dem Beitragsschuldengesetz im Jahr 2013 verfolgte Ziel, den Aufwand für die Durchführung von Krankenhausrechnungsprüfungen zu verringern, wurde somit nicht erreicht. Die Inanspruchnahme des Medizinischen Dienstes verharrt seit Jahren auf hohem Niveau. Vielerorts bestehen massive Rückstände.

Rückforderungen enden oft vor Gericht

Die Prüfung von Krankenhausabrechnungen zog zudem vielfach sozialgerichtliche Verfahren nach sich. Allein die geprüften Krankenkassen betrieben in den Jahren 2012 bis 2016 jeweils bis zu 8.000 gerichtliche Verfahren zu strittigen Krankenhausabrechnungen. Die mit dem Pflegepersonal-Stärkungsgesetz Ende des Jahres 2018 eingeführte erhebliche Verkürzung der Verjährungsfristen für Rückzahlungsansprüche der Krankenkassen führte zu einer zusätzlichen Klageflut. Bundesweit sind bei den Sozialgerichten über 47.000 Klagen anhängig. Da die Krankenkassen vielfach Sammelklagen einreichten, sind über 170.000 Fälle mit strittigen Abrechnungsbeträgen von insgesamt 417 Mio. Euro betroffen.

Das Fazit der Experten

Der Bundesrechnungshof sieht Krankenhäuser und Krankenkassen bei der Krankenhausabrechnung und ihrer Prüfung in einer Eskalationsspirale gefangen. Im Wettbewerb untereinander nutzen Krankenhäuser bestehende Anreize für erlösorientiertes Abrechnen konsequent aus. Für Krankenkassen lohnt sich im Gegenzug eine Ausweitung der Abrechnungsprüfung, weil dadurch noch mehr fehlerhafte Abrechnungen identifiziert und weitere Rückzahlungen erzielt werden können. Um dieser Fehlentwicklung zu begegnen, hält der Bundesrechnungshof ein Abrechnungs- und Prüfsystem für notwendig, das ein korrektes Abrechnen fördert, ein gegenseitiges „Wettrüsten“ von Krankenhäusern und Krankenkassen unterbindet und mit weniger Aufwand beherrschbar ist.

Der Bundesrechnungshof regt deshalb in seinem Bericht an, den Anreiz für ein korrektes Abrechnungsverhalten der Krankenhäuser zu stärken. Eine wesentliche Ursache fehlerhafter Krankenhausabrechnungen lag nach Feststellungen des Medizinischen Dienstes vor allem in einem „erlösorientierten Up- oder Falschcoding“. Während überhöhte Rechnungen der Krankenhäuser ohne Sanktion bleiben, schulden Krankenkassen dem Krankenhaus bei ergebnislosen Prüfverfahren eine Aufwandspauschale von 300 Euro. Die daraus folgenden Zahlungen beliefen sich im Jahr 2016 auf 144,5 Mio. Euro.

Aus Gründen der Gleichbehandlung empfiehlt der Bundesrechnungshof, auch zulasten der Krankenhäuser eine adäquate Aufwandsabgeltung zu normieren, falls das Prüfverfahren zur Minderung einer Krankenhausabrechnung führt. Die DKG hat dagegen eingewandt, ein Krankenhaus befände sich im Gegensatz zur Krankenkasse in einer passiven Situation und könne nur reagieren. Dies überzeugt aus Sicht des Bundesrechnungshofes nicht. Bei fehlerhafter Abrechnung gibt ein Krankenhaus aktiv Anlass für eine Überprüfung.

Um die Zahl der Gerichtsverfahren zu verringern, hält der Bundesrechnungshof es für erforderlich, nach Möglichkeiten einer niederschwelligen Konfliktbewältigung zu suchen. Er schlägt vor, ein verbindliches Schlichtungsverfahren zwischen Krankenkasse und Krankenhaus zu etablieren, das vor Beauftragung des Medizinischen Dienstes und vor Klageerhebung durchzuführen ist.

Das für die Abrechnung von Krankenhausleistungen vorgesehene DRGsystem (Diagnosis Related Groups-System) soll ebenfalls nachgebessert werden, da mit steigender Komplexität auch der Dokumentations- und der Prüfaufwand wachsen. Das DRG-System erfordere eine Abrechnungsgenauigkeit, die in der Praxis oft nicht erreicht wird, was zu regelwidrigem Verhalten beitrage. Es sollte hinterfragt werden, ob eine weitere Ausdifferenzierung erforderlich ist, mit welchem Nutzen sie verbunden wäre und ob ein angemessenes „Kosten-Nutzen-Verhältnis“ besteht. Dem haben sich der GKV-Spitzenverband und die DKG im Ergebnis angeschlossen.