So rechnen Sie die Diagnostik von Husten, Schnupfen und Co. effektiv ab
Dr. Ulrich KarbachNach fünf bis sieben Tagen ist ein grippaler Infekt meist vorbei. Mit COVID-19 hat sich die Situation etwas geändert, es kommen mehr erkältete Patienten in die Praxis. Wie das Prozedere und die Abrechnung in solchen Fällen normalerweise sind, lesen Sie hier.
Wegen einer banalen Erkältung wird kaum jemand eine Hausarztpraxis aufsuchen. Es sei denn, dass ein Arbeitgeber schon am ersten Krankheitstag eine Krankschreibung verlangt. Aber es gibt natürlich Infektionen mit geringer und solche mit sehr intensiver Ausprägung. Zudem ist der Leidensdruck unterschiedlich ausgeprägt. Jede Kollegin und jeder Kollege kennt seine Pappenheimer. Das bedeutet, dass man einerseits kranken Patienten vermittelt, dass sie nicht arbeitsfähig sind, und andererseits keine Arbeitsunfähigkeitbescheinigung (AU) verlängert oder ausstellt, wenn die betreffende Person arbeitsfähig ist.
Mit COVID-19 hat sich die Situation etwas verändert. Die aktuell kursierende Variante von SARS-CoV-2 scheint stärker ansteckend zu sein, aber vielfach nur wenige Symptome zu verursachen.
Der Normalfall: Erkältung und Co. abrechnen
Bei der klassischen Erkältung reichen Anamnese und körperliche Untersuchung völlig aus. Weder Bildgebung noch Labor sind nach Leitlinie notwendig. Das bedeutet, dass beim ersten direkten Arzt-Patienten-Kontakt nur die Versicherten- oder Grundpauschale und im hausärztlichen Bereich die Gebührenordnungsposition (GOP) 03040/04040 für die hausärztliche Versorgungsbereitschaft anfallen. Im hausärztlichen Versorgungsbereich wird nur die GOP 03000 / 04000 abgerechnet. Die zuständige Kassenärztliche Vereinigung (KV) ordnet die entsprechende altersabhängige Bewertung zu und setzt auch die GOP 03040 bei Hausärzten oder 04040 bei Pädiatern an, wenn die Bedingungen erfüllt sind. Das ist in der Regel der Fall, es sei denn, man erbringt nur spezialisierte Leistungen, zum Beispiel als pädiatrischer Kardiologe.
In den letzten beiden Jahren war die Zahl der Infektionen mit Influenza in Deutschland außerordentlich niedrig. Virologen vermuten, dass es in dieser Influenzasaison einen massiven Schub an Influenzainfektionen geben könnte. Möglicherweise begünstigt durch die geringe Impfrate bei den Personen, die in der Schutzimpfungs-Richtlinie aufgeführt sind. Bedingt durch die quadrivalenten Impfstoffe ist das Risiko für ein Mismatch zwischen Impfstoff und kursierendem Virus geringer als bei den früheren trivalenten Impfstoffen.
Die Impfung gegen Influenza wird als Standardimpfung bei Personen ab dem 60. Lebensjahr mit 89111 kodiert. Die Indikationsimpfung bei gesundheitlichen Risiken wie etwa Diabetes mellitus wird mit 89112 kodiert. Bei beruflicher Indikation oder Reiseimpfung wird die Schutzimpfung gegen Influenza mit 89112 Y kodiert. Die Abrechnung der Schutzimpfung gegen Influenza erfolgt bei gesetzlich Versicherten gemäß der regionalen Impfvereinbarung.
Normale unkomplizierte Atemwegsinfekte und Influenza lassen sich meist schon anhand der Anamnese unterscheiden. Während über 80 Prozent der Betroffenen mit unkompliziertem Atemwegsinfekt Schnupfen haben, sind es bei Influenza maximal ein Drittel. Kopfschmerzen, Abgeschlagenheit, Husten, Frösteln und Fieber (>38 °C) kommen bei nahezu allen Erkrankten mit Influenza vor, aber bei unkomplizierten Atemwegsinfekten eher selten und Fieber gerade bei einem Prozent der Betroffenen. Egal, ob banaler Atemwegsinfekt oder Influenza ist die Abrechnung gleich. Da es im Regelfall – abgesehen von der längeren Krankheitsdauer bei Influenza – keine weitere Konsequenz hat, wird auf den Virusnachweis bei Influenza in der Regel verzichtet. Das ist aber für die ICD-10-Kodierung wichtig. Die saisonale Influenza mit Virusnachweis wird mit J10.- kodiert. Im Gegensatz dazu wird eine Influenza ohne Virusnachweis mit J11.- kodiert.
