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Gynäkologie
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Häufige psychische Erkrankungen rund um die Geburt

Psychische Erkrankungen vor, während oder nach der Schwangerschaft sind häufig. So erkranken 15 Prozent der Frauen an postpartalen Depressionen, zwölf Prozent an Angststörungen und ebenfalls bis zu zwölf Prozent an Substanzstörungen. Auch jeder zehnte Vater leidet an einer Depression. Peripartale psychische Störungen (PPS) können schwerwiegende Folgen auslösen. „Sie können den Schwangerschafts- und Geburtsverlauf negativ beeinflussen, die Partnerschaft und den Bindungsaufbau der Mutter zum Säugling beeinträchtigen und damit letztlich die weitere Entwicklung des Kindes“, erklärt Prof. Kerstin Weidner, Dresden.

Früherkennung und Behandlung peripartaler Störungen fehlt oft

Allerdings ist die Kenntnis, wie man Frauen und Familien mit PPS früh identifizieren und behandeln sollte, in der Praxis kaum vorhanden, so die Erfahrung der Deutschen Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie (DGPM). „Wir erarbeiten deshalb eine S3-Leitlinie mit Handlungsempfehlungen für alle Fachkräfte, die das betrifft“, berichtet Weidner. Sie ist Konsortialführerin des Forschungskonsortiums PERIPSYCH, das vom Innovationsausschuss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) im Mai 2023 die Bewilligung zur Erstellung der S3-Leitlinie „Peripartale Psychische Störungen“ erhalten hat. Die Fertigstellung ist für Mitte 2026 geplant.

S3-Leitlinie soll neue Standards für Diagnostik und Therapie setzen

Neben der DGPM haben auch die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG), die Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Frauenheilkunde und Geburtshilfe (DGPFG) und die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) die Leitlinie angemeldet; weitere Fachgesellschaften und Organisationen wie der Deutsche Hebammenverband, Pro Familia oder die Marcé Gesellschaft für Peripartale Psychische Erkrankungen sind an der Erstellung beteiligt.

Die Leitlinie wird erstmals wissenschaftlich fundierte Standards für eine differenzierte Diagnostik und Behandlung von Frauen und Familien mit PPS zusammenstellen. Ziel ist es, die Akteure des Gesundheitswesens wie Ärzte und Hebammen ebenso wie Jugend- und Familienhilfen zu befähigen, die verschiedenen PPS-Krankheitsbilder frühzeitiger zu erkennen und gezielter sowie vernetzter zu behandeln.

Gynäkologen und Kinderärzte als wichtige Ansprechpersonen

Naturgemäße Verbündete im Kampf gegen peripartale psychische Störungen sind Gynäkologen und Hebammen. „Sie sollten Schwangere fragen: Gab es Phasen psychischer Erkrankungen? Wie geht es Ihnen jetzt, ängstigen Sie sich vor der Geburt?“, legt Weidner nahe. Gefordert seien aber auch Sozialarbeitende oder Kinderärzte. Und schließlich könne auch der Partner aktiv werden und zur Behandlung motivieren – im Sinne des Kindes.

Psychische Belastung der Eltern beeinflusst Kindesentwicklung

Sowohl kurz- als auch längerfristig kann sich eine gestörte Mutter-Kind-Bindung infolge psychischer Probleme gravierend auswirken. Schreien, Schlafstörungen und Fütterprobleme werden als Symptome genannt, die sich relativ schnell zeigen. „Häufig setzt die sprachliche, motorische, kognitive und sozioemotionale Entwicklung beim Kind verzögert ein“, schildert Weidner die späteren Folgen. Mehrere Langzeitstudien belegen zudem für die Kinder ein erhöhtes Risiko für Depressionen, Ess- und Angststörungen, aber auch für körperliche Krankheiten wie Diabetes, Schlaganfall und Herzerkrankungen. Die Expertin vermutet, dass eine väterliche psychische Belastung sich genauso negativ auf das Kind auswirkt wie die einer Mutter. „Für eine fundierte Einschätzung ist die Datenlage aber noch nicht ausreichend“, erläutert sie.

Quelle:

u. a. Deutsche Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und Ärztliche Psychotherapie (DGPM) e.V.

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