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Klinik

Wird die Einwilligung in eine Operation in einer schwierigen Situation gegeben, muss die Klinik unter bestimmten Umständen beim Patienten nachfragen, ob dies nach wie vor seinem freien Willen entspricht. So jedenfalls in dem vom 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln entschiedenen Einzelfall.

Senat erklärte die Einwilligungserklärung für unwirksam

Die 57-jährige Klägerin hatte sich den Oberschenkelhals gebrochen und war nachts in die Klinik eingeliefert worden. Beim Aufklärungsgespräch war sie sehr skeptisch und “regelrecht widerspenstig” gegenüber der für notwendig gehaltenen Operation gezeigt. Sie unterschrieb letztendlich aber die Einwilligungserklärung für die am nächsten Mittag vorgesehene Operation. Sie bat allerdings ihren Ehemann, die Zeit zu nutzen und am nächsten Vormittag noch die Meinung ihres Orthopäden einzuholen. Die Patientin konnte den Rat ihres Orthopäden allerdings nicht mehr berücksichtigen. Als die OP um mehrere Stunden nach vorn verschoben wurde, ging die Klinik davon aus, dass die Einwilligung weiterhin bestand.

Die Richter am OLG Köln sahen dies jedoch anders: Die Klinik hätte sich in dieser Situation bezüglich der Einwilligung vergewissern müssen. Da dies nicht geschehen war, sprach der Senat der Patientin wegen der Operationsfolgen ein Schmerzensgeld von 10.000 Euro zu.

Patient muss Zeit zum Nachdenken haben

Im Rückblick hätte die Patientin nämlich eine konservative Therapie des Bruches bevorzugt und verklagte die Klinik deshalb auf ein Schmerzensgeld in Höhe von 50.000 Euro. Anders als das Landgericht, das die Klage abgewiesen hatte, sprach der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts der Klägerin einen Betrag von 10.000 Euro wegen aus der Operation resultierenden dauerhaften Schmerzen im rechten Oberschenkel zu.

Begründung: Die Operation sei zwar fehlerfrei durchgeführt worden, die Einwilligung der Patientin in diesem Fall aber unwirksam gewesen. Die Aufklärung eines Patienten müsse so rechtzeitig erfolgen, dass dieser seine Entscheidung wohlüberlegt treffen könne. Ein stationär aufgenommener Patient müsse regelmäßig mindestens einen Tag vor der Operation aufgeklärt werden, wenn der Eingriff nicht medizinisch dringlich sei. Ihre Operation sei zwar spätestens innerhalb von 24 Stunden nach dem Unfall geboten gewesen, aber kein Notfall, der der Patientin eine sofortige Entscheidung ohne jegliche Überlegungsfrist abverlangt hätte.

Ärzte müssen sich vom Willen des Patienten überzeugen

Den Patienten direkt nach der Aufklärung zur Einwilligung zu bewegen, sei schon vom Grundsatz her bedenklich. Der Patient treffe seine Entscheidung unter dem Eindruck einer großen Fülle von unbekannten und schwer verständlichen Informationen und wie hier nach dem Unfall in einer persönlich schwierigen Situation. Die Erklärung stehe deshalb immer unter dem Vorbehalt, dass der Patient die ihm verbleibende Zeit nutze, um die erhaltenen Informationen zu verarbeiten und um das Für und Wider des Eingriffs für sich abzuwägen und sich gegebenenfalls anders zu entscheiden.

Patient muss nicht aktiv widersprechen

In einem solchen Fall sei es nicht Aufgabe des Patienten, sich durch eine ausdrückliche Erklärung von seiner zuvor gegebenen Einwilligungserklärung zu lösen. Es sei vielmehr Aufgabe der Ärzte, sich davon zu überzeugen, dass die gegebene Einwilligungserklärung nach wie vor dem freien Willen des Patienten entspreche. Dies gelte allerdings nur für den Fall, bei dem der Patient keine ausreichende Bedenkzeit für seine Einwilligung gehabt habe, so wie die Klägerin. Die operierenden Ärzte, denen die kurze Überlegungszeit bekannt gewesen sei, hätten sich daher ausdrücklich bei der Klägerin vergewissern müssen, ob es bei der Entscheidung der Nacht bleibe.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen (Urteil des Oberlandesgerichts Köln vom 16.01.2019,Az. 5 U 29/17).