Fehlerhafte Aufklärung in der Klinik gefährdet Vergütungsanspruch
A&W RedaktionNicht nur zur Vermeidung von Haftungsansprüchen ist eine umfassende Aufklärung des Patienten unabdingbar. Nach der jüngsten Rechtsprechung des Bundesozialgerichts können Fehler beim Aufklärungsgespräch auch an anderer Stelle sehr, sehr teuer werden.
Paukenschlag aus Kassel: Das Bundessozialgericht hat entschieden, dass die fehlerhafte Aufklärung eines gesetzlich versicherten Patienten sich auch auf den Vergütungsanspruch des Krankenhauses gegen die Krankenkasse auswirken kann (Az. B 1 KR 20/19).
Allogene Stammzelltransplantation erhalten
In konkreten Fall stritten sich eine Hamburger Klinik und eine Krankenkasse um 45.351,04 Euro für die stationäre Behandlung eines Patienten, der eine allogene Stammzelltransplantation erhalten, später aber an einem Multiorganversagen und einer Sepsis verstorben war.
Die Kasse hatte zunächst den vollen Rechnungsbetrag in Höhe von EUR 89.360,66 beglichen, später aber, nach einer Stellungnahme des MDK, mit anderen Forderungen des Krankenhauses aufgerechnet, wodurch besagtes Minus entstand. Als Argument für die Kürzung führte die Kasse an, der Patient sei nicht ausreichend über die Risiken der noch recht neuen Behandlungsmethode aufgeklärt worden. Der Fall wurde streitig.
BSG kassiert Entscheidung der Vorinstanz
In den ersten beiden Instanzen siegte die Klinik. Sowohl das Sozialgericht als auch das Landessozialgericht (LSG) entschieden, dass dem Krankenhaus der volle Vergütungsanspruch gegen die Kasse zustand, da die Voraussetzungen grundrechtsorientierter Leistungsauslegung vorgelegen hätten, die Behandlung qualitätsgerecht durchgeführt worden und der Versicherte ausreichend aufgeklärt worden sei.
Das BSG sah das anders, hob das Urteil des LSG auf und verwies den Fall zur weiteren Sachverhaltsaufklärung zurück. Zur Begründung führten die obersten Sozialrichter unter anderem aus, dass die vom LSG getroffenen Feststellungen zur ordnungsgemäßen Aufklärung über Chancen und Risiken der Behandlung unzureichend gewesen seien. Zwar sei die Frage der ordnungsgemäßen Aufklärung primär unter Haftungsgesichtspunkten relevant. In der gesetzlichen Krankenversicherung diene sie aber auch dem Wirtschaftlichkeitsgebot, da im Sachleistungssystem der Versicherte entscheide, ob er die ihm ärztlich angebotene, medizinisch notwendige Leistung abrufe oder nicht. Fehle die ordnungsgemäße Aufklärung, könne das Auswirkungen auf den Vergütungsanspruch eines Krankenhauses gegen die Krankenkasse des Versicherten haben.
Je größer das Risiko desto höher die Anforderungen an das Aufklärungsgespräch
Weiterhin gilt zwar, dass bei Routinebehandlungen im Sinne einer widerlegbaren Vermutung davon auszugehen ist, dass die Aufklärung ordnungsgemäß stattgefunden und Versicherte ihre Entscheidung für die Inanspruchnahme von Krankenhausleistungen auf der Grundlage von ausreichenden Informationen treffen. Das gelte jedoch nicht, wenn mit der Behandlung – wie im vorliegenden Fall – das Risiko schwerwiegender Schäden, insbesondere ein hohes Mortalitätsrisiko verbunden sei. In diesen Situationen ist regelmäßig nicht auszuschließen, dass Versicherte bei ordnungsgemäßer Aufklärung von dem Eingriff Abstand genommen hätten, vor allem, wenn es sich bei der beabsichtigten Behandlung um einen noch nicht dem allgemein anerkannten medizinischen Standard entsprechenden Therapieansatz handelt.
Ärzte und Krankenhausträger sollten angesichts dieser Entscheidung unbedingt ihre Aufklärungspraxis überprüfen, insbesondere wenn es nicht um Standardbehandlungen geht. Schleichen sich dort Fehler ein, drohen sonst nicht nur Schmerzensgeld- und Schadenersatzforderungen, sondern es besteht auch das Risiko, die eingeplante Vergütung zu verlieren.