Lichen sclerosus: Neue S3-Leitlinie empfiehlt frühzeitige Kortikoidtherapie im Genitalbereich
Marzena SickingJuckreiz, Brennen, Schmerzen und narbige Veränderungen im Genitalbereich: Lichen sclerosus ist eine chronisch-entzündliche, nicht-infektiöse Hauterkrankung, die Frauen, Männer und Kinder betrifft – und oft unerkannt bleibt. Die neue S3-Leitlinie unter Federführung von DDG und DGGG setzt auf schnelle Diagnostik, eine frühzeitige Kortikoidtherapie und interdisziplinäre Versorgung, um Komplikationen zu vermeiden und die Lebensqualität zu verbessern.
Was ist Lichen sclerosus?
Lichen sclerosus (LS) ist eine chronische, nicht heilbare, entzündliche Dermatose der anogenitalen Haut. Typische erste Anzeichen sind starker Juckreiz oder Brennen, Rötungen, feine Risse und später elfenbeinfarbene, scharf begrenzte Papeln/Plaques mit Ausdünnung der Haut (Atrophie) und Vernarbung. Frauen sind offenbar häufiger betroffen; die Erkrankung kann in jedem Alter auftreten. Häufige Beschwerden umfassen Schmerzen beim Wasserlassen, Stuhlgang und Geschlechtsverkehr; bei Frauen kann es zu einer Verengung des Scheideneingangs kommen, bei Männern zu Vorhautverengung und sexueller Dysfunktion. Die psychische Belastung (u. a. Ängste, depressive Phasen, Verlust des Selbstwertgefühls) ist erheblich.
Kernempfehlung der neuen S3-Leitlinie: früh potent topisch behandeln
Zentral ist eine frühzeitige Therapie mit potenten topischen Glukokortikoiden der Klassen III oder IV (z. B. Clobetasolpropionat 0,05% oder Mometasonfuroat 0,1%).
Bevorzugt werden Salben gegenüber Cremes oder Lotionen auf der äußeren Genitalhaut.
Ziel ist die rasche Symptomlinderung, Kontrolle der Entzündung, Vermeidung von Vernarbungen und Reduktion des Risikos anogenitaler Karzinome.
Ergänzend werden Emollientien (fettreiche, parfümfreie Basispflege) empfohlen – idealerweise mindestens zweimal täglich zur Stärkung der Hautbarriere.
Bei Jungen und Männern ist bei unzureichendem Therapieerfolg eine vollständige Zirkumzision (Entfernung der Vorhaut) eine anerkannte Option.
Warum die frühe Diagnose entscheidend ist
Je früher die Diagnose gestellt und die Therapie begonnen wird, desto besser lassen sich Beschwerden kontrollieren und strukturelle Schäden verhindern. Die Leitlinie betont, dass LS nicht selten ist, jedoch häufig nicht erkannt wird. Sensibilisierung von Fachkreisen und Öffentlichkeit ist daher ein zentrales Ziel.
Interdisziplinäre Versorgung und Schulung erhöhen die Versorgungsqualität
Die Leitlinie empfiehlt – nach Vorbildern aus den Niederlanden, Dänemark und dem Vereinigten Königreich – spezialisierte, interdisziplinäre Teams bzw. LS-Zentren. Beteiligt sein sollten Dermatologie, Gynäkologie, Urologie, Kinderchirurgie, Physiotherapie, Psychotherapie und Sexualtherapie.
Ein weiterer Schwerpunkt ist die systematische Patientenschulung: Aufklärung zu Anatomie, Krankheitsbild, Selbstbeobachtung und Hautpflege steigert die Therapietreue und verbessert die Ergebnisse.
Alltagsnahe Tipps für Betroffene
Reizstoffe meiden: keine Seife oder irritative lokale Anwendungen.
Basispflege lebenslang: 2× täglich fetthaltige, parfümfreie Salbe.
Verlauf dokumentieren: Fotos für ärztliche Kontrollen ermöglichen.
Nicht kratzen: Kratzen verstärkt die Symptome deutlich.
Kleidung: Locker sitzende Kleidung, bevorzugt Baumwolle oder Seide.
Sport: Beim Reiten/Radfahren auf geeigneten Sattel und Sitzposition achten.
Austausch suchen: Kontakt zu Patientengruppen kann entlasten.
Hinweis für Patienten: Dieser Beitrag ersetzt keine ärztliche Beratung. Bei Verdacht auf Lichen sclerosus ist eine zeitnahe dermatologische/gynäkologische/urologische Abklärung empfohlen.
Ausblick und Materialien für die Praxis
Zur Leitlinie steht eine Implementierungshilfe in Form eines Foliensatzes bereit, der ausdrücklich für die ärztliche Weiterbildung genutzt werden darf. Das soll die Verbreitung evidenzbasierter Diagnostik, Therapie und Nachsorge weiter beschleunigen. https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/013-105