Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
E-Health

Forschende der Ruhr-Universität Bochum, der Leibniz Universität Hannover und des Helmholtz-Zentrums für Informationssicherheit CISPA haben in einer Interviewstudie aufgedeckt, dass es zahlreiche Missverständnisse zu dem Thema gibt. Insbesondere die Rolle der Krankenkassen stößt auf Skepsis. Die Ergebnisse der Studie wurden von Prof. Dr. Karola Marky und Doktorandin Rebecca Panskus von der Ruhr-Universität Bochum, vorgestellt. Ihr Fazit: „Die digitale Infrastruktur der elektronischen Patientenakte könnte deutlich verbessert werden. Und es ist insgesamt deutlich mehr Aufklärung zu dem Thema erforderlich, die man nicht allein den Arztpraxen und Apotheken aufbürden kann.“

Falsche Vorstellungen der Versicherten

Die Forschenden baten 21 gesetzliche Versicherte darum, die digitale Infrastruktur hinter der Patientenakte zu skizzieren. Sie sollten anhand eines Szenarios darstellen, wie der Datenfluss funktioniert, wenn sie einem Arzt Zugriff auf ihre Akte gewähren. Mithilfe von Icons symbolisierten die Befragten verschiedene Elemente wie Ärzt:innen, Smartphones, Krankenkassen und Krankenhäuser. Keine der Personen konnte die Struktur korrekt wiedergeben, und die Zeichnungen der Teilnehmenden wichen erheblich voneinander ab.

Herausforderungen und Skepsis beim Thema ePA

Die Studie enthüllte zudem einige Missverständnisse. Viele Menschen gingen fälschlicherweise davon aus, dass alle Arztpraxen automatisch auf ihre Daten zugreifen können, sobald sie die elektronische Patientenakte benutzen. In Wahrheit müssen Versicherte den Zugriff für Ärzt:innen einzeln freischalten – entweder über eine App oder mit der Krankenkassenkarte und einer PIN.

Besonders die Rolle der Krankenkassen, die Apps für den Zugriff bereitstellen, stößt auf Kritik. „Es ist gesetzlich geregelt, welche Daten Krankenkassen einsehen dürfen“, erklärt Karola Marky. Die Tatsache, dass die Kassen den Versicherten Apps zur Verfügung stellen, suggeriere vielen, dass Krankenkassen mehr Daten sehen könnten als ohne digitale Akte. Ob das tatsächlich stimmt, haben die Forschenden in der aktuellen Studie nicht untersucht.

Verbesserungsvorschläge für die Zukunft

Die Forschenden empfehlen eine bessere Aufklärung über die digitale Infrastruktur. Zudem schlagen sie vor, eine zentrale Open-Source-App anzubieten, um mehr Vertrauen und einen einheitlichen Sicherheitsstandard zu gewährleisten. Die Möglichkeit des Aktenzugriffs über verschiedene Kanäle, wie Desktop-Anwendungen, sollte ebenfalls in Betracht gezogen werden.

Gemischte Gefühle über Datenkontrolle

Die Möglichkeit, Einträge aus der Akte zu löschen, wird von Versicherten ebenfalls ambivalent aufgenommen. Einerseits begrüßen die Befragten die Kontrolle über ihre Daten, andererseits sehen sie Missbrauchspotenzial. Die Empfehlung der Bundesärztekammer, lokale Kopien anzulegen, wird zur Verhinderung von Missbrauch vorgeschlagen.

Leichter Zugriff in Notfällen

Die Studie schließt mit der Empfehlung, dass die elektronische Patientenakte im medizinischen Notfall einen leichten Zugriff auf die Daten ermöglichen sollte, wenn die Patient:innen nicht mehr in der Lage sind, Zugriff zu gewähren. Die Forschenden betonen, dass eine bessere Aufklärung und Optimierung der digitalen Infrastruktur dazu beitragen könnten, die Nutzung der elektronischen Patientenakte in Deutschland zu steigern.

Quellen: Rebecca Panskus, Max Ninow, Sascha Fahl, Karola Marky: Privacy mental models of electronic health records: A German case study, Symposium on Usable Privacy and Security, Anaheim, USA, 2023, idw-online