Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Abrechnung

Zwischen gesetzlich Versicherten und Selbstzahlern besteht ein wesentlicher Unterschied. Während in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) Leistungsempfänger und Zahlungspflichtiger nicht identisch sind, ist das bei den Selbstzahlern gegeben. Das bedeutet, dass ein Selbstzahler oder Privatversicherter eine Rechnung nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) erhält. Er kann dann prüfen, ob die abgerechnete Leistung auch erbracht wurde, bevor er diese gegebenenfalls an eine Krankenversicherung und/oder die Beihilfestelle weiterleitet. In der GKV kann ein Versicherter zwar eine Patientenquittung anfordern. Dann sieht er, was der Vertragsarzt mit der kassenärztlichen Vereinigung (KV) abrechnet. Aber auf Grund der Komplexität des einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) kann er die Abrechnung eigentlich nur beurteilen, wenn er den EBM gut kennt. Dementsprechend wird eine Patientenquittung nur selten angefordert.

Vertrauen ist gut, Kontrolle besser

Aus dem Vorgenannten ist ersichtlich, dass KVen und gesetzliche Krankenkassen die eingereichten Abrechnungen entsprechend den Vorgaben von § 106d (1) des fünften Sozialgesetzbuches (SGB V) und § 45 des Bundesmantel-Vertrages für Ärzte (BMV-Ä) auf sachlich-rechnerische Richtigkeit und Plausibilität prüfen müssen.

Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit

§ 106d (2) SGB V regelt dabei die Aufgabe der KVen, die unter anderem zu prüfen haben, ob der EBM richtig angewandt wurde. Die sachlich-rechnerische Richtigkeit wird in aller Regel automatisiert geprüft. Bei dieser Prüfung wird kontrolliert, ob der EBM korrekt angewandt wurde. Das kann zum Beispiel bei Hausärzten die Frage sein, wenn sie im normalen Praxisalltag die Gebührenordnungsposition (GOP) 02100 für die Infusion abgerechnet haben. Diese ist in der Präambel des Hausarztkapitels nicht aufgeführt und damit für Hausärzte nicht abrechenbar. Auch die Abrechnung von GOP nebeneinander kann Probleme bereiten. Dabei ist es wichtig, ob „nicht neben“ in der Legende genauer spezifiziert ist. Wenn dies zum Beispiel durch „im Behandlungsfall nicht neben“ erfolgt, ist klar, dass das komplette Quartal gemeint ist. Wenn die Legende keine solche Spezifizierung enthält, betrifft „nicht neben“ nur die entsprechende Sitzung. Ein weiterer Punkt bei der sachlich-rechnerischen Prüfung der KVen ist die Frage, ob der Kollege oder die Kollegin überhaupt die erforderliche Genehmigung zu Abrechnung hat. Das betrifft vor allem die Sonografie (Kapitel 33) und die psychosomatische Grundversorgung (GOP 35100/35110). Aber auch die Allergologie (Kapitel 30.1) und die Schmerztherapie (30.7) sind hier zu nennen.

Prüfung der Plausibilität

Im zweiten Schritt prüft die KV, ob die abgerechnete Leistung auch plausibel ist. Der § 46 des BMV-Ä dazu ist relativ kurz. Es gibt aber in jeder KV dazu eine entsprechende Prüfvereinbarung. So ist zum Beispiel in der KV Baden-Württemberg geregelt, dass ein Prüfungsausschuss für die Plausibilität der Abrechnung aus zwei Vertragsärzten und zwei KV-Mitarbeitern besteht. Die Zeit- und Quartalsprofile sind ein Aufgreifkriterium für die Plausibilitätsprüfung. Es können aber auch weitere Kriterien benutzt werden, etwa eine auffällige Steigerung der abgerechneten Leistung oder der behandelten Patienten. Bei der Leistung kann die Steigerung auch einzelne GOP oder Kapitel des EBM betreffen. Es bietet sich darüber hinaus auch an, die abgerechnete Leistung und den ICD-10-Kode zu überprüfen. So ist zu erwarten, dass ein Hausarzt, der bei jedem grippalen Infekt die Nasennebenhöhlen schallt, in eine Plausibilitätsprüfung kommt. Das ist darin begründet, dass bei grippalem Infekt extrem selten die Nasennebenhöhlen mit Ultraschall untersucht werden. Bei einer Sinusitis hingegen schon. Wer also schlampig kodiert, kann dadurch in einer Plausibilitätsprüfung Ärger bekommen.