Abklärung eines Hustens
Ein Husten kommt bei etwa 40 Prozent der unkomplizierten Atemwegsinfekte vor. Da sich ein oberer Atemwegsinfekt sowohl zu einer Sinusitis als auch zu einer Bronchitis entwickeln kann, ändert das an der Diagnostik erst einmal nichts. Daher ändert sich an der Abrechnung auch nichts. Erst wenn es um die Differenzierung von Bronchitits und Pneumonie geht, ist laut Leitlinie auch bei akutem Husten gegebenfalls eine Bildgebung des Thorax nötig. Das bedeutet eine Überweisung zum Radiologen, der dann das Röntgen-Thorax selbst abrechnet.
Bei subakutem und chronischem Husten sollte gemäß der Leitlinie eine weitere Abklärung erfolgen. Dabei ist zu bedenken, dass ein Husten auch sechs bis acht Wochen nach einer Influenza noch bestehen kann. Sprich, abgesehen von Husten mit Warnzeichen, was eine sofortige Klärung nach sich ziehen sollte, ist keine Eile geboten.
Nur ein Beispiel: Bei Behandlung einer Hypertonie mit einem ACE-Hemmer kann ein dadurch ausgelöster Husten auch Jahre nach der Ersteinstellung auftreten. In solch einem Fall könnte man vom ACE-Hemmer auf ein Sartan umstellen. Als Argument kann man bei einer Wirtschaftlichkeitsprüfung den ACE-Hemmer-Husten angeben (ICD-10GM: T88.7). Wenn keine Warnzeichen vorliegen, sollte man rund drei Wochen warten und erst dann weiter aktiv werden, wenn sich der Husten nicht bessert.
Kompliziertere Fälle abrechnen
Aktuell hört man von Pneumologen, die in großen Kliniken Patienten mit COVID-19 behandeln, dass viele Patienten wegen anderer Diagnosen aufgenommen werden und zusätzlich COVID-19 haben. Dementsprechend sterben manche Menschen auch nicht an, sondern mit COVID-19.
Dieser Exkurs ruft in Erinnerung, was alle erfahrenen Kolleginnen und Kollegen wissen: Gesunde jüngere Menschen sind durch einen Atemwegsinfekt oder eine Influenza weniger gefährdet als Menschen mit Vorerkrankungen.
Immer dann, wenn eine chronische Erkrankung länger besteht und kontinuierlicher ärztlicher Behandlung bedarf, kommen weitere Abrechnungspositionen ins Spiel. Ein kontinuierlich behandelter Patienten mit Typ-2-Diabetes hat ein höheres Risiko, einen Atemwegsinfekt zu bekommen. Wenn er nur deswegen im Quartal in die Praxis kommt, so sollte man daran denken, nach Diabeteskomplikationen zu sehen und den Diabetes mellitus auch als Behandlungsdiagnose zu kodieren. Wenn man dies unterlässt, besteht das Risiko, dass man die Vorgaben der hausärztlichen Chronikerziffer (GOP 03220) nicht erfüllt und diese bei der Abrechnung gestrichen bekommt. Abgesehen davon sollte eigentlich gemäß der Leitlinie jedes Quartal zumindest der HbA1c-Wert geprüft werden.
Pädiater gehen davon aus, dass Kinder pro Jahr im Durchschnitt circa 13 Infektionen der Atemwege haben. Bei Erwachsenen kommen deutlich weniger Atemwegsinfekte als bei Kindern vor. Das Robert Koch-Institut hat gemeldet, dass die Zahl der Atemwegsinfekte diesen Sommer/Herbst ungewöhnlich hoch war. Eine mögliche Erklärung besteht darin, dass die Aufhebung der verpflichtenden Schutzmaßnahmen bezüglich SARS-CoV-2 dazu geführt hat, dass all die Viren, die einen Atemwegsinfekt hervorrufen können, wieder leichter Zugang zu unseren Atemwegen haben.
Wenn ein ansonsten gesunder Mensch zweimal oder dreimal in kurzem zeitlichen Abstand mit Infektionen in die Praxis kommt, werden die meisten niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen stutzig und untersuchen, ob der Betreffende nicht eine Störung der Immunabwehr hat.
Plausibiltätsprüfung |
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Ganz wichtig: Bei einer Welle von grippalen Infektionen – meist im 4. Quartal – oder Influenza – meist im 1. Quartal – kann es sein, dass man mehr Patienten, aber nur einmal im Quartal sieht. Da die Prüfzeit im EBM aber länger ist, als man in der Regel für einen Arzt-Patienten-Kontakt bei dieser Diagnose benötigt, kann es Ärger bei der Plausibilitätsprüfung geben. Im Falle einer Anfrage der KV kann man mit der Anzahl der Personen argumentieren, die nur wegen grippalem Infekt behandelt wurden. |