Telematikinfrastruktur: Kassen wollen Erstausstattung nicht zahlen
A&W RedaktionUm die neue Telematikinfrastruktur (TI) nutzen zu können, benötigen Praxisinhaber verschiedene Komponenten und Dienste. Neue Kartenterminals, der VPN-Zugangsdienst oder die Anpassung des Praxisverwaltungssystems bedeuten nicht nur erheblichen Umrüstungsaufwand, sondern auch Kosten. Nach den gesetzlichen Vorgaben sind die Krankenkassen verpflichtet, Erstausstattung und Betriebskosten zu übernehmen. Doch die wollen nicht.
Im Juli soll der Startschuss für das sogenannte Online-Rollout fallen, in dessen Rahmen Arzt-Praxen an die neue Telematikinfrastruktur (TI) angeschlossen werden. Die TI soll die IT-Systeme von Arztpraxen, Apotheken, Krankenhäusern und Krankenkassen miteinander verbinden und so einen schnellen, sicheren und systemübergreifenden Austausch von Informationen ermöglichen. Geplant ist, das neue System ab Sommer 2018 bundesweit nutzen zu können.
Die bisherige Ausstattung der Arztpraxen reicht dafür allerdings nicht aus. Es müssen zusätzliche Geräte angeschafft bzw. bestehende Systeme überprüft und gegebenenfalls ausgetauscht werden. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hat zusammengefasst, welche Komponeten und Dienste benötigt werden, um die Telematikinfrastruktur (TI) nutzen zu können:
Diese technische Ausstattung benötigen Praxen künftig
Konnektor: Der Zugang zur TI erfolgt über einen Konnektor – ähnlich einem DSL-Router, allerdings auf einem deutlich höheren Sicherheitsniveau. Der Konnektor wird mit den stationären Kartenterminals der Praxis sowie dem Praxisverwaltungssystem per Netzwerk verbunden.
Neue Kartenterminals: Mit den Kartenterminals werden die elektronische Gesundheitskarte (eGK), der elektronische Heilberufsausweis (eHBA) und die Praxis- beziehungsweise Institutionskarte Security Module Card Typ B (SMC-B) eingelesen. Nur wenn die Praxis mittels SMC-B registriert ist, kann der Konnektor eine Verbindung zur TI aufbauen. Auch die Anschaffung mobiler Kartenterminals, die z.B. bei Hausbesuchen zum Einsatz kommen, ist notwendig.
VPN-Zugangsdienst: Für den Zugang zur TI wird ein sogenannter VPN-Zugangsdienst benötigt, der von einem speziellen Dienstleister bereitgestellt wird.
Praxisverwaltungssystem: Bestehende Praxisverwaltungssysteme (PVS) müssen an die neuen Standards angepasst werden. Kann der bisherige Hersteller die Voraussetzungen nicht erfüllen, muss schlimmstenfalls sogar das komplette PVS ausgetauscht werden, damit das Auslesen und Aktualisieren der Versichertendaten auf der eGK künftig noch möglich ist.
Wer übernimmt die Kosten?
Die Umstellung der Systeme kostet die Praxen nicht nur Zeit, sondern auch Geld. Der Gesetzgeber hat die Krankenkassen deshalb verpflichtet, die Kosten für die Erstausstattung der Praxen und die Betriebskosten in voller Höhe zu übernehmen. Doch die wollen nicht. Bis Ende März sollten KBV und GKV-Spitzenverband eine entsprechende Finanzierungsvereinbarung unterschreiben. Wie die Kassenärztliche Bundesvereinigung meldet, sind die entsprechenden Verhandlungen gescheitert.
Gestritten wird vor allem über den Konnektor. Die Krankenkassen wollen die Kosten für das aktuell verfügbare Modell nicht komplett übernehmen. Sie möchten deutlich weniger zahlen und berufen sich dabei auf den voraussichtlichen Preis des Folgemodells. Der fällt tatsächlich geringer aus. Allerdings wird das neue Modell frühestens in einem Jahr verfügbar sein. Da der Rollout aber 2017 beginnen muss, würden die Praxen, die das aktuelle Modell erhalten, auf einem Teil der Kosten sitzen bleiben. Das sei nicht hinnehmbar, betont Dr. Thomas Kriedel, Mitglied des KBV-Vorstandes: „Wenn sich die Preise verändern, können wir gern neu verhandeln. Doch solange davon auszugehen ist, dass in 2017 nur ein Konnektor verfügbar sein wird, müssen die Krankenkassen auch den Preis für dieses Gerät zahlen“.
Uneinig ist man sich außerdem über die notwendige Ausstattung der Praxen mit den neuen mobilen Kartenterminals. Sowohl die Anspruchsvoraussetzungen als auch die Anzahl mobiler Kartenterminals, die von Kassen finanziert werden, sind laut KBV weiterhin strittig. Auch wollen die Krankenkassen die Kompensation der Ausfallzeiten, die durch die Umstellung entstehen, sowie die Kosten für die Anpassung der Praxisverwaltungssysteme nicht vollständig übernehmen.
Nachdem bereits mehrere Verhandlungsrunden gescheitert sind, muss nun das Bundesschiedsamt über die Höhe der Kostenübernahme entscheiden. Das Verfahren wurde bereits eröffnet. Die Entscheidung soll bis Ende April fallen.