Wenn eine unplausible Abrechnung wahrscheinlich ist, wird der Vertragsarzt oder die Vertragsärztin entsprechend informiert und bekommt Zeit zur Stellungnahme. Der Prüfungsausschuss kann auch entsprechende Patientenakten anfordern. In § 295 SGB V ist geregelt, dass der Vertragsarzt diese auf Anforderung übergeben muss und damit nicht die ärztliche Schweigepflicht verletzt.

Aufgabe der Krankenkassen

§ 106d (3) SGB V regelt die Aufgabe der gesetzlichen Krankenkassen bei der Abrechnungsprüfung. Diese müssen unter anderem prüfen, ob

  • überhaupt eine Leistungspflicht ihrerseits besteht,
  • der Umfang der abgerechneten Leistung plausibel zur kodierten Diagnose passt und
  • die Zahl der vom Patienten beanspruchten Ärzte insbesondere einer Fachgruppe plausibel ist.

 

  1. Der erste Punkt ist relativ klar. Wenn ein Versicherter die Krankenkasse wechselt und der Vertragsarzt trotzdem weiter über die damit ungültige Gesundheitskarte abrechnet, besteht für diese keine Leistungspflicht mehr.
  2. Der zweite Punkt ist bei KVen und Kassen angesiedelt. Meist werden die KVen aktiv, da sie das schon automatisiert prüfen können.
  3. Der dritte Punkt fällt den Kassen eher auf als den KVen, da die Kasse auf jeden Versicherten sieht, die KV aber auf jede Abrechnung.

Grundsätzlich müssen Kassen und KVen sich über Prüfungen und deren Ergebnis informieren.

Stellungnahme bei Auffälligkeit

Eine angeforderte Stellungnahme sollte sehr sorgfältig erstellt werden, mit dem Ziel unbeschadet aus der Prüfung zu kommen. Der Hintergrund: Es geht nicht nur um die möglicherweise unplausible Abrechnung. Sondern die KV kann bei grob fahrlässiger Falschabrechnung auch ein Disziplinarverfahren beantragen. Und nach Abschluss des Verfahrens bei grob fahrlässiger Falschabrechnung oder abhängig von der Schadenssumme kann sie den Vorgang auch an die Staatsanwaltschaft geben. Schon bei einer nachgewiesenen grob fahrlässigen Falschabrechnung kann die KV das Honorar auf den Fachgruppendurchschnitt kürzen.

Fallstricke

Meist führen Auffälligkeiten im Tages- oder Quartalsprofil zu Prüfungen. Nachfolgend genannte Aspekte sind dabei zu beachten:

  1. Das allgemeine Argument, dass man schneller arbeitet als Kolleginnen oder Kollegen, zieht im Regelfall nicht. Man muss sehr genau belegen können, wie lang man für einzelne Leistungen braucht. Man könnte zum Beispiel für einen kompletten Arbeitstag die Zeit für jede einzelne abgerechnete Leistung erfassen und dann die Differenz zwischen der Prüfzeit und der eigenen Durchschnittszeit ermitteln. Sollte sich dann herausstellen, dass man zum Beispiel bei der Sonografie schneller ist als die Prüfzeit, könnte man damit begründen, dass die abgerechneten Leistungen auch erbracht wurden. Allerdings muss man damit rechnen, dass der Prüfungsausschuss die Akten von Patienten anfordert, die schneller sonografiert wurden als die Prüfungszeit besagt, und an die KV-interne Qualitätskontrolle gibt. Wenn diese feststellt, dass die Bilddokumentation nicht ausreichend beurteilbar ist, war das aber ein Eigentor. Dann wurde die Leistung nicht komplett erbracht und ist somit nicht abrechenbar.
  2. Wesentlich besser kann man eine auffällige Zeitüberschreitung verargumentieren, wenn eine benachbarte Praxis ohne Nachfolge geschlossen hat. Oder aber, wenn gerade eine massive Influenzainfektion durchs Land läuft, was zu Zeiten der Corona-Pandemie eher nicht gegeben ist.

Die Prüfer sind angehalten, auch Aspekte zugunsten des Vertragsarztes zu berücksichtigen. Dementsprechend folgt nicht auf jede Rückfrage wegen der Plausibilität auch eine Kürzung des Honorars des Vertragsarztes.

Vorgehen
Strukturiertes Handeln ist bei Anfragen zur Abrechnung nötig.

  • Was wird speziell beanstandet?
  • Bis wann muss spätestens eine Antwort vorliegen?
  • Gibt es Gründe für die Auffälligkeit (Nachbarpraxis geschlossen, Infektionswelle, besondere Patientenklientel, Spezialisierung)?
  • Lässt sich die Auffälligkeit als notwendig verargumentieren?
  • Kann man die Antwort allein schreiben oder ist ein Anwalt hilfreich?